Update

"Schleunigst handeln": Münchner Politiker zu Abriss der Eisbachwelle

Es war ein kleines Weihnachtswunder, das nur kurz währte. Zum Feiertag war die verschwundene Eisbachwelle dank einer Rampe wieder da – doch dann rückte die Feuerwehr an. Am Sonntag traf die AZ vor Ort nur auf Schaulustige, Surfer sind keine da. Nach dem Abriss der Einbauten gibt es inzwischen erste Reaktionen aus der Politik.
von  John Schneider, Maja Aralica, dpa
Zu Weihnachten konnte wieder gesurft werden. Inzwischen sind die Einbauten wieder ausgebaut worden – durch die Stadt.
Zu Weihnachten konnte wieder gesurft werden. Inzwischen sind die Einbauten wieder ausgebaut worden – durch die Stadt. © Peter Kneffel/dpa

Sie stand ganz oben auf der Liste für seinen München-Besuch: die Eisbachwelle. Kaum ist der Flieger des jungen Mannes aus Kopenhagen am Sonntagmorgen gelandet, machen sich William (28) und seine Augsburger Freundin Amelie (33) schon auf den Weg zur Welle. Doch die ist bis auf ein bisschen schäumendes Wasser verschwunden.

Eisbachwelle wieder verschwunden

"Ich bin sehr enttäuscht", sagt William im AZ-Gespräch. Der 28-Jährige ist zwar kein Surfer, aber er mag Action-Sportarten. Gern hätte er den Surfern zugeschaut.

Begleitet von der Polizei ist Sonntag früh eine Rampe von der Feuerwehr entfernt worden, die dafür gesorgt hatte, dass die seit Oktober verschwundene Welle im Eisbach im Englischen Garten über Weihnachten zeitweise wieder da war. Dabei war ein Kran im Einsatz, alle eingebauten Vorrichtungen wurden entfernt.

Etwa eine halbe Stunde dauerte der Feuerwehreinsatz. Das Baureferat hatte ihn in Auftrag gegeben.
Etwa eine halbe Stunde dauerte der Feuerwehreinsatz. Das Baureferat hatte ihn in Auftrag gegeben. © Peter Kneffel/dpa

Ein Sprecher der Feuerwehr bestätigt der AZ, dass es sich um einen Auftrag des Baureferats gehandelt habe. Mit acht Einsatzkräften rückte die Feuerwehr an und entfernte den "Balken". Bis etwa 9 Uhr waren die Einsatzkräfte vor Ort, der eigentliche Einsatz habe rund eine halbe Stunde gedauert, so der Sprecher.

Amelie und William sind enttäuscht, dass die Welle nicht mehr surfbar ist.
Amelie und William sind enttäuscht, dass die Welle nicht mehr surfbar ist. © John Schneider

Surfer sind entsetzt

Surfer zeigten sich entsetzt von der Aktion, sprachen in Chats von einer "Kampfansage der Stadt an uns Surfer". Der Surf Club München schreibt in einer Presseerklärung: "Mit der Entfernung der Holzkonstruktion an der Eisbachwelle schafft die Stadtverwaltung Fakten und greift damit massiv in einen seit Jahrzehnten gelebten, international bekannten urbanen Freiraum ein." Es sei "keine rein technische Maßnahme, sondern eine politische Entscheidung, oder genauer gesagt: das Ausbleiben einer politischen Entscheidung. Die Verwaltung handelt, während die Politik schweigt."

Am Sonntagvormittag rückt die Feuerwehr mit einem Kran an und entfernt die Rampe, die Unbekannte an Weihnachten eingebaut hatten.
Am Sonntagvormittag rückt die Feuerwehr mit einem Kran an und entfernt die Rampe, die Unbekannte an Weihnachten eingebaut hatten. © Peter Kneffel/dpa

Am ersten Weihnachtstag war die Welle überraschend wieder surfbar (AZ berichtete). Am Geländer der Brücke hing ein Transparent mit der Aufschrift: "Just watch. Merry X-Mas." – "Schau her. Frohe Weihnachten." Man vermutet, dass dafür unbekannte Surf-Aktivisten verantwortlich sind.

Ein AZ-Reporter war am Samstag vor Ort und sprach mit den Surfern. Die neu entstandene Welle sei deutlich anders und schwieriger zu befahren als zuvor. Das war auch sichtbar: Die Surfer stürzten schneller als früher. Trotz Kälte kamen zahlreiche Schaulustige, um das Geschehen zu verfolgen. Das ist seit Sonntagmorgen wieder vorbei.

Ein bisserl Schaum, sonst nix: Hier kann nicht mehr gesurft werden
Ein bisserl Schaum, sonst nix: Hier kann nicht mehr gesurft werden © John Schneider

Konflikt spitzte sich an Weihnachten zu

Der Konflikt mit der Stadt München hatte sich ausgerechnet an Weihnachten zugespitzt. Die Eisbach-Surfer hatten den offiziellen Versuch zur Rettung der Welle aus Frust über die hohen Auflagen der Stadt abgebrochen. "Die Verwaltung will das Surfen am Eisbach nicht regulieren, sondern verhindern", hieß es in einer Mitteilung des Vereins Surf Club München. Darin wird eine behördliche Auflagenpraxis kritisiert, "die faktisch auf Verhinderung angelegt ist".

Am Samstag wurde noch gesurft. Die neu entstandene Welle sei deutlich anders und schwieriger zu befahren als zuvor, hieß es.
Am Samstag wurde noch gesurft. Die neu entstandene Welle sei deutlich anders und schwieriger zu befahren als zuvor, hieß es. © Sigi Müller

Klimareferat: "Bei Gefahr in Verzug muss die Vollzugsbehörde tätig werden"

Auch Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) kritisiert das Vorgehen der Verwaltung. "Dass es nun kurz vor Weihnachten zu so einer unbefriedigenden Situation gekommen ist, ist für mich unverständlich und sehe ich auch als ein nicht überlegtes Handeln der Verwaltung", teilt sie mit.

Allerdings: Laut Klimareferat sind die "vorgenommenen, wellenbildenden Einbauten illegal gewesen und potenziell gefährlich, wenn nicht lebensgefährlich". Und: "Nach dem tragischen tödlichen Surfunfall vom April dieses Jahres kann und darf die Stadt nicht genehmigte Einbauten an der Eisbachwelle nicht dulden. Bei Gefahr in Verzug muss die Vollzugsbehörde tätig werden und hat daher die Entfernung der Einbauten veranlasst." Gerade bei Sicherheitsfragen gebe es keinen Ermessensspielraum.

Verena Dietl setzt auf Austausch zwischen Verwaltung und Surfern 

Und wie geht es jetzt weiter? Sie habe die Referate angewiesen, zu einer rechtlich sicheren und praktikablen Lösung zu kommen, schreibt Dietl. Auch einen Austausch zwischen der Verwaltung und den Surfern solle es geben. Sie habe verfügt, fortlaufend informiert zu werden.

Auch am Sonntag waren einige Menschen vor Ort, um sich die Welle anzuschauen. Darunter William und Amelie. Auch die 33-Jährige wusste noch nicht, dass die Welle schon wieder weg ist. "Ich fände es schön, wenn die Welle wieder hergestellt wird", sagt sie und spricht damit vielen hier aus der Seele.

IGSM fordert "weniger restriktive Auflagen"  

Die Interessengemeinschaft Surfen München (IGSM) hofft unterdessen auf eine "pragmatische Lösung" und teilt mit, "an keiner weiteren Eskalation der Situation interessiert"  zu sein. Man sei auch offen für alternative Vorschläge der Stadtverwaltung und wünsche sich zeitnahe Gespräche mit den politisch Verantwortlichen, hieß es weiter.

Dass die Feuerwehr die illegal eingesetzte Rampe am Wochenende entfernte, stößt der IGSM sauer auf: "Es wäre schön gewesen, wenn die Stadt hier kulanter gewesen wäre und diesen Zustand toleriert hätte. Nach den letzten Gesprächen mit der Stadtverwaltung war aber auch klar, dass dies nicht besonders wahrscheinlich ist." Aus diesem Grund wolle die IGSM nun einen ähnlichen Einbau auf offiziellem Weg genehmigen lassen. "Aus unserer Sicht sollten weniger restriktive Auflagen gelten, da es sich um einen zeitlich begrenzten, wissenschaftlich begleiteten Versuch handelt und nicht um einen dauerhaften Einbau."

Jörg Hoffmann (FDP): "In Deutschland darf man offenbar nichts mehr auf eigenes Risiko tun"

Am Montag meldete sich auch die Münchner FDP mit klaren Forderungen zu Wort. Sie plädiert für eine Reform der rechtlichen Rahmenbedingungen rund um die Eisbachwelle. "Hintergrund ist die aktuelle Haftungssituation, die die Stadt München faktisch dazu zwingt, künstliche Einbauten zu entfernen, obwohl die Eisbachwelle seit Jahrzehnten ein international bekanntes Symbol für Münchner Lebensart, Sport und Freiheit ist", heißt es in der entsprechenden Mitteilung.

Jörg Hoffmann (FDP).
Jörg Hoffmann (FDP). © Archiv

"Die Eisbachwelle scheitert nicht an fehlendem politischen Willen, sondern an einem Haftungsrecht, das jede Form von Eigenverantwortung ausschließt. In Deutschland darf man offenbar nichts mehr auf eigenes Risiko tun. Das ist realitätsfern und freiheitsfeindlich", wird FDP-Bürgermeisterkandidat Jörg Hoffmann zitiert. Wer an der Eisbachwelle surfe, wisse, dass das Risiko dazugehöre und übernehme dafür bewusst Verantwortung. 

Jennifer Kaiser-Steiner: "Die Eisbachwelle gehört zu München"

Jennifer Kaiser-Steiner, Vorsitzende der FDP München, ergänzte: "Es kann nicht sein, dass städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter persönlich haftbar gemacht werden, nur weil sie pragmatische Lösungen ermöglichen wollen. Das lähmt Verwaltung und Politik gleichermaßen. Die Eisbachwelle gehört zu München!"

Geht die Welle den bürokratischen Bach runter? CSU/FW-Fraktion fordert klare Aussagen

Die Surf-Community klage über bürokratische Hürden, die Dritte Bürgermeisterin kritisiere die eigene Verwaltung, und der Oberbürgermeister warte ab: Die CSU/FW-Fraktion fordert in ihrer Stadtratsanfrage klare Aussagen, wie es weitergehen soll.  Vieles deute darauf hin, "dass die Welle schon in der Vergangenheit durch Einbauten im Flussbett am Laufen gehalten worden ist und dass diese Einbauten bei der Bachauskehr entfernt worden sind", heißt es am Dienstag in einer Mitteilung. Der Oberbürgermeister solle die Baureferentin anweisen, "endlich die Fakten auf den Tisch zu legen" und konkret zu erklären, was bei der Bachauskehr dieses Jahr anders gemacht worden sei als in den Jahren zuvor.

Der CSU-Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl.
Der CSU-Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl. © Archiv

"Viele Gespräche, kein Ergebnis: Die bisherigen Bemühungen der Stadtverwaltung um die Eisbachwelle wirken hilflos. Statt konkrete Lösungen umzusetzen, wird Bürokratie betrieben. Die Situation an der Welle muss endlich geklärt werden, denn eigentlich hat diese Stadt viele andere drängende Probleme", betont der Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl.

Junge Union München: "Herr Reiter muss jetzt schleunigst handeln"

Weiterhin solle OB Dieter Reiter klarstellen, welche konkreten Schritte zur Reaktivierung der Welle noch umsetzbar seien, ob Einbauten im Fluss notwendig seien, welche rechtlichen Hürden es für diese Einbauten gebe und wie diese Hürden überwunden werden könnten. Pretzl: "Immer neue Gespräche anzukündigen und auf die eigene Verwaltung loszugehen, bringt keine Lösung, sondern verschleppt das Problem. Der Oberbürgermeister muss als Chef der Verwaltung dafür sorgen, dass seine Referentinnen alle Fakten auf den Tisch legen." 

Die JU München hatte Laurenz Kiefer im Sommer als Bezirksvorsitzenden im Amt bestätigt und den 33-Jährigen als ihren Spitzenkandidaten zur Stadtratswahl am 8. März 2026 nominiert.
Die JU München hatte Laurenz Kiefer im Sommer als Bezirksvorsitzenden im Amt bestätigt und den 33-Jährigen als ihren Spitzenkandidaten zur Stadtratswahl am 8. März 2026 nominiert. © Junge Union München

Zur Eskalation des Streits um den Wiederaufbau der Eisbachwelle im Englischen Garten sagt der Bezirksvorsitzende Laurenz Kiefer: "Die Eisbachwelle ist Münchner DNA. Sie ist Teil der Identität unserer Stadt. Die grün-rote Stadtregierung blockiert und verschleppt ihren Wiederaufbau und macht damit einen schweren Fehler." Die JU fordert Oberbürgermeister Dieter Reiter auf, "endlich aus seinem Winterschlaf zu erwachen und die Eisbachwelle zur Chefsache zu machen". Es könne nicht sein, "dass die ganze Welt über die Eisbachwelle redet und Münchens Oberbürgermeister davon unbeeindruckt weiter urlaubt".

Kiefer: "Herr Reiter muss jetzt schleunigst handeln und das Referat für Klima und Umweltschutz anweisen, seine Auflagen an die Surfer-Gemeinde zu entschärfen, um die Eisbachwelle so schnell wie möglich wieder zu errichten. Dass sich hier seit Wochen nichts tut, ist ein Armutszeugnis der Stadtregierung."

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.