Angst vor Kinderlärm: Nachbar reicht Klage ein
MÜNCHEN - Leider kein Einzelfall: In Großhadern kämpft ein Anwohner gegen die Erweiterung eines Kindergartens - weil er trotz Straße und Bäumen zwischen den beiden Grundstücken eine unzumutbare Lärmbelästigung befürchtet.
„Wir machen etwas Soziales für die Stadt – und dann wird da so reingegrätscht.“ Markus Wienchol ist enttäuscht. Seit eineinhalb Jahren arbeitet er dafür, dass der kleine Kindergarten in der Waldgartenstraße in Großhadern vergrößert werden darf. Und jetzt, gerade als mit dem Bau begonnen werden kann, hat ein Nachbar Klage eingereicht. Der Mann fürchtet den „Kinderlärm“ – obwohl eine Straße und mehrere Bäume zwischen seinem Haus und dem geplanten Neubau liegen.
Das ist bei weitem kein Einzelfall. Immer mehr Münchner wollen Betreuungseinrichtungen vor ihrer Haustür nicht akzeptieren. Zwar greifen nicht alle zu juristischen Mitteln. Aber Siegfried Trautmannsberger vom städtischen Schulreferat, zuständig für den Neubau von Kitas, berichtet: „In den letzten drei bis vier Jahren sind die Beschwerden deutlich mehr geworden.“ Die Litanei sei immer dieselbe. Der Verweis auf sinkenden Wohnwert ist dabei fast Standard. „Teils sind die Argumente haarsträubend, warum ausgerechnet dieser Standort der falsche ist.“
Doch zurück zum aktuellen Fall in Großhadern: Seit 1998 ist der Waldorfkindergarten in einem baufälligen „Hexenhäuschen“ untergebracht. Die Stadt gab grünes Licht für einen größeren Neubau an selber Stelle – auch wegen der Unterversorgung im Stadtteil. Bislang werden in der Einrichtung 25 Kinder betreut. In dem neuen Haus will der Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik bis zu 44 Kindergarten- und zwölf Krippenplätze anbieten. Vor allem letztere sind schon jetzt heiß begehrt.
Das Grundstück, auf dem das neue „Haus für Kinder“ entstehen soll, gehört der Stadt – 600 Quadratmeter extra sind für den Neubau nötig. Mittlerweile ist Baurecht geschaffen, der Schulausschuss hat die Investitionskostenförderung beschlossen. Nach den Pfingstferien soll der Bau beginnen.
Der Kläger will "bis hin zur obersten Instanz" gehen
Nur der Nachbar funkt dazwischen. Bei einem Infoabend, zu dem der Verein eingeladen hatte, ließ er sich nicht blicken. Dafür reichte er gemeinsam mit seiner Ehefrau Klage gegen die Stadt ein, weil diese die Baugenehmigung erteilt hat. Zudem landeten die Kopien von zwei Briefen im Kindergarten. Darin beschwert sich der Anwohner bei OB Ude: „Ich denke, dass durch das zu erwartende Verkehrsaufkommen und die damit verbundene Lärmbelastung die Zumutbarkeitsgrenze der betroffenen Bürger weit überschritten wird.“ Der Wohn- und Freizeitwert der umliegenden Häuser werde „erheblich gemindert“. Von der Anrufung der zuständigen Gerichte „bis hin zur obersten Instanz“ ist da die Rede. Der Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik hat bereits reagiert. Er will die Eltern bitten, ein Stück weit von der Einrichtung entfernt zu parken und ihre Kinder zu Fuß zu bringen.
Was kann die Klage für Konsequenzen haben? „Wie so etwas ausgeht, kann man nie beurteilen“, sagt Siegfried Trautmannsberger vom Schulreferat. Zu gut ist ihm noch ein Fall in Erinnerung, der sich vor einigen Jahren in Trudering zutrug. Damals habe ein Nachbar gegen eine Betreuungs-Einrichtung geklagt und einen Baustopp erwirkt. Viereinhalb Jahre lang ging gar nichts mehr.
Genau solche Fälle will die CSU in Zukunft unterbinden. Der Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer hat einen Vorschlag erarbeitet, wonach zum Beispiel Tagesbetreuungseinrichtungen – und damit Kinderlärm – aus dem Anwendungsbereich des Bundesimmissionsschutzgesetzes herausgenommen werden sollen. Darauf berufen sich nämlich viele Kläger vor Gericht. „Wir werden langsam ein kinderentwöhntes Land“, sagt Singhammer. „Der ein oder andere Nachbar hat sich zwar an Autolärm gewöhnt. Aber Kinderlachen empfindet er als störend.“
Julia Lenders
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