Billig-Silikon: Auch Sara Schätzl ist betroffen

In Deutschland sind bis zu 16000 Frauen betroffen, darunter auch die Münchner Schauspielerin Sara Schätzl. Sie lässt sich die Implantate wieder herausoperieren.
Beatrice Ossberger |
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Ließ sich die Brust vergrößern – mit minderwertigen PIP-Implantaten: die Münchner Schauspielerin und Buch-Autorin Sara Schätzl. „Als ich von dem Skandal erfuhr, habe ich drei Tage durchgeheult.
dpa Ließ sich die Brust vergrößern – mit minderwertigen PIP-Implantaten: die Münchner Schauspielerin und Buch-Autorin Sara Schätzl. „Als ich von dem Skandal erfuhr, habe ich drei Tage durchgeheult.

In Deutschland sind bis zu 16000 Frauen betroffen, darunter auch die Münchner Schauspielerin Sara Schätzl. Sie lässt sich die Implantate wieder herausoperieren.

München - Sie wollte einfach ein bisschen mehr Busen haben. Um eine Körbchengröße hat sich Sara Schätzl im vergangenen Jahr ihre Brust vergrößern lassen. Die Operation verlief erfolgreich, die Münchner Schauspielerin und Buch-Autorin („Glamourgirl“) war glücklich mit ihrer neuen Oberweite. Bis sie von dem Skandal um die minderwertigen Implantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothese (PIP) erfuhr. Auch Schätzl waren diese Implantate eingesetzt worden.

„Seitdem bin ich nicht mehr ich selbst“, sagt die 23-Jährige der AZ. „Ich weiß zwar durch Untersuchungen, dass meine Implantate noch intakt sind, aber wer weiß, wie lange noch. Ich weiß, dass da etwas in meinem Körper ist, das mich töten kann.“

So wie Sara Schätzl geht es derzeit vielen Frauen in Deutschland. Schätzungen zufolge sind hierzulande etwa 13.000 bis 16.000 Frauen von dem PIP-Skandal betroffen. Genau weiß man es nicht. Erstens sind Brust-OPs nicht meldepflichtig, zweitens ist noch nicht einmal bekannt, wie viele Schönheitschirurgen es in Deutschland gibt. Das Problem: Die Bezeichnung Schönheitschirurg ist anders als der Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie nicht geschützt. Die meisten Schönheits-OPs führen in Deutschland HNO-Ärzte, Dermatologen und Gynäkologen durch.

Verboten sind die PIP-Implantate seit Mitte 2010, weil herauskam, dass der Hersteller für die Füllung ein minderwertiges Industrie-Silikon verwendete. Eines, das für Matratzen vorgesehen ist. Dieses Silikon lässt die Brustkissen schneller reißen, und es steht im Verdacht, krebserregend zu sein.

In Frankreich gibt es bisher neun Krebsfälle nach gerissenen PIP-Implantaten. Die französische Regierung entschloss sich deshalb zu einer bisher einmaligen Rückrufaktion. Alle Frauen sollen sich die Implantate vorsorglich entfernen lassen. „Es ist eine absolute Katastrophe“, sagt Bernd Loos. Eigentlich hat er derzeit Urlaub, doch seit Tagen schon schiebt der Karlsruher Schönheitschirurg Sonderschichten. Im Operationssaal, im Sprechzimmer, am Telefon.

 


 

„Allein heute habe ich zehn Frauen beraten, gestern waren es fünf, und auch für die nächsten Tage ist der Terminkalender restlos voll. Nach den jüngsten Meldungen aus Frankreich sind die Frauen stark verunsichert, alle wollen sich ihre PIP-Implantate jetzt entfernen lassen.“

Und das ist ganz in Loos’ Sinn. Der Schönheitschirurg hat die PIP-Implantate früher verwendet („jahrelang gab es keine Probleme“) – und in letzter Zeit auch Dutzenden Patientinnen die Silikon-Kissen wieder entfernt. „Nur ganz wenige waren gerissen. Was ich aber bei allen PIP-Implantaten festgestellt habe ist, dass sie Silikon ausgeschwitzt haben. Die Mengen sind zwar gering, könnten aber trotzdem unter Umständen zu Entzündungen führen.“

Die deutschen Behörden haben sich der Rückrufaktion der Franzosen bisher nicht angeschlossen. Sie empfehlen den betroffenen Frauen lediglich, ihren Arzt zu konsultieren. Der Grund: Zwar gebe es in Deutschland 19 Fälle von gerissenen PIP-Implantaten, aber bei keinem dieser Fälle sei bisher Krebs aufgetreten. Die Frauen sind trotzdem verunsichert. „Sie haben das Gefühl eine tickende Zeitbombe in sich zu tragen“, sagt der Schönheitschirurg Robinson Ferrara der AZ.

Das Tückische bei diesen Kissen ist: Äußerlich machten die Produkte offenbar einen guten Eindruck. „Sie haben nicht anders ausgesehen und sich auch nicht anders angefühlt als hochwertigere Implantate“, so Ferrara.

Er selbst hat sie jedoch nie verwendet. „Die Implantate hatten zwar das CE-Zertifikat des deutschen Tüv, aber keine Zertifizierung der amerikanischen Food and Drug Administration. Die prüfen Medizinprodukte sehr gründlich, da müssen die Hersteller zum Teil jahrelange Studien vorlegen. In Deutschland dagegen sind die Kontrollen vergleichsweise lax.“ Was nicht nur für Brustimplantate, sondern auch für alle anderen Medizinprodukte gilt.

Viele Ärzte, und auch Sven von Saldern, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie, fordern deshalb, den Zertifizierungsprozess zu verschärfen. „Ärzte können keine Materialprüfung machen“, sagt von Saldern. „Sie müssen sich darauf verlassen können, dass die Produkte, die in Europa zugelassen werden, wirklich in Ordnung sind.“

Die Münchnerin Sara Schätzl lässt sich im Februar die PIP-Implantate herausoperieren. „Auch wenn ich weiß, wie schmerzhaft die Operation wird, bin ich einfach nur froh, dass ich die Dinger dann los bin.“

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