Trauerspiel in München: Ausverkauf bei Sport Scheck – Entsetzen bei den Mitarbeitern und Kunden

In rund zwei Monaten schließt Sport Scheck sein Stammhaus in der Fußgängerzone in München. Mitarbeiter und Kunden sind wehmütig. Nach dem Auszug soll eine bekannte Modekette dort einziehen.
Anna-Maria Salmen |
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Es könnte so schön sein in der Fußgängerzone. Doch der Abschied eines Traditionsunternehmens wie Sport Scheck stimmt viele Münchner traurig.
Es könnte so schön sein in der Fußgängerzone. Doch der Abschied eines Traditionsunternehmens wie Sport Scheck stimmt viele Münchner traurig. © Daniel von Loeper

München - Auf einer Seite des Gangs im oberen Stockwerk hängen Wanderjacken an den Kleiderstangen. Gegenüber zeigt sich ein seltsames Bild: Eine ganze Gruppe von nackten Schaufensterpuppen steht zusammengedrängt mit ausgeräumten Regalen. Die Vitrine mit den Sonnenbrillen ist fast leer, auch von den Skibrillen ist nicht mehr viel übrig geblieben. Überall hängen Schilder: "Die Zeit läuft", "Alles muss raus". Fast alle Waren sind um zehn oder sogar 20 Prozent reduziert.

Sport Scheck in München muss schließen: Den Mitarbeitern wurde bereits gekündigt

Seit rund einer Woche läuft der Ausverkauf bei Sport Scheck in der Fußgängerzone. In rund zwei Monaten muss alles weg sein: Am 15. Juni schließt das Traditionsgeschäft sein Stammhaus in München. Es ist eine von vier Filialen in ganz Deutschland, die neben einem Outlet in Unterhaching zumachen müssen. Denn das Unternehmen ist insolvent. Dabei bestand vor Kurzem noch Hoffnung: Mitte März wurde bekannt, dass Cisalfa, der größte Sportartikelhändler in Italien, Sport Scheck übernimmt. Aus dem Joseph-Pschorr-Haus in der Neuhauser Straße muss das Geschäft allerdings ohnehin ausziehen. Der Mietvertrag ist gekündigt, weil der Vermieter und der insolvente Mieter sich nicht über die Miethöhe einigen konnten.

"Alles muss raus": Der Räumungsverkauf läuft.
"Alles muss raus": Der Räumungsverkauf läuft. © Daniel von Loeper

Wie es heißt, sucht Sport Scheck weiterhin nach einem neuen Standort in der Münchner Innenstadt. Bislang hat sich allerdings noch keine Lösung gefunden. Selbst wenn es so weit ist – die bisherigen Mitarbeiter werden dann wohl nicht mehr dabei sein. "Uns haben sie allen gekündigt", sagt ein Mitarbeiter, der an diesem Vormittag mit zwei Kollegen in der Neuhauser Straße Waren umräumt. Dass es einen neuen Laden in München geben könnte, hat er ebenfalls gehört. "Aber die wollen dann billigeres Personal." Seit 78 Jahren gebe es das Unternehmen bereits, sagt der Mitarbeiter. Er wirkt frustriert, dass nun Schluss sein soll im Stammhaus.

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Ähnlich geht es einem jungen Verkäufer an der Kasse. Er arbeitet zwar nur als Aushilfe im Laden, sagt er, "aber ich habe selbst immer gerne hier eingekauft". Wie es mit dem Haus in der Fußgängerzone weitergehen soll, weiß er nicht. "Ich bin gespannt, was hier reinkommt. Die Fläche ist ja riesig." Wie die AZ im Februar berichtete, steht der Nachfolger bereits fest: Die Modekette C&A wird das Pschorr-Haus nach dem Auszug von Sport Scheck beziehen.

Ausverkauf in der Neuhauser Straße: Die Sport-Scheck-Kunden finden es "schrecklich"

Nicht nur im Gespräch mit den Mitarbeitern ist die Wehmut in den Tagen des Ausverkaufs spürbar, auch einige Münchner scheinen mit dem Abschiedsschmerz zu kämpfen. Außen ist fast die gesamte Fensterfront mit bunten Schildern bedeckt. Sie kündigen die nahende Schließung an. Eine ältere Frau blickt irritiert auf dieses Bild und entschließt sich dazu, den Laden zu betreten – wohl ein letztes Mal. Zwei Passantinnen kommen vorbei, eine von ihnen deutet auf die Schilder. "Sport Scheck schließt", sagt sie. "Wahnsinn", entgegnet ihre Begleiterin mit einem Kopfschütteln.

Mancher mag das gar nicht glauben: Viele bleiben irritiert vor den bunten Schildern an der Fensterfront stehen.
Mancher mag das gar nicht glauben: Viele bleiben irritiert vor den bunten Schildern an der Fensterfront stehen. © Daniel von Loeper

"Ich finde es schrecklich, dass der Laden zumacht", sagt auch Inga Birk. "Es ist der Sport Scheck, den kennt man doch seit Jahrzehnten." Die 63-Jährige hat an diesem Vormittag Wanderschuhe gekauft und den Rabatt genutzt. "Ein bisschen muss man ja auch davon profitieren." Verhindern könne man die Schließung ohnehin nicht, so schlimm sie auch sei.

Ein letztes Andenken an Sport Scheck: Inga Birk hat Wanderschuhe gekauft. Die Schließung findet sie "schrecklich".
Ein letztes Andenken an Sport Scheck: Inga Birk hat Wanderschuhe gekauft. Die Schließung findet sie "schrecklich". © Daniel vpn Loeper

Dabei ist der Weggang von Sport Scheck für Birk aktuell nicht das einzige Problem in der Innenstadt: "Die ganze Fußgängerzone ist momentan trist." Viele Traditionshäuser, die lange zum Stadtbild dazugehörten, seien nun plötzlich weg. "Man kauft heutzutage natürlich schon anders ein", sagt Birk. Vieles könne man im Internet bestellen. Aber gerade bei ihren Wanderschuhen sei der Kauf vor Ort unerlässlich – man könne die verschiedenen Modelle direkt begutachten und anprobieren, ohne sich Gedanken um eine Rücksendung machen zu müssen.

Immer mehr Ladenschließungen in München: "Es ist traurig, dass die Innenstadt so leer wird"

Das schätzte auch Ursula Fetzer am Sport Scheck. Die Münchnerin erinnert sich noch an die, ihren Worten zufolge, sehr gute Beratung, die sie einmal in dem Geschäft bekam, als ihr Sohn eine Schwimmbrille brauchte. Fetzer arbeitet selbst im Einzelhandel am Stachus, wie sie sagt. "Es ist traurig, dass die Innenstadt so leer wird. Man muss sich momentan schon überlegen, wo man überhaupt noch einkaufen kann." Sie blickt auf die gegenüber liegende Baustelle der Alten Akademie, deren Zukunft nach der Pleite des Investors René Benko ebenfalls ungewiss ist, und schüttelt den Kopf: "Ein Trauerspiel."

Annette Hirsch ist mit ihrer Familie aus Landshut gekommen. Ihr Sohn studiert in München, daher kauft sie öfter bei Sport Scheck ein.
Annette Hirsch ist mit ihrer Familie aus Landshut gekommen. Ihr Sohn studiert in München, daher kauft sie öfter bei Sport Scheck ein. © Daniel von Loeper

Auch Annette Hirsch kennt die Probleme, mit denen Traditionshäuser zu kämpfen haben. Die 55-Jährige kommt aus Landshut, dort gibt es ihrer Aussage nach aktuell ähnliche Schwierigkeiten. An diesem Tag ist die 55-Jährige mit ihrer Familie in die Fußgängerzone gekommen. Ihr Sohn studiert in München, daher war sie trotz der Entfernung öfter bei Sport Scheck. "Wir sind schon traurig." Zum Abschied hat Hirsch eine Fitnessbrille gekauft.

Wenn Irmhild Hensle nach München kommt, schaut sie oft zu Sport Scheck. Von früher hat sie sogar noch eine Kundenkarte.
Wenn Irmhild Hensle nach München kommt, schaut sie oft zu Sport Scheck. Von früher hat sie sogar noch eine Kundenkarte. © Daniel von Loeper

Irmhild Hensle wohnt ebenfalls nicht in München. Und doch stimmt der Ausverkauf sie wehmütig. Schon lange kauft die 76-Jährige bei Sport Scheck ein, sie hat von früher noch eine Kundenkarte, wie sie sagt. "Wenn wir nach München fahren, schauen wir immer rein." Gerade hat sie zwei Oberteile gekauft. Eigentlich wollte sie mit ihrem Ehemann Gymnastikkleidung kaufen, aber da sei sie nicht fündig geworden. "Hosen gibt es fast nur noch in Übergröße, auch die Schuhe waren nicht mehr in seiner Größe da." Und die Regale leeren sich immer weiter, bis Sport Scheck in zwei Monaten endgültig seine Türen schließt.

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  • muc_original_nicht_Plagiat! am 06.04.2024 19:17 Uhr / Bewertung:

    "Immer mehr Ladenschließungen in München: "Es ist traurig, dass die Innenstadt so leer wird""

    Anti-Auto-Ideologen und Ideologinnen verhindern mit ihrem radikalen, spaltenden Kampf gegen Auto-Mobilität, dass Menschen den Weg in die Innenstadt wählen, um mal größer einzukaufen.
    Eine bestimmte Klientel ist damit für die Innenstadt verloren.
    Zudem: wer hat Lust, sich als Fremder in der eigenen Stadt zu fühlen?
    Aufpassen zu müssen, keinen vermeintlich schief anzusehen, unabsichtlich anzurempeln ... nein, das hat mit Euinkaufsvergnügen nichts zu tun.

    Ja, das gefällt sicher vielen der Üblichen Verdächtigen hier nicht, aber es muss Schluss sein damit, dass bestimmte relevante Aspekte nicht genannt werden dürfen!
    Dazu kommt:
    Sport Scheck hat erfahrene, geschulte, freundlich-kompetente Mitarbeiter in den Ruhestand geschickt, oder anderweitig entlassen, und damit das eigene Image aufs Spiel gesetzt.
    Ehemals Fachgeschäft mit Fachberatung, ist daraus ein überteuerter Touriladen geworden.

  • Der Münchner am 05.04.2024 10:58 Uhr / Bewertung:

    Decatlon ist billiger!
    An Schuster gibt es noch, was macht der besser?

  • huraxdax am 05.04.2024 12:11 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der Münchner

    Schuster verkauft einfach spezielle Sportausrüstungen, nicht nur überteuerte Sportmode.

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