Babyleiche am Landtag: Warum töten Mütter ihre Kinder?

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Noch stehen die Ermittler vor einem Rätsel. Am Landtag in München ist am Dienstag die Leiche eines Säuglings gefunden worden. Von der Mutter fehlt jede Spur. Ein Psychiater im AZ-Interview über Frauen, die ihre Babys nach der Geburt sterben lassen
AZ: Herr Soyka, warum tötet eine Mutter ihr Kind?
MICHAEL SOYKA: Es ist meistens eine Verzweiflungstat, wenn Mütter ihre Neugeborenen töten oder nach der Geburt einfach unversorgt liegen und sterben lassen. Die Mutter wird ungewollt schwanger, der Kindsvater ist fast nie präsent. Die Frau verheimlicht ihre Schwangerschaft und ist dann bei der Geburt mit der Situation überfordert. Nur eine kleine Gruppe Mütter leidet an einer psychischen Wahnerkrankung – aber dann werden die Kinder meistens nicht heimlich entsorgt.
Was können Sie sonst über die Frau sagen?
Häufig sind die Mütter sehr jung. Manchmal kommt auch ein Migrationshintergrund dazu. Aber es sind nicht nur sozial schwache Frauen, die ihre Kinder töten: Es kann auch die nette junge Frau von nebenan sein. Ich kenne Frauen mit normalen Job oder Universitätsabschluss, die Kinder getötet haben.
Es scheint, als ob immer häufiger Babyleichen gefunden werden.
Das stimmt, Kindstötungen sind nicht selten. Zwar sprechen die vielen Babyklappen dafür, dass in unserer Zeit ledige Mütter nicht mehr so stigmatisiert sind. Aber die Frauen erleben die Geburt als Notsituation. Hilfsangebote von Behörden und Kirchen nehmen sie nicht in Anspruch.
Stellen sich die Frauen?
Nicht notwendigerweise. In Deutschland gibt es eine Reihe bizarrer Fälle, bei denen die Mütter erstaunlicherweise über Jahre Kinder zur Welt bringen und sie dann töten. Einige ertränken die Säuglinge in der Toilettenschüssel, andere ersticken sie oder lassen sie einfach liegen.
Was ist mit dem Kindchenschema und den Hormonen einer Mutter: Warum funktioniert das hier nicht?
Die Mutter baut schon während der Schwangerschaft keine Beziehung zu ihrem Kind auf. Sie freut sich nicht, besorgt keine Wiege, trifft keine Geburtsvorbereitungen, sie verleugnet ihre Schwangerschaft. Wer sein Kind innerlich so ablehnt, bei dem greift das natürliche Verhalten nicht.
Interview: A. K. Koophamel
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