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Arbeitsmarkt: Flüchtlinge, ihre Arbeitgeber und Helfer über Probleme und Chancen
Bürokratische Hürden bei der Einstellung, Abschiebungen trotz Arbeitsplatz: Der Staat macht es Migranten und Unternehmen nicht leicht. Hier sprechen sie.
von Jasmin Menrad, Julia Reidl
Eigentlich ist Ahmed Ajlouni nicht zum Lachen zu Mute. Doch weil er viele Freunde hat, die ihn unterstützen, lacht er fürs Foto. In der AZ berichten Flüchtlinge über ihren Alltag bei der Arbeit.
München - Bauprojekte stagnieren, Krankenhäuser können nur die Grundversorgung übernehmen, Kitas finden keine Erzieher: Laut dem IHK-Fachkräftereport fehlen in Bayern 226 000 Fachkräfte, davon 165 000 beruflich Qualifizierte. In Wirtschaftskreisen ist man sich einig, dass dieser Mangel nicht durch inländische Arbeitskräfte behoben werden kann.
Auch die sogenannte 3 + 2-Regelung reicht da nicht aus. Diese schützt integrationswillige Jugendliche in der Berufsausbildung und zwei weiteren Berufsjahren vor der Abschiebung. Doch in berufsvorbereitenden Klassen sind vor allem Schüler, die schlechtere Aussichten auf eine Arbeitserlaubnis und den damit verbundenen Schutz durch die 3+2-Regel haben.
Der Staat fördert zwei Jahre lang Potenziale, die die Unternehmen hinterher nicht nutzen können. Zumal es für Unternehmen aufwendig ist, Flüchtlinge einzustellen, da das mit einem hohen bürokratischen Aufwand und oft dem Risiko einer Abschiebung verbunden ist. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wird ein Einwanderungsgesetz ausgearbeitet, um Fachkräfte anzuwerben. Hier erzählen Unternehmer, Geflüchtete und Bildungseinrichtungen, was die derzeitigen Regelungen für sie bedeuten.
Ahmed Ajlouni hat einen Job bei der Stiftung Pfennigparade
Eigentlich ist Ahmed Ajlouni nicht zum Lachen zu Mute. Doch weil er viele Freunde hat, die ihn unterstützen, lacht er fürs Foto. In der AZ berichten Flüchtlinge über ihren Alltag bei der Arbeit.
Ahmed Ajlouni (23) sollte jetzt in der Stiftung ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) machen. Er sollte sich um körperbehinderte Menschen kümmern, derjenige sein, der Zeit für kleine Aufmerksamkeiten hat. Stattdessen versteckt sich Ajlouni vor den bayerischen Behörden.
Denn Mitte Juli hatte ihm das zuständige Landratsamt Fürstenfeldbruck mitgeteilt, dass er ausreisepflichtig ist, kurz nachdem er die Arbeitserlaubnis für sein FSJ bekommen hatte. Mehrmals hat die Polizei schon bei der Gemeinschaftsunterkunft, in der er lebt, nach ihm gefragt. Jetzt versteckt er sich bei Freunden.
Die Behörden wollen den jungen Mann abschieben, obwohl sie nicht wissen, wohin. Ajlouni ist Palästinenser und demnach staatenlos. Weil er mit seiner Familie in Libyen gelebt hat, soll er dorthin abgeschoben werden, wie das Landratsamt der AZ mitteilt. Doch Ajlouni hat keinen libyschen Pass, wird auch keinen bekommen. Das Landratsamt erklärt auf AZ-Nachfrage, nach Libyen werde derzeit nicht abgeschoben.
Sein Vater und seine zwei Schwestern hingegen haben in Deutschland Asyl erhalten. Im Fall von Ahmed Ajlouni heißt es: "Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hält das Vorgetragene in beiden Anträgen für unglaubhaft, vorgeschoben und widersprüchlich." Der Anwalt von Ahmed Ajlouni, den er sich dank seiner vielen deutschen Freunde leisten kann, arbeitet nun auf eine Ausbildungsduldung hin. Bis diese Duldung abgelaufen ist, wird Ahmed nicht arbeiten können. Zu groß ist die Angst, dass die Behörden ihn aus der Arbeit abholen und irgendwohin abschieben.
Abdulghafar Mohammadi ist Bauingenieur
Abdulghafar Mohammadi ist Bauingenieur. In der AZ kommen Flüchtlinge, Helfer und Arbeitgeber zu Wort.
Alle drei Monate muss Abdulghafar Mohammadi (27) seinen Aufenthaltsstatus verlängern lassen – für weitere drei Monate. 315 Minuten lang hat er seine Lebensgeschichte bei der Anhörung erzählt: Wie er in seiner Heimat Afghanistan verfolgt und gefangen genommen wurde, wie er gefoltert wurde. Doch die Behörden glauben ihm nicht. Gegen seine erste Ablehnung klagt der junge Mann seit zwei Jahren, jederzeit könnte er abgeschoben werden.
Dabei könnten deutsche Unternehmen einen wie Abdulghafar Mohammadi gebrauchen: Er ist studierter Bauingenieur, hat in Afghanistan auch in diesem Beruf gearbeitet und sich als Gasthörer an der TU München weitergebildet. Er hat mehrere Praktika in Deutschland gemacht und beginnt jetzt ein Studium. Warum er nicht arbeitet? "Wenn ich arbeite, wird mir von den Behörden vorgeworfen, dass ich aus finanziellen Gründen hierherkomme“, sagt Mohammadi. Und fügt hinzu: "Als junger, lediger Afghane hast du in Europa keine Chance." Um seine Chancen zu erhöhen, will er sechs Semester Informatik studieren. Zumal er fürchtet, dass Unternehmen sein Studium in Afghanistan nicht reicht. Bauingenieure und Informatiker werden in Bayern gesucht. Doch in diesen drei Jahren könnte Mohammadi jederzeit in seine Heimat zurückgeschickt werden. "Wenn das passiert, fliehe ich in ein anderes Land. Ich kann nicht zurück nach Afghanistan, wo die Taliban mich jagen."
Christoph Hinterseher will als Arbeitgeber helfen
Christoph Hintersehers Mitarbeiter und Freund Javad Ali Khane soll abgeschoben werden. In der AZ kommen Flüchtlingshelfer und Arbeitgeber zu Wort.
Als Christoph Hinterseher im Fernsehen die ersten Bilder der Flüchtlingskrise sieht, ist er erschüttert. Der Veterinärmediziner und Privatunternehmer beschließt, selbst Initiative zu ergreifen und besucht ein Erstaufnahmezentrum für Flüchtlinge. Er möchte kein passiver Beobachter der Flüchtlingskrise mehr sein, sondern selbst einen positiven Beitrag zur Integration leisten. Hinterseher nimmt den afghanischen Flüchtling Javad Ali Khane sowohl als Mitarbeiter in seinem Institut für Fort- und Weiterbildung als auch privat auf. Er finanziert dem Flüchtling ein selbstständiges Leben in Deutschland ohne den Bezug von staatlichen Geldern. Seit drei Jahren arbeitet Javad Ali Khane mittlerweile als Technischer Assistent, Facility Manager, Fahrer und Chauffeur in dem kleinen Unternehmen im Stadtzentrum Münchens. Im Dezember 2017 erhält er Abschiebungsdokumente nach Kabul.
Christoph Hinterseher findet für die Abschiebung des bereits integrierten Flüchtlings keine nachvollziehbaren Gründe: "Er nimmt keinem Deutschen die Wohnung oder den Arbeitsplatz weg. Die Stelle in meinem Unternehmen hätte ich sonst nie ausgeschrieben", sagt er. Sie erheben sofort Klage gegen den Abschiebungsbescheid beim Verwaltungsgericht München. Bisher steht weder ein Ergebnis fest, noch haben Christoph Hinterseher und Javad Ali Khane eine Zwischenmeldung erhalten. Der Veterinärmediziner rechnet mit dem Schlimmsten: "Ein Negativentscheid wäre das Ende seines Asylantrags", sagt er mit großem Bedauern. "Für die Zukunft wünsche ich mir, das Einzelfallentscheidungen im Asylrecht durchgeführt werden." Das gesamte Engagement der letzten Jahre für den afghanischen Flüchtling scheint nutzlos gewesen zu sein: "Die Entscheidung wäre für mich nicht nur als Unternehmer, sondern auch emotional als Privatperson eine Katastrophe", so Hinterseher. Die Bindung zwischen dem Unternehmer und dem Flüchtling ist sehr eng, in den letzten drei Jahren hat sich zwischen den beiden eine Freundschaft entwickelt. "Das ganze Team liebt ihn", sagt Christoph Hinterseher.