Aufregung um DGB-Chef nach Rede in Dachau

In der KZ-Gedenkstätte Dachau spricht er zum Thema Integration von einer „Selektionsdebatte“ – bei der Israelitischen Kultusgemeinde herrscht Verärgerung und Fassungslosigkeit
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Matthias Jena: Chef des DGB in Bayern.
dpa Matthias Jena: Chef des DGB in Bayern.

DACHAU/MÜNCHEN - In der KZ-Gedenkstätte Dachau spricht er zum Thema Integration von einer „Selektionsdebatte“ – bei der Israelitischen Kultusgemeinde herrscht Verärgerung und Fassungslosigkeit

Mit seiner ersten Rede in der KZ-Gedenkstätte Dachau hat der bayerische DGB-Vorsitzende Matthias Jena (49) am Sonntag für Aufregung gesorgt. Jena sagte nach einer Mitteilung des DGB: „Manches, was derzeit unter dem Deckmantel einer Integrationsdebatte daherkommt, ist in Wirklichkeit eine Selektionsdebatte. Die Initiatoren dieser Debatte entscheiden über Nützlichkeit oder eben Nicht-Nützlichkeit von Arbeitskräften und ganzen Bevölkerungsgruppen. So werden unter dem Banner der Meinungsfreiheit ethnische Ressentiments wieder gesellschaftsfähig gemacht.“

Jena wusste, dass „Selektion“ in einem Nazi-KZ organisierter Massenmord bedeutet hat. Er zitiert aus einem Buch des Auschwitz-Überlebenden Otto Schwerdt: „Ein SS-Arzt geht musternd an uns vorbei. Dann dreht er sich um, stellt sich vor uns hin. Jetzt müssen wir langsam an ihm vorbeigehen. Bei jedem Einzelnen zeigt er mit dem Finger nach rechts oder nach links. Das ist die erste Selektion. Plötzlich ist mir klar. Links bedeutet Tod, rechts Leben. Rechts Arbeitslager, links Gas.“

Die Rede hatte Jena bei einer Gedenkveranstaltung der DGB-Jugend gehalten. Er wusste um die Brisanz des Ortes: Man müsse „Vergangenes und Gegenwärtiges in Verbindung“ bringen. Der Versuch, dies ausgerechnet im KZ Dachau zu tun, sorgt für Aufregung: „Ich ärgere mich über die Gedankenlosigkeit“, sagt Marian Offman, Mitglied im Präsidium der Israelitischen Kultusgemeinde München. Für ihn ist diese Formulierung „unfassbar“. Offman sagte zur AZ: „Wenn an einem solchen Ort und in diesem Zusammenhang das Wort ,Selektion“ in Bezug auf Menschen verwendet wird, könnte es für die Opfer verletzend sein. Die, die selektiert wurden, leben nicht mehr.“ Das sei „gerade an diesem Ort ein unsensibler Umgang mit der Sprache, mit dem Thema und mit der Vergangenheit“.

Matthias Jena erklärte: „Da machen Sie einen Bogen, der sehr gewagt ist.“

Willi Bock

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