Aufstand der Wirte in München: Sofort weg mit der Sperrstunde!

München - Antonio Jorke ist ein freundlicher Mann. Der 32-Jährige betreibt das "Prosecco", schwul und hetero, Schlager, gute Laune auch spät in der Nacht, so war das hier an der Theklastraße im Gärtnerplatzviertel zumindest vor Corona. Denn aktuell ist das Leben im "Prosecco" noch arg eingeschränkt.
Das Prosecco muss um 1 Uhr schließen – wie alle Lokale
Um ein Uhr ist hier - wie überall in der Stadt - Schluss. Weil Antonio Jorke ein freundlicher Mann ist, drückt er es freundlich aus. Und doch ist es sehr eindringlich, wenn er sagt: "Wir brauchen das jetzt: Bitte hebt die Sperrstunde auf!"
"Dann machen die jungen Münchner eben Party in Österreich"
Jorke ist nicht alleine. Unter denen, die in der Stadt vom nächtlichen Leben leben, wächst der Unmut - und unter denen, die gerne lange ausgehen, auch. Denn wenn alle loben, dass sich die Hygienekonzepte in der Gastronomie bewährt hätten - warum soll dann eigentlich um Schlag ein Uhr Schluss sein, so wie einst, als es in der Stadt die generelle Sperrstunde noch gab (und selbst damals wussten Freunde der Nacht ja immer noch, wo es trotzdem eine geöffnete Nacht-Kneipe mit Sonder-Lizenz gab)?
Martin Hagen (FDP): "Corona ist doch nach ein Uhr nicht gefährlicher als vor ein Uhr"
In der Landespolitik ist das Thema angekommen. FDP-Fraktionschef Martin Hagen sagte der AZ: "Corona ist doch nach ein Uhr nicht gefährlicher als vor ein Uhr." Die Sperrstunde sei unnötig, sagt Hagen. Und: "Sie zerstört das Münchner Nachtleben."

So sieht man es auch beim Verband der Wirte, dem Dehoga. "Die Sperrstunde muss ganz klar weg", sagte Landesgeschäftsführer Thomas Geppert am Montag der AZ. "Der Grund ist einfach: Für die Menschen wäre es ohne Sperrstunde sicherer als mit." In der Pandemie gehe es doch darum, geschützte Kontakte herzustellen "mit einem entsprechenden Schutz- und Hygienekonzept".
"Bei uns in der Bar Zum Wolf gilt: geimpft, genesen oder getestet"
Das bieten die Münchner Wirte - sind zumindest die Münchner Wirte überzeugt. "Bei uns in der Bar Zum Wolf gilt: geimpft, genesen oder getestet", sagt Wirt Wolfgang Götz. "Wir haben beim Coronaschutz nicht gekleckert, sondern geklotzt." Die Sperrstunde sei "Schwachsinn", sagt er. "Ich kann mir nicht erklären, warum das Virus nach ein Uhr anders sein soll." Die Straße sei doch "gefährlicher als die Bars".

Das Argument hört immer wieder, wer sich in diesen Tagen zum Thema umhört. Dass die Sperrstunde nicht nur nichts bringe, sondern sogar kontraproduktiv sei. "Das verschiebt doch Probleme nur", sagt FDP-Politiker Hagen. "Die jungen Leute fahren dann nach Österreich zum Feiern - oder die Party geht in München auf der Straße weiter."
Was sagt der Dehoga zur Sperrstunde?
Thomas Geppert vom Dehoga sagt: "Es gibt für die Wirte kein Problem, die Sicherheit zu gewährleisten." Es habe beim Dehoga "überhaupt keine Beschwerden" gegeben. "Dass in der Gastronomie zu später Stunde unkontrolliert getrunken wird, stimmt nicht." Genau das, sagt auch Geppert, passiere doch im öffentlichen Raum.

Am heutigen Dienstag trifft das Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wieder zusammen. Es soll auch um die Gastronomie gehen. Ob die bayerische Sperrstunde fällt? Die Wirte glauben nicht so recht dran. Aber die Freunde der Münchner Kneipennächte werden genau hinschauen, was denn da nun wieder verkündet wird. Und ob der freundliche Antonio Jorke vielleicht doch bald wieder auch spät in der Nacht Schlager im Gärtnerplatzviertel spielen lassen darf.