Altersgerecht Wohnen in München: Stolperfrei, aber (zu) teuer
Treppensteigen bis in den dritten Stock mit vollen Einkaufstaschen? Puh. Was, wenn ich das mal nicht mehr schaffe, so ohne Aufzug im Altbau. Nach einem Radlunfall, zum Beispiel, oder weil die Hüfte Zirkus macht, oder die Pumpe.
Vielen Münchnern dürften solche Gedanken schon mal durch den Kopf gegangen sein, und viele, gerade im höheren Alter, haben solche Probleme längst. Sie kommen Stufen nur noch schwer hinauf, erklimmen mit Mühe die alte Badewanne, und ganz arg wird's, wenn Altbautürstöcke zu schmal sind für den Rollator oder Rollstuhl, den man plötzlich braucht.
Seniorengerechte Wohnung in München: 90 Euro Aufschlag im Schnitt
Umziehen, in eine barrierefreie Wohnung, werden Wohlmeinende dann oft raten. Vielleicht, ohne den Rat zu Ende gedacht zu haben. Denn was ohnehin zu vermuten war, bestätigt nun eine Erhebung des Immobilienportals Immowelt: Seniorengerechte Wohnungen sind, na klar, nochmal teurer als Münchner Durchschnittswohnungen eh schon sind.
90 Euro Aufschlag im Schnitt kostet demnach aktuell eine stolperfreie Wohnung in München - zusätzlich, zu den ohnehin schon höchsten Mietpreisen der Republik. Errechnet hat Immowelt das anhand aller als "barrierefrei" oder "seniorengerecht" bezeichneten Wohnungsangebote, die sich von Juli 2020 bis Juni 2021 auf dem Portal gefunden haben.
In anderen Großstädten ist die Differenz sogar noch höher (Berlin: +250 Euro, Stuttgart: +160 Euro; siehe Tabelle, der "Median" ist der mittlere Wert der Angebotspreise). Das liegt aber vor allem daran, dass die Mietpreise dort insgesamt viel niedriger sind als im teuren München und sich deshalb für Senioren noch ein bisserl mehr draufschlagen lässt.

Nur rund 10.000 ältere Menschen wohnen in München barrierefrei
Nun fragt man sich, wie denn ein Münchner ausgerechnet in der Rente (in der er ja in der Regel weniger Geld zur Verfügung hat als im Arbeitsleben) mehr Geld für die Miete ausgeben soll. Es sind dann ja auch nicht nur diese "90 Euro" Aufschlag, die bei einem Umzug in eine neue seniorengerechte Wohnung anfallen. Denn viele Senioren leben in München mit jahre- oder jahrzehntealten Mietverträgen, mit Mieten oft weit unter dem aktuellen Durchschnitt.
Schon jetzt leben rund 43 000 Seniorinnen und Senioren in München, die mobilitätseingeschränkt sind, schätzt das Pestel-Institut in Hannover, das bundesweit zum Thema forscht. Nur rund 10.000 davon aber wohnen in einer barrierefreien Wohnung ohne Schwellen und mit breiten Türen (weitere 10.000 solcher Wohnungen sind mutmaßlich von Familien bewohnt).
"Damit fehlen schon jetzt im Münchner Stadtgebiet rund 33.000 seniorengerechte Wohnungen", erklärt der Chef des Pestel-Institus, Matthias Günther, auf AZ-Anfrage. Bis 2035, wenn die Babyboomer der 1960er Jahre in Rente gegangen sein werden, würden weitere 3.000 gebraucht. Dass die Zahlen nicht noch höher seien, liege daran, dass viele Ältere, wenn sie nicht mehr in der Stadt arbeiten, aus München wegziehen, dorthin, wo die Mieten bezahlbarer sind.
Das "Kompetenzzentrum Barrierefreies Wohnen" in Riem hat deshalb allein im Jahr 2020 rund 800 Senioren kostenlos im Auftrag der Stadt dazu beraten, wie sich die eigene Wohnung einfach umrüsten lässt, auch mithilfe von Fördergeldern.
Viele Hilfen lassen sich über die Kranken- oder Pflegekasse abrechnen
"Oft helfen schon einfache Mittel", sagt Leiter Michael Schrauth, "man kann Möbel verschieben, die den Flur beengen, vielleicht eine Waschmaschine aus dem Bad in die Küche umsetzen, damit ein Rollator ins Bad fahren kann, geliebte, aber stolpergefährliche Teppiche vom Boden nehmen und an die Wand hängen."
Einfach montieren lassen sich auch Bodendeckenstangen als Haltehilfen, Badewannen-Lifter, mit denen man einfacher einsteigen kann oder mobile Treppensteighilfen, die man über die Pflegekasse abrechnen kann. Auch für bauliche Anpassungen wie Treppenlifte oder Türverbreiterungen gibt es Fördertöpfe. "Wichtig ist", sagt Schrauth, "dass die Menschen uns rechtzeitig aufsuchen, nicht erst dann, wenn sie allein nicht mehr zurechtkommen."
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