Auto-Spende: Familie aus Neubiberg macht alleinerziehende Mutter glücklich
München - Erleichtert sieht Julia G. aus, als sie am vergangenen Samstag hinter dem Steuer ihres neuen Wagens sitzt, ein schwarzer Volvo V70, komplett aufgefrischt und frisch poliert.
Erleichtert deshalb, weil die 37-Jährige dringend auf ein Auto angewiesen ist. Die Duisburgerin muss für ihren Weg zur Arbeit täglich rund 50 Kilometer bewältigen. Mit der Zeit ist sie in einen Teufelskreis geraten: Denn ihr bisheriges Auto, eine A-Klasse, hatte zuletzt immer wieder Probleme gemacht. Nachdem viel Geld für die Reparatur draufging, war der Mercedes doch nicht mehr zu retten. Die 37-Jährige stand ohne Auto da.

Julia G. musste für den Weg zur Arbeit deshalb vor rund zwei Monaten auf die Öffentlichen umsteigen: Was mit dem Auto etwa eine halbe Stunde gedauert hat, dauerte nun rund drei Stunden. Sie bekam zeitliche Probleme – auch, weil sie vor der Arbeit noch eine ihrer Töchter in den Kindergarten bringen musste. Die einzige Lösung: Stunden reduzieren. Doch dadurch sank logischerweise auch das Einkommen, weswegen an anderer Stelle gespart werden musste.
Verein vermittelt gespendete Autos: So funktioniert das Konzept
Um Menschen, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind, kümmert sich der Verein "Car4Twenty". Die Verantwortlichen haben es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen wie Julia G. einen fahrbaren Untersatz zu verschaffen – und das quasi für (fast) umsonst. Für den Verein gehe es bei den Notlagen der Betroffenen nicht in erster Linie um die Vergangenheit. Vielmehr möchten die Verantwortlichen Menschen helfen, die sich aus einer Notlage wieder zurück ins Leben kämpfen möchten.
Zusammengefasst funktioniert das Konzept so: Der Verein bekommt Autos, vorwiegend von Privatpersonen, gespendet, die Fahrzeuge werden dann in Zusammenarbeit mit örtlichen Werkstätten wieder auf Vordermann gebracht und anschließend an einen neuen, passenden Besitzer bzw. Besitzerin vergeben.
Dafür ist der Verein mit Sitz im nordrhein-westfälischen Baesweiler aber auf Autospenden angewiesen. "Es gibt noch viel zu viele Menschen, die noch nicht wissen, dass es uns gibt oder die noch nie daran gedacht haben, ihr altes, noch funktionierendes Auto zu spenden und das mit der Spende verbundene Glücksgefühl viel länger anhält, als die paar Hunderter, die man vielleicht noch über ebay-Kleinanzeigen oder über das Autohaus angeboten bekommt", erklärt Vorstandschef Hajo Rottmann im Gespräch mit der AZ. Über 70 Autos hat der Verein inzwischen schon bekommen und weiterverteilt. Der treibende Gedanke: "Menschen wollen anderen Menschen Gutes tun."
Die "Schrottplatzprinzessin" kümmert sich um die Reparatur
Für eine Autospende braucht es aber auch immer einen Spender – im Fall des schwarzen Volvo war das eine Familie aus Neubiberg, die ihren laut eigener Aussage "unverwüstlichen Kombi" abgab, wie sie im Gespräch mit der AZ erklärte.
An dem Auto, von der Familie liebevoll "Elch" genannt, musste jedoch noch einiges gemacht werden, damit er überhaupt durch den TÜV kommt. Hierfür wurde die Firma Schindelar gewonnen, die ihre Werkstatt im Münchner Osten hat. Frau Schindelar, die sich auf Instagram "Schrottplatzprinzessin" nennt, war offen für das Projekt. Die Firma holte das Auto in Neubiberg ab und führte kostenlos alle notwendigen Reparaturen durch. Unter anderem wurden die Bremsen, Reifen, Zahnriemen neu gemacht, auch neue Spurstangenköpfe und Axialgelenke wurden eingebaut.

Daneben spendete die Werkstatt auch noch den Betrag für den TÜV sowie einen Satz Sommerreifen. Arbeitszeit und Hauptuntersuchung hätten normalerweise rund 1.500 Euro gekostet. Die Ersatzteile, die für die Reparatur benötigt wurden (etwa 700 Euro), wurden von "Car4Twenty" gekauft und nach München geschickt.
So funktioniert die Finanzierung
Komplett gratis bekommen die neuen Autobesitzer den Wagen allerdings nicht. "Car4Twenty" bietet zwei Finanzierungsmöglichkeiten an. Entweder über ein Leihmodell oder über die sogenannte Mikrofinanzierung.
Beim Leihmodell muss man Mitglied im Verein werden, dafür zahlt man einen Beitrag von 20 Euro im Monat (daher auch der Name "Car4Twenty", also "Auto für Zwanzig"). Den komplett reparierten und aufgehübschten Wagen bekommt man dann für sechs Monate zur Verfügung gestellt. Danach kann die unterstützte Person das Auto entweder wieder an den Verein zurückgeben oder es in kleinen Raten abbezahlen. Versicherung und Kfz-Steuer werden vom Verein übernommen – "die meisten Familien beteiligen sich aber aus Dankbarkeit gern freiwillig an den monatlichen Fixkosten. In der Regel liegen diese zwischen 50 und 75 Euro, teilt Rottmann mit.

Bei der Mikrofinanzierung werden die sechs Monate übersprungen, als neuer Autobesitzer beginnt man dann direkt mit der Ratenzahlung. "Autos kosten bei uns selten mehr als 2.000 Euro und könnte zum Beispiel in 20 Raten à 100 Euro oder in 40 Raten à 50 Euro abbezahlt werden. Zinsen berechnen wir nicht, allerdings kalkulieren wir jedes Projekt sehr individuell und mit seinen jeweiligen Logistik- und Reparaturkosten", erklärt der Vorstandsvorsitzende.
Beim Händler hätte der Volvo wohl bis zu 2.800 Euro gekostet
Dem Verein zufolge würde man für den 19 Jahre alten Volvo V70 mit einer Laufleistung von knapp 400.000 Kilometern bei einem Händler zwischen 2.500 und 2.800 Euro zahlen. "Und dabei wäre er lange nicht so intensiv technisch überholt worden", wie die Verantwortlichen sagen. "Wir indessen wollen nur unsere Investitionskosten wieder hereinbekommen und ein kleines Surplus für das nächste Projekt. Das macht unser Angebot unschlagbar."
Jeder Spender bekommt für seine Abgabe eine Spendenquittung – im Fall der Familie aus Neubiberg waren das 1.200 Euro. Was der Verein durch die Spende einspart, wird in Reparaturen und die optischen Überholung des Fahrzeugs gesteckt. Durch den Abverkauf über eine Mikrofinanzierung bekommt der Verein die Investitionskosten wieder rein, zudem gibt es idealerweise ein Starkapital für das nächste Projekt.
Bei der Übergabe am vergangenen Samstag bei der Firma Schindelar war als Spender Dominick K. dabei, der sich freut, dass der "Elch" ein neues Leben und einen neuen Einsatzbereich bekommt.

Er erklärte der glücklichen neuen Besitzerin noch die wichtigsten Funktionen des Autos, ehe Julia G. dann sichtlich gerührt vom Hof der Werkstatt fahren konnte.
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