Bildband: Münchens sündige Nachkriegszeit
München - Für den „Skandal im Sperrbezirk“ und Monis heiße (Telefon-)Nummer wär’s damals noch zu früh gewesen. Ganz einfach mangels der einschlägigen Verordnung gegen die Prostitution: Mitten in München, am Färbergraben etwa, in der Herzogspitalstraße oder am Platzl und der Sendlinger Straße blühte in den 50er und 60er Jahren das Geschäft mit dem Sex.
Straßen-Strich, Striptease-Schuppen, Stundenhotels – alles dicht an dicht mit dem ganz normalen Alltagsleben. „Flesh-Pot“, also „Fleisch-Topf“, nannten die US-Soldaten das Bahnhofsviertel. Hier mischten sich Frolleins und Besatzer, hier wurde fleißig fraternisiert. Der Münchner Fotograf Al Herb war mit seiner Kamera immer mitten drin. Und dokumentierte die Halb- und Viertelwelt-Szene, die Hallodris und Säufer, die Club-Besucher und die US-Soldaten.
Und natürlich zu allererst die Königinnen der Nacht. Eine Auswahl seiner Fotos ist jetzt in einer Softcover-Neuauflage im Hirschkäfer Verlag erschienen. „Sündiges München – Nachtszenen der Nachkriegszeit“ heißt es (168 Seiten, 19,90 Euro, www.hirschkaefer-verlag.de). Ein wenig betextetes, aber reich bebildertes Kompendium aus einer Zeit, die ganz zu Unrecht als spießig galt. Al Herb war Fotodidakt. Er fühlte sich angezogen vom Dunstkreis der Clubs und Striplokale, zog mit seiner Kamera los – und gewann das Vertrauen der Animierdamen, der Strip-Tänzerinnen, der Prostituierte.
Schließlich beauftragen sie ihn sogar damit, von ihnen Show-Aufnahmen und Portraits zu machen. Aber auch die andere Seite der Medaille sparte Al Herb nicht aus. Nämlich die Kriegsopfer, die Abgestürzten, die Versehrten, die Alkoholiker und die Gestrandeten. Zeitgeschichte in Bildern, unverfälscht und ungeschönt in ihrer Trostlosigkeit.
München zwischen prickelndem Nachtleben und Elend. Beeindruckend choreographierte Erotik-Shows, witzige Sekt-Bäder, bei denen Entblätterungs-Künstlerin Dita von Teese abgeschaut haben könnte, Prostituierte nachts auf der Landsberger Straße, Mütter mit Kinderwagen vor den Plakaten mit den Schönen der Nacht. Al Herb, der heute im Münchner Westen lebt und nur noch privat fotografiert, war immer mit dabei.
Und half mit seiner Arbeit sogar, Verbrecher zu fangen – etwa einen Vergewaltiger, den er kurz zuvor mit seinem Opfer fotografiert hatte. Oder einen Taschendieb, den er beim Erleichtern eines Pärchens ablichtete. Nachdem die AZ das Bild gedruckt hatte, wurde der Täter erwischt.
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