Arzt und Migrant: Der Letzte macht das Licht aus
Stefan Girbaci hat sein Examen in Rumänien gemacht – heute arbeitet er als einer von 5000 ausländischen Ärzten in Bayern. Das schließt Lücken. Und öffnet neue.
In Deutschland lerne ich viel mehr als in Rumänien, weil hier alles besser organisiert ist. Deshalb bin ich gekommen“, sagt Stefan Girbaci (28). Direkt nach seinem Examen ist der Arzt aus Temeswar in Rumänien nach Mühldorf am Inn gezogen. Dort macht er seit 2012 seine Facharztausbildung zum Internisten.
„Mein Vater ist selbst Arzt, an Geld fehlt es uns nicht. Aber nach dem Studium wollte ich endlich finanziell unabhängig sein.“ Als Assistenzarzt würde er in Rumänien etwa 250 Euro im Monat verdienen, jetzt kriegt er fast das Zehnfache. Der Rumäne ist einer von über 5000 ausländischen Ärzten allein in Bayern, in ganz Deutschland sind es 32548, doppelt so viele wie noch im Jahre 2005. „Deutschland braucht uns, weil viele Menschen hier bald zu alt zum Arbeiten sind“, sagt Girbaci. „Wer versorgt sonst die deutschen Patienten? Etwa die Politiker, die Stimmung gegen Einwanderer machen?“
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Tatsächlich werden allein in Bayern bis zum Jahre 2030 30000 Fachkräfte im Gesundheitsbereich fehlen. Schon jetzt sind 750 Arztstellen in den Krankenhäusern nicht besetzt, 2012 mussten 122 Hausarztpraxen schließen, weil es keine Nachfolger gab.
Noch ist die Versorgung in Bayern verhältnismäßig gut. Deshalb hat Girbaci keine Stelle in München, sondern nur im Umland gefunden. In Ostdeutschland hätte er sich seinen Posten aussuchen können. Dort kommen auf jedes Krankenhaus 5,6 nicht besetzte Arztstellen; in Bayern sind es nur 2,5.
Girbaci hat schon während des Studiums zwei Mal in deutschen Krankenhäusern gearbeitet, langfristig kam für ihn aber nur Bayern in Frage. Um so nah wie möglich bei seiner Familie zu sein. Mit dem Auto braucht er jetzt weniger als zehn Stunden nach Hause, von München gibt es einen Direktflug.
Er hat sich eingelebt, nur die Sprache machte ihm anfangs zu schaffen: „Deutsch ist nicht so schwer, das habe ich drei Jahre lang gelernt. Aber Bayerisch konnte ich einfach nicht verstehen.“ Mittlerweile grüßt Girbaci Bekannte mit „Servus“. Das Problem des Ärztemangels verschiebt sich derweil nur geographisch. In Girbacis Heimat warnt der Vorsitzende des rumänischen Ärztebundes Vasile Astarastoae vor dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Dort fehlen 50000 Ärzte. Ein rumänischer Arzt muss deshalb im Schnitt mehr Patienten betreuen als ein Arzt irgendwo sonst in Europa. „Und ohne Schmiergeld wird man kaum noch behandelt“, schildert Girbaci seine Erfahrungen.
Die Situation in den angrenzenden Ländern ist ähnlich. In Bulgarien sind Ärzte und gut ausgebildetes medizinisches Personal mittlerweile die größte Gruppe an Auswanderern, acht von zehn Ärzten suchen aktiv nach Jobs in Deutschland, Österreich und Großbritannien. In Polen leiden 30 Prozent aller Praxen unter gravierendem Personalmangel. 2013 starb dort ein kleines Mädchen, weil der Notarzt überlastet war und erst vor zwei Wochen erlangte ein polnischer Arzt Berühmtheit, nachdem er 175 Stunden durchgehend gearbeitet hatte.
So entstehen neue Migrationsströme. Ärzte aus Russland, Weißrussland, der Ukraine und Indien zieht es jetzt nach Osteuropa, um die Stellen zu füllen. Weil für sie 250 Euro im Monat verlockend klingen. Die Probleme werden exportiert. Doch wer kümmert sich um die Kranken in deren Heimat?
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