Aus dem Altenheim ausgebüxt - Münchner rettet demente Rentnerin
München - Er war nur auf einen Kaffee mit einem Kumpel verabredet. Einen ruhigen Nachmittag wollten sie gemeinsam verbringen. Daraus wurde nichts. Stattdessen brachte die Geschichte von Ruth B. die beiden jungen Männer zum Nachdenken.
Ibrahim Demirel stieg am Innsbrucker Ring in die U2 ein. Er wollte zur Messestadt Ost, als er die ältere Dame bemerkte. "Sie ist mir aufgefallen, da sie einen ziemlich verwirrten Eindruck gemacht hat", sagt er. Sie habe wahllos andere Fahrgäste angesprochen und mit sich selbst gesprochen.
Nach und nach stiegen die anderen Fahrgäste aus. Die Dame blieb. Demirel auch, er ging zu ihr.
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Die alte Dame ist verwirrt – ihr Mann warte auf sie, sagt sie
Sie wolle in die Friedenheimer Straße, erzählte ihm die ältere Frau. Er habe ihr erklärt, dass sie in die völlig falsche Richtung gefahren sei. "Dann war sie noch verwirrter." Also stieg Demirel mit ihr aus. "Ich konnte sie ja nicht alleine lassen." Gleich habe er gemerkt, dass sie dement sei. "Sie erzählte mir, dass ihr Mann daheim auf sie warte."
Demirel verständigt die Polizei, die nicht lange brauchte, um herauszufinden, dass die ältere Dame tatsächlich dement ist und vermisst wurde – vom Altenheim.
Er setzt sich mit der Seniorin auf eine Parkbank. Sie sei 88 Jahre alt und würde Ruth B. heißen, erzählte die Frau Demirel. Früher habe sie als Deutschlehrerin am Gymnasium gearbeitet. Daran habe sie sich nach einigen Minuten erinnern können. Demirel holte etwas zum Essen für die beiden. "Dann saßen wir da und haben Pommes gegessen."
Die Seniorin hatte ein Glas, eingewickelt in Küchenpapier, bei sich. Warum – das konnte er sich nicht erklären. Sie ihm auch nicht. Eine halbe Stunde saßen sie da auf der Bank und warteten auf die Polizei. Die sagte, nach einem nahegelegenen Einsatz würden sie die Dame abholen.
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Seniorin war erst seit zwei Tagen im Altenheim
Demirel reagierte: Mit seinem Bekannten, der mit dem Auto unterwegs war, fuhr er Ruth B. kurzerhand selbst zurück ins Altenheim. "Ich erzählte ihr, wir gehen eine Runde im Englischen Garten spazieren." Während sie recht vergnügt zurück ins Altenheim ging, war ihr Pfleger weniger angetan. Erst seit zwei Tagen lebe sie überhaupt dort.
Demirel glaubt, die Einsamkeit habe sie nach draußen getrieben. Sein Anliegen war es, der Tochter Bescheid zu geben. Sie solle erfahren, wie einsam ihre Mutter sei. "Menschen sollten allgemein mit offenen Augen durch die Gegend laufen", appelliert Demirel, der als Selbstständiger im Handwerk arbeitet. Denn: "Uns alle kann das erwarten – und wir würden uns auch wünschen, dass jemand für uns da ist."
Zu ihrem Geburtstag ein paar Wochen später wollte Demirel sie besuchen. Doch Ruth B. war nicht mehr dort. Abgeholt von der Tochter, vermutet er. Hofft er. Das Altenheim gab keine Auskunft.
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