Anna kennt keine Angst
MÜNCHEN - War es Mut oder Tollkühnheit? Esso-Tankstellen-Verkäuferin Anna S. (55) wurde am 6. April von einem Räuber mit der Pistole bedroht. Statt brav die Kasse zu öffnen, schrie sie den verblüfften Ladislav S. (31) an - und schlug den Dieb in die Flucht.
„Was soll das?“ Dann schob sie den Mann beiseite und flüchtete nach draußen, wo Tankstellenkunden die Polizei alarmierten. Der Tankstellenräuber versuchte derweil vergeblich die Kasse zu öffnen, musste aber ohne Beute fliehen. Er wurde schnell gefasst. Am Dienstag wurde der vorbestrafte Slowake zu fünf Jahren Haft wegen versuchter räuberischer Erpressung verurteilt. Er entschuldigte sich zuvor bei seinem Opfer.
Doch Anna S. muss nicht getröstet werden. „Von so einem lass’ ich mir doch mein Leben nicht kaputt machen“, sagte sie im AZ-Gespräch. Schon kurz nach der Tat ging die resolute Frau wieder zur Arbeit. „Man muss ja froh sein, wenn man einen Job hat.“
Der Mann war ihr aufgefallen, weil er sich eine Stunde im Bistro der Tankstelle rumdrückte, ein Sexheftchen und zwei Kaffee kaufte. Offenbar wartete er auf die richtige Gelegenheit. „Ich hab’ gedacht: ’So ein armer Kerl’.“ Weil er nichts sagte, sondern nur stotterte, habe sie ihn anfangs sogar für behindert gehalten. Doch dann, als keine anderen Kunden mehr da waren, zog der „arme Kerl“ plötzlich seine Schreckschusspistole. „Die sah so kitschig aus, dass ich sie zuerst für eine Feuerzeug gehalten habe. Ich habe noch gefragt, ob er Benzin oder Gas dafür braucht“, erzählte Anna S. im Zeugenstand.
Statt einer Antwort lud der Mann seine Waffe durch. „Da habe ich erst gemerkt, dass es eine echte sein könnte.“ Sie bekam es mit der Angst zu tun, stellte sich vor wie sie mit zerfetztem Bauch da läge. Ohne weiter zu überlegen, ergriff sie die Flucht. „Heute schau’ ich mir die Leute schon genauer an, wenn sie reinkommen.“ Aber Angst, nein, Angst hat sie in ihrem Tankstellen-Job noch immer nicht.
John Schneider
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