AZ-Serie Zukunft München: Mehr Sicherheit am Gleis
München - In Bangkok, rund elf Flugstunden und mehr als 8.800 Kilometer entfernt, stellen sich die Wartenden brav hinter gelbe Pfeile, die auf den Bahnsteig gesprüht sind.
Wenn ein Zug der Green oder Blue Line einfährt, stehen sie gleich an der richtigen Stelle. Steht der Zug, öffnet sich eine Glaswand, die Fahrgäste können aus- und einsteigen. Erst, wenn sich die Glastüren an der Bahnsteigkante wieder geschlossen haben, fährt der Zug weiter.
Ist ein Bangkok-Bewohner unaufmerksam, starrt er beispielsweise im Gehen auf sein Handy, prallt er schlimmstenfalls gegen die Wand. Ins Gleis stürzen kann er nicht.
Sicherheitstüren retten Leben
Das Gleiche gilt für Fahrgäste, die plötzlich einen Schwächeanfall erleiden, betrunken umhertorkeln oder auch absichtlich ihr Leben beenden wollen – die Sicherheitstüren verhindern, dass in den Bahnhöfen Menschen von einer U-Bahn erfasst werden.
Die Bewohner von Bangkok haben sich längst an diese Sicherheitstechnik gewöhnt – wie die Menschen in rund 50 anderen Städten auf der Welt. Auch in Moskau, Paris, London, Turin, Mailand, Rom oder Barcelona wurden die Bahnsteige – teilweise schon in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts – nachgerüstet.
In München gibt es die Sicherheitsnische
In München werden die Sicherungssysteme zwar auch schon so lange diskutiert – realisiert wurden sie bislang jedoch nicht. Ausnahme: im S-Bahnhof am Flughafen. Bislang vertrat die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) immer die Linie: "Die U-Bahn ist auch heute sicher", so MVG-Sprecher Matthias Korte. Es gebe zahlreiche Sicherungsvorkehrungen – vom Nothalt am Bahnsteig bis zur Sicherheitsnische unter der Bahnsteigkante, unter die sich jeder flüchten könne, der hinunterfällt.
Unbestritten ist aber, dass in München jedes Jahr Menschen schwer verletzt oder sogar getötet werden. 2018 gab es in der offiziellen Statistik laut Korte vier Fälle mit "Zugkontakt", im Vorjahr acht. Vier Menschen starben an der Folge ihrer Verletzungen in diesen beiden Jahren.
Die MVG hat eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben
Tatsächlich kamen deutlich mehr Menschen ums Leben. Nicht erwähnt wird üblicherweise – aus Angst vor Nachahmungen – die Zahl der Suizide. Nach inoffizieller Auskunft von Rettungskräften sterben jedes Jahr circa 20 Menschen, weil sie von U- oder S-Bahnen überrollt werden.
Die MVG testete zwischenzeitlich eine Gleisbettüberwachung. Doch sie gilt als fehleranfällig. Auch alarmiert sie erst, wenn der Mensch bereits gestürzt ist, kritisiert die Aktion Münchner Fahrgäste.
Gut möglich, dass die Bahnsteigtüren mit einiger Verzögerung doch noch auch in München kommen: Vor einem Jahr gab die MVG eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. Mit ersten Ergebnissen, die zunächst intern besprochen und später dem Stadtrat vorgestellt werden, ist voraussichtlich im Februar zu rechnen.
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Zukunft Stadt - eine Serie der Abendzeitung
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