Beratersumpf im Münchner Rathaus

Ein streng geheimer Revisionsbericht deckt auf: Verträge für 44 Millionen Euro wurden über Jahre hinweg von der Verwaltung meist ohne Ausschreibung vergeben. Dabei handelt es sich nach dem Urteil des Revisionsamtes um „kritische Bereiche rund um Korruption und Manipulation“.
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Ein streng geheimer Revisionsbericht deckt auf: Verträge für 44 Millionen Euro wurden über Jahre hinweg von der Verwaltung meist ohne Ausschreibung vergeben. Dabei handelt es sich nach dem Urteil des Revisionsamtes um „kritische Bereiche rund um Korruption und Manipulation“.

MÜNCHEN Nach den Korruptionsskandalen um Klärwerks- oder Küchenkartelle sollten im Rathaus verschärfte Kontrollmechanismen in sensiblen Bereichen eingeführt werden. Doch jetzt kam das Revisionsamt einem erschreckenden Millionen-Skandal auf die Spur: Über Jahre hinweg wurden von der Verwaltung Beraterverträge in aller Regel an den Vorschriften vorbei vergeben. Allein in fünf Jahren machte das bei 275 Verträgen ein Auftragsvolumen von 44 Millionen Euro aus.

Dabei handelt es sich nach dem Urteil des Revisionsamtes um „kritische Bereiche rund um Korruption und Manipulation“. Es ging um Aufträge und damit um viel Geld. Die zum Teil spärliche Dokumentation der Vergabeverfahren erschwere die Beweisführung, dass niemand zu seinem eigenen Vorteil gehandelt hat, so die Prüfer. Sie standen vor der Frage, „ob individuell geleitete, manipulierte bzw. korrumpierte Beschaffungshandlungen vorlagen“. Oft fragten sie sich auch, welchen „individuellen Nutzen“ die „handelnden Akteure“ hatten.

Der hochbrisante Bericht ist streng geheim und soll im Oktober im kleinen Stadtratskreis beraten werden.

Das Revisionsamt nahm sich die Beraterverträge aus den Jahren 1998 bis 2003 vor, die von den Referaten in Eigenregie verwaltet werden. Es wurden 275 Verträge mit einem Volumen von 44 Millionen Euro gemeldet. Die Revisoren prüften 41 Verträge aus drei Referaten (Personal-, Schul-, Sozialreferat). Alle 41 wurden beanstandet. Die Fehler, die dabei gefunden wurden, wurden wohl auch in den Jahren danach gemacht.

Die zentralen Vorwürfe: Die städtischen Mitarbeiter kannten die Vergabevorschriften (angeblich) nicht. Die meisten Aufträge wurden regelwidrig ohne öffentliche Ausschreibung und erkennbaren Wettbewerb vergeben. Oft gab es keinen zweiten Bieter. Zudem gab es in aller Regel keine nachvollziehbare und transparente Dokumentation, wie die Vergabe abgelaufen ist und warum jemand den Auftrag bekam. „Besonders kritisch“ ist das für die Prüfer dann, wenn (wie oft geschehen) nur ein einziger Bieter ausgesucht wurde. Das Revisionsamt spricht von „mangelnder Sensibilität“. Dabei hätten sich alle von der Zentralen Vergabestelle helfen lassen können.

Zum Beispiel: Für eine Organisationsuntersuchung wurde der Auftrag über rund 45000 Euro ohne Ausschreibung vergeben, es gibt keine Protokollnotizen über die Verhandlung und keine Vergleichsangebote. Wie der Bewerber kontaktiert wurde und warum er den Auftrag bekam, ist nicht erkennbar.

Die Beurteilung des Schulreferats: „Das Schulreferat hat die Bedeutung formal korrekter Vergabeverfahren einschließlich entsprechender Maßnahmen noch nicht vollständig erkannt.“ Es bereite „größte Schwierigkeiten“, die benötigte Leistung im Vergabesystem einordnen zu können. Da gingen Aufträge an „Haus- und Hoflieferanten“ auf „nicht nachvollziehbare oder zumindest nicht ausreichend“ dokumentierte Weise. Die Markterforschung sei „nicht professionell genug“. Bei Aufträgen gab es „bis auf wenige Ausnahmen“ keine Leistungsbeschreibungen: Damit waren Angebote nicht vergleichbar.

Im Sozialreferat wurde in einem Fall der Zweitplazierte genommen. In vier Fällen wurde das Leistungsverzeichnis in Zusammenarbeit mit oder ganz vom späteren Auftragnehmer erstellt. „In allen anderen Fällen“ ist die konkrete Leistung erst mit dem Vertrag bestimmt worden. Und: In zwei Fällen stand der Auftragnehmer „bereits vorab fest“.

Die untersuchten Dienststellen beauftragten also tendenzielle jene, die an der Vorarbeit mitgewirkt hatten oder jemanden, den man bereits kannte – ohne Vergleichsangebote einzuholen.

Was tun? Das Revisionsamt rät dringend zu einem Kontrollsystem. Es will eine zentrale Stelle, die die Beraterverträge vergibt. Es gibt zwar seit 1998 einen „runden Tisch Beschaffungswesen“ – aber der hat nichts genützt.

Willi Bock

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