Betrug in den eigenen Reihen: Die Freibier-Zöllner
MÜNCHEN - Einladungen zum Essen, Freibier, gelegentlich etwas Bakschisch – rund zehn Jahre lang sollen Zollbeamte in München die Hand aufgehalten und dafür ungeprüft Ausfuhrpapiere abgestempelt haben. Sie sitzen in U-Haft.
Der Dienstag vergangener Woche versprach ein schöner Tag zu werden für die Hauptzollsekretärin Christina A. (39). Morgens um acht schaute sie kurz im Zollamt an der Münchner Messe vorbei. Dann setzte sie sich in ihren Mercedes SLK – und fuhr zum Golfen nach Trudering. Dort präsentierten Fahnder der überraschten Staatsdienerin einen Haftbefehl. Vorwurf: Bestechlichkeit und Urkundenfälschung.
Die Beamtin und drei ihrer Kollegen sollen seit rund zehn Jahren Ausfuhrpapiere abgestempelt haben, ohne sich jemals die Ware anzusehen. In zahlreichen Fällen, so der Verdacht der Staatsanwaltschaft, haben die Güter das Land nie verlassen – während sich die vermeintlichen Exporteure die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent vom Staat erstatten ließen.
Anonymer Brief brachte Fahnder auf die Spur
Rund 1500 Euro soll die Zöllnerin monatlich für ihre illegalen Dienstleistungen kassiert und damit ihr Gehalt nahezu verdoppelt haben. Ein anonymer Brief hatte die Fahnder auf die Spur des Schmiergeldskandals gebracht. Insgesamt wird, wie „Spiegel online“ berichtete, gegen 24 Beschuldigte ermittelt.
Mehr als 400 Fahnder von Zoll und Polizei durchsuchten das Zollamt Garching-Hochbrück, dessen Außenstelle Messe sowie 86 Speditionen, Büros und Wohnungen im Raum München. Die beschlagnahmten Unterlagen füllen mehr als 300 Kartons. Im Fokus der Ermittler stehen auch Angestellte und Inhaber der Agentur Franz P., die für rund 50 Spediteure im Münchner Raum den Papierkram mit dem Zoll abwickelt.
Inniges Verhältnis zwischen Kaufleuten und Beamten
Nach den Erkenntnissen der Ermittler hatte sich im Lauf der Zeit zwischen Kaufleuten und Zollbeamten ein so inniges Verhältnis entwickelt, dass Dokumente ohne jede Prüfung abgestempelt wurden. Im Gegenzug, so der Verdacht, habe die Agentur Zollbeamte zum Frühstück eingeladen, Bier für Partys spendiert und auch schon mal Bares springen lassen.
Eine Kontrolle der Kontrolleure findet kaum statt. Erst kürzlich wurde damit begonnen, bei den Zollämtern eine Innenrevision einzurichten.
Im Fall Garching war es der Abteilung Organisierte Kriminalität im Zollfahndungsamt München zu verdanken, dass die Korruptionsvorwürfe so gewissenhaft ermittelt wurden. Dabei kam auch heraus, dass die verhaftete Hobby-Golferin sich einst mit einem gefälschten Realschulzeugnis beim Zoll beworben hatte.