"Weil dich keiner ficken will!": Heftige Auseinandersetzung zwischen Rammstein-Fans und Demonstranten bei München-Konzert

München - Ein schwarzer Menschenstrom drängt Richtung Olympiastadion. Die Fans in den dunklen Rammstein-T-Shirts – viele tätowiert und größtenteils Männer – wirken wie eine eingeschworene Mannschaft. Vor allem, als sie sich verachtend über die Demonstrantinnen am Wegrand lustig machen.
"Nur, weil dich keiner ficken will!" schreit eine heisere Männerstimme aus der schwarzen Menge Richtung Demo. Gelächter aus seinen Reihen. "Gegen jeden Täterschutz, Rammstein ist der größte Schmutz!", erwidern die Demonstranten einstimmig.

"Halt die Fresse!": Demonstranten wüten gegen Rammstein-Fans
Grund für den heftigen Schlagabtausch am Mittwoch sind die umstrittenen Rammstein-Konzerte im Olympiastadion. Die Heavy-Metal-Band und ihr Frontmann Till Lindemann sind zuletzt wegen heftigen Vorwürfen in die Kritik geraten.
Die Demonstranten – bunte Kleidung, bunte Haare – lassen sich von den Beleidigungen der Rammstein-Anhänger nicht einschüchtern – und reagieren selbst aggressiv. "Halt die Fresse!", brüllt eine junge Frau durch ihr Megafon einem Mann im schwarzen T-Shirt entgegen.

Sie und ihre Mitstreiter, größtenteils Frauen, haben sich neben dem Stadion aufgestellt und protestieren mit Plakaten und großen Bannern gegen das Konzert der Metal-Gruppe. Eines trägt die Aufschrift "Rührt ihr eine an, antworten wir alle!"
"Weil ihr nicht in die erste Reihe kommt": Gegröle der Rammstein-Fans
Immer mehr Schwarz-Tragende bleiben vor dem Plakat-Meer stehen, manche verschränken die Arme und grinsen spöttisch, andere filmen die Aktivisten und versuchen sie mit lautem Gegröle und Pfiffen zu übertönen. "Nur, weil ihr nicht in die erste Reihe kommt", lautet ein abfälliger Kommentar aus den Reihen der Fans.
Die vorderste Reihe – die Row Zero, direkt vor der Bühne – das ist der Bereich, in den bei vergangenen Konzerten nur ausgewählte junge Frauen gelassen wurden. Diese Frauen sollen dann auch auf Aftershowpartys eingeladen worden sein, wo ihnen laut eigenen Angaben K.O.-Tropfen verabreicht wurden. Es soll dort auch zu sexuellen Übergriffen gekommen sein.
Fans machen klar: Kritische Stimmen zu Rammstein sind nicht erwünscht
Die Situation vor dem Stadion spitzt sich zu. Es wird immer lauter, immer mehr Fans bleiben stehen. Dann stellen sich Polizeibeamte vor die Demonstrantinnen.
Zu Schaden kommt an diesem Abend niemand. Die Polizei wird später allerdings berichten, dass zwei Personen angezeigt wurden: Ein Mann wegen Beleidigung einer Demonstrantin, ein weiterer, weil er während des Konzerts, als Rammstein ihr Lied "Deutschland" spielte, den Hitlergruß zeigte.
Nicht nur die Demonstranten merken heute allerdings, dass kritische Stimmen zu Rammstein bei den Fans nicht erwünscht sind. Auch die AZ-Reporter, die vor Ort Fans und Demonstranten interviewen, bekommen zu spüren, dass man hier keine Berichterstattung will: Ein Mann im schwarzen Rammstein-T-Shirt rempelt die Reporter mutwillig während eines Gesprächs mit Demonstranten von hinten an. Körperlich zu Schaden gekommen ist vor dem Konzert laut Polizeiangaben aber niemand.
Vorfreude auf das Konzert? Das sagen die Rammstein-Fans
Julia Gerle (26) Einzelhandelskauffrau, ist mit ihren Freunden beim Konzert
"Wir wollten uns die Show anschauen, die Lieder finden wir auch gut. Aber wir sind keine Groupies. Heute sind wir das erste Mal auf einem Rammstein-Konzert. Von den Vorwürfen gegen Till Lindemann hab ich gehört, aber ich glaub den Frauen nicht. Ich glaube nicht, dass der Sänger es nötig hätte, sowas abzuziehen."

Julia, Hotelfachfrau (23), Samantha, Therapeutin (27), Eva, Laborantin (27), sind aus dem Landkreis Ebersberg gekommen
"Wir sind riesengroße Fans und hören schon ewig lang Rammstein. Heute sind wir das erste Mal auf einem Konzert. Wir haben erst in den letzten Tagen von den Vorwürfen gehört. Leute, die wussten, dass wir auf das Konzert gehen, haben uns auch drauf angesprochen. Wir haben gesagt, dass wir halt die Musik anhören und uns die Artikel teilweise gar nicht durchgelesen. Noch ist ja nichts bewiesen. Solange keine Beweise da sind: im Zweifel für den Angeklagten. Wir gehen ja nicht da hin, weil wir Till Lindemann sehen wollen, sondern weil wir die Musik hören wollen. Die Karten haben ein Vermögen gekostet (120 Euro pro Person), da sagt man nicht ab. Wir freuen uns schon seit einem dreiviertel Jahr drauf."

Arbeitserzieherin Heidrun Seiffert-Manz (47) von der Schwäbischen Alb ist zum zweiten Mal beim Rammstein Konzert
"Ich war letztes Jahr schon bei einem Konzert in Stuttgart, die Feuershow ist super. Die Texte sind, wenn man sie mal durchliest, auch interessant. Pro Karte haben wir 300€ gezahlt. Am Montag Morgen hat uns ein Arbeitskollege von dem Skandal erzählt. Deshalb nicht mehr herzukommen, stand für uns nicht zur Debatte. Es ist halt komisch, dass ausgerechnet jetzt, so kurz vor dem Konzert, alles rauskommt."
Arbeitserzieherin Silke Arnold (50) ist das erste Mal dabei
"Ich lass mich jetzt einfach überraschen."

Bianca Busche (17), Auszubildende und Susanne Glögler (53), Kinderpflegerin in Ausbildung aus Ingolstadt
"Wir sind heute das erste Mal bei einem Rammstein-Konzert. Pro Person haben wir über hundert Euro pro Karte gezahlt. Die Musik gefällt uns einfach. Von den Negativ-Schlagzeilen, haben wir gehört, aber das hat uns nicht davon abgehalten, heute hier herzukommen. So leicht sind die Tickets auch nicht zu stornieren. Man weiß auch nicht so recht, was man glauben soll. Aber wir freuen uns jetzt auf die Bühnenshow."

Ralf (57), Angestellter, und Petra (55), Assistentin der Geschäftsleitung, aus Stuttgart
"Wir sind heute das erste Mal auf einem Rammstein-Konzert und zwar wegen der Feuershow. Das muss man einmal sehen. Privat hören wir Rammstein nicht." Petra sagt, sie kenne kein einziges Lied. "Die Tickets haben wir schon ein halbes Jahr. Für das Konzert sind wir extra aus Stuttgart gekommen. Von den Vorwürfen haben wir in den sozialen Medien gehört." Petra: "Ich finde das befremdlich. Letztendlich ist der Mann mir egal, ich gehe wegen der Show und wegen des Erlebnisses hin. Ganz kurz hab ich auch drüber nachgedacht, nicht hinzugehen, aber die Karten hätte man wahrscheinlich nicht mehr losbekommen – weil das Viele versucht haben." Ralf: "Ich sehe das so: Solange keine Schuld bewiesen ist, gilt jede Person als unschuldig. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille."

"Statement setzen": Was diese Frauen von Rammstein halten
Jana (30), Justizangestellte und Merle (32) Gesundheits-und Krankenpflegerin sind extra aus Schleswig-Holstein angereist – haben ihre Tickets wegen der Vorwürfe aber verkauft
"Wir haben uns dagegen entschieden, zum Rammstein-Konzert zu gehen. Wegen der aktuellen Vorwürfe können wir das nicht mit unserem Gewissen vereinbaren, wir möchten das nicht unterstützen. Als wir vor zwei Wochen davon erfahren haben, dachten wir uns: Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir uns keine Tickets gekauft! Dann haben wir zuerst gesagt, na gut, wir gehen hin, aber mit nem blöden Gefühl. Jetzt ist noch ein Video rausgekommen und dann haben wir beschlossen, dass wir versuchen, unsere Tickets zu verkaufen. Das hat auch geklappt. Das ging relativ schnell, wir haben sie hier vor dem Stadion einfach hochgehalten."

Schülerin Yolande B. (17) hat bei der Demonstration mitgemacht:
"In den letzten Tagen sind die Vorwürfe publik geworden und es ist ein Skandal, dass das Konzert trotzdem stattfinden kann und nichts dagegen getan wird. Wir sind heute hier, um ein Statement dagegen zu setzen. Wir zeigen, dass wir nicht damit einverstanden sind. Die Rammstein-Fans sind teilweise sehr aggressiv uns gegenüber. Auf dem Weg hierher wurde ich als Mäuschen und als Fotze bezeichnet. Ich bin öfter bei Demos und heute ist es sehr auffällig, wie aggressiv die Fans sind."
