Bairisches Wörterbuch in Arbeit: Miesbuckel und Hennagrepf

Bairisch für Profis: Der Brite Anthony Rowley erforscht seit mehr als 20 Jahren unseren Dialekt. Im Jahr 2050 soll das komplette Wörterbuch fertig sein.
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Professor Anthony Rowley erforscht seit 20 Jahren an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
dpa Professor Anthony Rowley erforscht seit 20 Jahren an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

MÜNCHEN - Bairisch für Profis: Der Brite Anthony Rowley erforscht seit mehr als 20 Jahren unseren Dialekt. Im Jahr 2050 soll das komplette Wörterbuch fertig sein.

Herrgottsakra, Kruzenesn, Kreizdeifi damischer: Dass der Bayer einem katholischen Volk entstammt, erkennt man, sobald er flucht. Das sagt Professor Anthony Rowley, der seit mehr als 20 Jahren an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München den bayerischen Dialekt erforscht. „Fluchen funktioniert auf Bairisch deutlich besser als auf Hochdeutsch“, sagt er.

„Kruzifix und Sakrament: In protestantischen Gegenden hat es eine Rückbesinnung auf die Zehn Gebote und eine starke Tabuisierung religiöser Schimpfwörter gegeben – bei den Katholiken in Bayern ist das nicht passiert.“ Nach 35 Jahren im Freistaat klingt der 57-Jährige selbst schon fast wie ein Bayer und gibt zu: „Das Englische ist schon ein bisschen eingerostet und ich befürchte, wenn ich Englisch rede, habe ich inzwischen einen deutschen Akzent.“

Als Leiter der vierköpfigen Kommission für Mundartforschung sammelt und archiviert Rowley Wörter für das Bayerische Wörterbuch – ausgerechnet ein Brite hütet also den Wortschatz des bayerischen Dialektes.

Und dieser verrät neben dem katholischen Schwerpunkt auch, dass in Bayern lange Zeit Landwirtschaft statt „Laptop und Lederhose“ galt.

„Die hat ja ordentlich Hoiz vor da Hütt'n“ sei so ein Beispiel, sagt Rowley. Gerade in vielen sprachlichen Bildern habe sich „landwirtschaftliches Fachvokabular“ gehalten – und auch wieder beim Fluchen: So fällt in einer bayerischen Auseinandersetzung gerne mal das Schimpfwort „bluadige Hennagrepf“, was soviel heißt wie blutige Hühnerkröpfe.

Ungefähr im Jahr 2050 sollen diese und alle anderen bayerischen Wörter, die zwischen Eichstätt und Bad Reichenhall gesprochen werden, zusammengetragen sein. Um den fränkischen Wortschatz kümmert sich ein Kollege von Rowley in Bayreuth. Seit 1995 erscheint jedes Jahr ein rund 100 Seiten starkes Heftchen. Haben die Mundartforscher acht oder neun dieser Heftchen zusammen, werden sie zu einem Buch zusammengefasst. Der erste Band endet ausgerechnet mit dem Wort „Bazi“.

„Sammlungen für Oktoberfestbesucher gibt es genug, wir haben da aber einen wissenschaftlicheren Ansatz“, sagt der gebürtige Engländer. Mehr als zwei Millionen Wörter befinden sich – auf kleine weiße Zettel geschrieben – in den unzähligen Schubkästen, die in seinem Büro bis an die Decke reichen. Auf den Zetteln stehen so exotische Wörter wie „Miesbuckel“ - wieder ein Schimpfwort. „Ein Mensch, dem vor Faulheit das Moos auf dem Buckel wächst“, liest Rowley die Erklärung. „Das Wort kannte ich auch noch nicht.“. Das Projekt wird vom Bayerischen Wissenschaftsministerium unterstützt – im Rahmen seiner Zuschüsse für die Akademie der Wissenschaften.

Typisch für bayerische Regionen ist die Gemütlichkeit, die auch Einzug in die Sprache gehalten hat: „Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Wirtshäusl vor einem Massl Bier – vor einem Literchen Bier klingt seltsam. Das geht nicht.“ Ein bayerisches Lieblingswort habe er nicht, sagt er. „Ich mag sie alle“. Doch auf ein Wort, das bald in das Wörterbuch eingeht, freut er sich besonders: Bier. „Denn“, so kündigt Rowley schon einmal an, „dazu gibt es viel zu erzählen“. Britta Schultejans

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