"Bescheidene Dinge": Verein erfüllt Wünsche von Wohnungslosen in München

München – Sein Keyboard ist sein ganzer Stolz, das merkt man schnell, als Walter Brenneisen das Instrument in den kleinen Raum trägt. Schon immer hat er Musik gemacht, erzählt der 64-Jährige. Früher habe er sogar jahrelang als professioneller Musiker in einem Hotel am Titisee in Baden-Württemberg gearbeitet. Dass er seiner Leidenschaft heute nachgehen kann, ist dennoch alles andere als selbstverständlich.
Wohnungslose Menschen wünschen sich oft bescheidene Dinge
Das Keyboard kostet rund 300 Euro, allein hätte er es sich nur schwer leisten können. Denn Brenneisen ist wohnungslos, schlägt sich mit Minijobs durch. Viel Geld bleibt ihm nicht übrig.
Das Keyboard hat ihm der Verein Schneekönige ermöglicht, der seit 2015 Herzenswünsche wohnungsloser Menschen erfüllt. Etwa 200 bis 250 Wünsche kommen pro Jahr an, wie Cornelia Pagel erzählt, eine der Gründerinnen und Vorsitzenden des Vereins. "Oft sind es ganz bescheidene Dinge, zum Beispiel eine Eintrittskarte für das Schwimmbad oder für den Tierpark."
Viele wünschen sich auch Laptops, denn ohne Internet ist man schnell abgehängt, sagt Pagel. Bei der Wohnungs- und Arbeitssuche läuft schließlich viel im Netz ab. Auch Wünsche aus dem gesundheitlichen Bereich erfüllen die Schneekönige immer wieder, zum Beispiel Seh- oder Hörhilfen.
Auch Kinder aus wohnungslosen Familien kriegen Wünsche erfüllt
Ab und zu kann der Verein auch Kinder aus wohnungslosen Familien glücklich machen. Sie wünschen sich laut Pagel oft einen schönen Schulranzen, "um dazu zu gehören". Ein Mädchen träumte von einer Reitstunde, die sie dank der Schneekönige bekam.
Anfangs wollte der Verein Menschen direkt auf der Straße ansprechen, erzählt Pagel. Doch das habe nicht funktioniert: "Wenn man die Leute fragt, können sie oft gar keinen Wunsch nennen. Das ist für sie so weit weg von der Realität."
Über die Jahre hat der Verein daher ein Netz aus Partnern aufgebaut, mit denen er zusammenarbeitet, darunter das Frauenobdach Karla 51 des Evangelischen Hilfswerks München sowie der Katholische Männerfürsorgeverein (kmfv), der unter anderem mehrere Unterkünfte für Wohnungslose in München betreibt.
Johannes Hiesinger, stellvertretender Leiter des Hauses an der Kyreinstraße, gibt die Wünsche der Bewohner seiner Einrichtung an die Schneekönige weiter – und bekommt meist schnell eine Zusage, manchmal sogar innerhalb weniger Stunden. "Ich kann mich nicht erinnern, dass mal ein Herzenswunsch abgelehnt wurde."
Am schönsten ist es für die Helfer, wenn die Menschen nachhaltig etwas von ihren Wünschen haben – so wie es bei Walter Brenneisen ist. Mit seinem musikalischen Talent unterhält er immer wieder auch die anderen Bewohner des Hauses an der Kyreinstraße, in dem er momentan ein Zimmer hat. Für Brenneisen selbst ist die Musik auch Ablenkung in schwierigen Phasen, wie er sagt. "Wenn es mir mal nicht gut geht, setze ich mich vors Klavier."
"400 Euro zahlt man für eine Abstellkammer"
Seine Leidenschaft hilft ihm schon seit langem: Wohnungslos wurde er vor rund 15 Jahren, als seine Wohnung in Starnberg abbrannte. Seitdem ist er auf der Suche, "aber es ist finanziell nicht tragbar" – obwohl er lange regulär arbeitete, zunächst als Musiker, dann als Koch und später in Minijobs, unter anderem als Haustechniker. "Aber in München zahlt man für eine Abstellkammer schon 400 Euro."
Einschneidende Erlebnisse wie der Brand in Brenneisens alter Wohnung sind meist der Auslöser für die Wohnungslosigkeit, sagt Johannes Hiesinger vom Haus an der Kyreinstraße. Dazu gehören private Schicksalsschläge wie Scheidungen oder Krankheit, aber auch der Verlust der Arbeitsstelle. Hin und wieder seien auch Inhaftierungen der Grund dafür, dass ein zuvor geordnetes Leben aus der Bahn gerät.

So auch bei Daniel Gruber, der eigentlich anders heißt. 17 Jahre lang war er bei einer Abbruchfirma in München angestellt, sechs Jahre lang in derselben Branche selbstständig. Wegen Steuerhinterziehung musste er jedoch ins Gefängnis.
Ein neues Fahrrad führt zur Freiheit
Über die Jobbörse der Arbeitsagentur fand der 59-Jährige danach immer wieder vorübergehende Stellen, doch auch er kämpft mit den hohen Wohnungskosten in München. Zwei Jahre lang lebte Gruber auf der Straße, wie er sagt, später im Heim an der Pilgersheimer Straße und an der Kyreinstraße. Inzwischen konnte er eine vom kmfv betreute Wohnung beziehen.
Gruber ist am liebsten mit dem Fahrrad unterwegs, erzählt er. Als sein altes Radl kaputt ging, wurde die Reparatur auf 350 Euro geschätzt, die Kosten hätte er nicht stemmen können. Weil sich die Reparatur zu dem Preis nicht mehr gelohnt hätte, ermöglichten ihm die Schneekönige ein neues Fahrrad.
Für Gruber bedeutet das ein Stück Freiheit: "Ich kann dahin fahren, wo ich will, nicht nur dahin, wo die U-Bahn hinfährt." Für Cornelia Pagel und Johannes Hiesinger ist es immer wieder schön, die Dankbarkeit der Wohnungslosen zu sehen: Bei der Arbeit in diesem Bereich erlebe man schließlich häufig Schattenseiten, sagt Hiesinger. "Hier kann man auch mal was Gutes tun."
Als gemeinnütziger Verein sind die Schneekönige auf Spenden angewiesen. Wer sie unterstützen möchte, findet Infos unter schneekoenige-verein.org.