Bio in der Krise: Wie Münchner Märkte damit umgehen

München - Als Berg- und Talfahrt kann man die vergangenen zwei Jahre in der Biobranche bezeichnen. Den meisten Biohändlern in München geht es momentan nicht gut. Nach einem pandemiebedingten Wachstumshoch im Jahr 2020, das 2021 schon abgeflaut ist, folgt nun ein deutlicher Einbruch.
Die Ursache lässt sich wahrscheinlich nicht nur auf die Inflation und die Ukrainekrise zurückführen, wie der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) erklärt. Während des Lockdowns hätten die Menschen viel zu Hause gekocht und sich verstärkt mit Lebensmitteln auseinandergesetzt, was den Bio-Einzelhandel stark beflügelt habe. Nach dem Wegfall der Pandemie-Maßnahmen würden die Verbraucher wieder verstärkt in anderen Bereichen konsumieren. Gastronomie und Reisen stünden momentan hoch im Kurs.
Mitten in der Krise einen Bioladenübernehmen? Mutig!
Laut BNN ist im ersten Quartal 2022 der durchschnittliche Umsatz in den deutschen Bio-Läden um 13,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gesunken. Damit befindet sich die Umsatzentwicklung in etwa auf dem Niveau von 2019 vor dem Pandemie-Hoch.
Ruhe bewahren und optimistisch bleiben. So versucht zumindest Leon Walther mit der Krise umzugehen. Er hat Mitte März in Altperlach einen Bioladen übernommen, den Biomarkt Perlach im Mohrhof. Eine mutige Entscheidung in diesen Krisenzeiten. "Erst einmal haben wir viel renoviert und investiert. Neue Kühlschränke, neue Wandfarbe, ein neues Sortiment. Daher ist es schwer, die aktuelle Situation einzuschätzen. Dass wir am Anfang im Minus sind, ist ganz normal." Er habe wegen der Erneuerungen allerdings sehr viel positive Rückmeldung von den Stammkunden des Vorgängers bekommen.
Wichtig sei, den Kunden zu vermitteln, wie die erhöhten Preise zustande kommen. "Momentan sind Beeren zum Beispiel sehr teuer, das liegt aber nicht an der Inflation, sondern an einer wetterbedingten Knappheit. Ich spreche viel mit den Kunden, und dann kommt auch viel Verständnis."
Auch wenn die Warenkörbe seiner Kunden momentan kleiner ausfallen, verliert der 28-Jährige nicht die Zuversicht: "Diejenigen, die einmal im Supermarkt eingekauft haben, flüchten nicht ohne Grund in die Bioläden. Sie würden einen hohen Preis bezahlen, wenn sie wieder zurückgehen würden." Persönliche Beratung und viel Ruhe beim Einkauf - laut Walther Vorteile, die materiell wohl nicht so einfach aufzuwiegen sind. Auch für ihn selbst: "Meine Arbeit ist sehr sinnstiftend, ich habe das Gefühl, etwas für die Zukunft und für die Menschen zu bewirken. Deshalb bleibe ich dran", so der junge Geschäftsführer.
Doch wie geht es momentan den anderen Biohändlern in der Stadt? Die AZ hat sich bei einigen umgehört.
Ökoesel in Neuhausen: "Treue Kunden"

Geschäftsführer Christian Rehbein vom Ökoesel in Neuhausen: "Uns geht es ganz gut. Während Corona haben wir einen sehr großen Boom erlebt. Vor unserer Filiale in der Helene-Weber-Allee haben sich oft Schlangen gebildet. Das hat Aufmerksamkeit erregt.
Jetzt eröffnen wir aktuell eine zweite Filiale in Haidhausen, im ehemaligen Lebascha in der Breisacher Straße. Wir haben diesen traditionsreichen Bioladen vor kurzem übernommen. Wir sind allerdings kein Bioladen im klassischen Sinne. Viele unserer Kunden sind Mitglieder und zahlen einen Beitrag, dafür kriegen sie stark vergünstigte Preise.
Die Mitglieder sind uns treu geblieben. Statt den Beitrag zu erhöhen, haben wir entschieden, dass sie selbst einschätzen dürfen, wie viel sie zahlen können. Durch dieses solidarische System kommen wir bisher sehr gut durch die Krise. Zwar ist der Umsatz nicht so stark gestiegen wie während der Pandemie, aber wir wachsen weiter.
In meinen Augen dauert es noch, bis in einer Stadt wie München die Grenze erreicht ist und die Menschen sich keine hochwertigen Lebensmittel mehr leisten können. Sicherlich sind aber Familien, die Grundsicherungsleistungen erhalten, auf die Discounter angewiesen. Da sollte die Politik etwas tun und diese Haushalte in Krisenzeiten besser unterstützen."
Bio am Romanplatz: "Minus 30 Prozent"

Geschäftsführer Nedin Joldic vom Bio am Romanplatz: "Wir haben einen Umsatzrückgang von 25 bis 30 Prozent im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten. Ich habe auch mit anderen Inhabern von Bioläden gesprochen, den meisten geht es eher schlecht. Viel kann ich leider nicht gegen den Rückgang tun. Die Preise kann ich für meine Kunden schwer reduzieren, weil sie im Einkauf so angestiegen sind. Alles ist teurer geworden. Besonders auch Öl, Nudeln, Eier.
Mir bleibt nur, dass ich Werbung schalte. Zwar kommen unsere Stammkunden weiterhin, aber sie kaufen weniger ein. Sie sparen und kaufen weniger Bio, das ist meine Vermutung. Trotzdem sind wir allen Stammkunden sehr dankbar, da sie uns in diesen schwierigen Zeiten ganz stark unterstützen. Wie die Zukunft von unserem Laden aussieht, hängt stark von der Kriegsentwicklung in der Ukraine ab, denke ich."
Bioinsel im Olympiadorf: "Ich bin ratlos"

Kristin Matthes, Mitinhaberin der Bioinsel im Olympiadorf: "Den Laden im Olympiadorf haben meine Kollegin Christina Langer und ich 2014 übernommen. Unsere Kunden sind Studenten, Familien, Senioren.Wir bieten günstige Biomarken an, aber auch preislich höhere, qualitativ sehr hochwertige Produkte.
Zwar haben wir einen treuen Kundenstamm, aber in den letzten Monaten mussten wir trotzdem einen hohen Umsatzeinbruch verzeichnen.Wir bemerken schon, dass bestimmte Kunden weniger einkaufen oder teilweise gar nicht mehr kommen. Unseren Gewinn aus der Coronazeit haben wir in einen Umbau und neue Kühlschränke investiert. Deshalb ist unser finanzielles Polster eher klein. Auf Dauer können wir mit diesem Minus nicht überleben.
Das bereitet uns schlaflose Nächte. Momentan bin ich ratlos, was wir tun können.Die Discounter bieten immer mehr Bioprodukte an und mit den niedrigen Preisen können wir nicht mithalten, denn bei unseren kleinen Abnahmemengen bekommen wir keine Rabatte im Großhandel. Wir hoffen einfach, dass die Kunden, die auf den persönlichen Kontakt Wert legen, weiterhin zu uns kommen.
Zum Glück gibt es immer wieder neue Kunden, die uns entdecken und positiv überrascht sind, was wir alles Tolles auf der relativ kleinen Fläche anbieten.Die Zukunft bereitet uns schon Sorgen. Keiner kann voraussehen, wie sich die Situation entwickelt. Aber wir verlieren nicht die Zuversicht, denn unsere treuen Kunden spiegeln uns täglich, wie wichtig wir im Olympiadorf für sie sind. Und das macht uns froh und stolz."
Grüner Zweig Biomarkt in der Fürstenrieder Straße: "Die Konkurrenz ist groß"

Pit Karmann, Geschäftsführer von Grüner Zweig Biomarkt in der Fürstenrieder Straße: "Ich führe meinen Laden in Laim seit etwa 20 Jahren. Leider ist es momentan sehr schwierig. 2020 war der Umsatz sehr gut, die Regale waren leer, wir sind kaum hinterhergekommen. Das hat sich dann aber bald gelegt. Im Mai 2021 hat die Gastronomie wieder geöffnet und da hat es schon angefangen, deutlich nachzulassen. Dann die Ukrainekrise, die Inflation. Im Vergleich zum letzten Jahr, das auch nicht sehr toll war, haben wir mindestens 20 bis 25 Prozent weniger Umsatz. Unser Laden hat 100 Quadratmeter Verkaufsfläche, 2019 haben wir noch ein kleines Café angeschlossen. Zum Glück, denn das hält uns gerade so über Wasser. Viele Stammkunden sind uns abgesprungen und ich wundere mich, wo sie hin sind. Hier in der Gegend gibt es auch einen Rewe und einen DM, der viel Bio-Trockenware anbietet. Die Konkurrenz ist groß. Wie ich die Kunden zurückholen soll, weiß ich nicht. Für einen kleinen Betrieb wie uns ist Werbung sehr teuer. Die Enttäuschung ist ziemlich groß. Momentan wird wegen der Inflation viel Stimmung gemacht. Ich habe den Eindruck, die Allgemeinheit lässt sich stark davon beeinflussen. Ein bisschen resigniert bin ich schon."