Alter Kunstpark: Die Party ist vorbei

Aus dem „Kunstpark Ost“ wird ab 2014 das Quartier „Rund um den Ostbahnhof“: Die Clubs verschwinden, bis zu 1000 neue Wohnungen sollen kommen – aber ein bisserl was bleibt auch
Thomas Gautier |
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Der Eingang zur Kultfabrik: Bald kommt der Bagger. Foto: imago
Der Eingang zur Kultfabrik: Bald kommt der Bagger. Foto: imago

München - Am Ende jeder Party kommt das Morgengrauen – es spuckt die Trinker, Tänzer, Raucher, auch die Kokser, in den Tag. Dann schließt der Club und wartet auf die nächste Nacht. Seit 15 Jahren geht das so auf dem alten Kunstpark Ost-Gelände am Ostbahnhof. Aber nicht mehr lange. Bald endet die ansonsten endlose Nacht für den größten Teil der Tanzschuppen – für immer.

Anfang 2014 werden große Teile der Partymeilen Kultfabrik und Optimolwerke – die Nachfolger des Kunstpark Ost – fast komplett platt gemacht. An ihre Stelle kommen Büros, Hotels, Wohnungen, Ateliers, Parks, Restaurants und Gewerbe. Bis Ende 2015 dürfen die Club-Betreiber noch feiern, dann kommen die Bagger. Clubs mit sinnstiftenden Namen wie „Spielwiese“ und „Willenlos“ werden dann nicht mehr existieren – und rund 25 000 Menschen woanders feiern müssen.

Gestern hat der Stadtrat in seiner Vollversammlung den Aufstellungsbeschluss für das Gelände abgesegnet: Das ist der Startschuss für weitere Planungen, Gutachten und Bürgerbeteiligungen. Acht Grundstückseigentümer wie OTEC mit seinem Geschäftsführer, Werner Eckart (Pfanni-Dynastie), IVG, Telekom oder Rohde & Schwarz haben hier mit der Stadt Großes vor: Das neue Quartier namens „Rund um den Ostbahnhof“ (Rost) mit 900 bis 1000 Wohnungen. Mehr als eine Milliarde Euro kostet das Ganze. Ein ganz dicker Brocken also.


Der aktuelle Strukturplan sieht vier große Bereiche vor:

Friedenstraße entlang der Bahnlinie: An der neugestalteten Straße sollen Büros, Hotels und Veranstaltungsorte entstehen. In den oberen Stockwerken auch „neue Wohnformen“ wie Lofts, Boardinghouses, Business-Wohnungen oder Wohnungen mit Künstler-Ateliers.

Der Abschnitt Kultfabrik: Neben Studentenwohnungen und Lofts sind hier günstige Flächen für Ateliers, Sport, Freizeit oder Galerien geplant. Einige Gebäude aus der guten alten Feier-Zeit bleiben erhalten: Das Silo der ehemaligen Pfanni-Werke mit der Kletterhalle „Heavens Gate“, die Kunst-Galerie „Whitebox“, die ehemalige Pfanni-Kantine, die heute noch bis 5 Uhr morgens Getränke und warmes Essen serviert – und die Tonhalle, in der auch in Zukunft Konzerte und Veranstaltungen laufen werden.

Dass die vier Gebäude bleiben, gehört zum Konzept. Der raue Charme des Kunstparks soll erhalten bleiben. Die „Industriefragmente“ seien „identitätsstiftende Gebäudetypologien“, heißt es im Strukturplan. Rainer Emenlauer, der das Projekt im Namen eines Teils der Eigentümer steuert, drückt es so aus: „Man kann weiter den etwas härteren Charakter des Standorts erleben.“

Das MediaWorks-Gelände an der Rosenheimer Straße: Der Businesspark ist schon von weitem am großen, orangenen Ball auf dem Dach zu erkennen. Hier sitzen viele Medienfirmen wie „Eurosport“, „Welt der Wunder“ oder „Pictorion“, die neue Medienbrücke, die Akademie der Bayerischen Presse oder der Oldenbourg-Verlag – dieser Standort wird ausgebaut.

Das Wohn-Viertel: Sie stehen in zweiter Reihe auf dem heutigen Gelände von Kultfabrik und Optimolwerke – etwa im Eck zwischen Anzinger und Aschheimer Straße. 900 bis 1000 Wohnungen werden hier um einen zwei Hektar großen Park gruppiert. Dazu kommen Kitas, Grünstreifen, Laubbäume und neue Verbindungswege, die vor allem für Radler und Fußgänger gedacht sind. In einem „Nahbereichszentrum“ ist Platz für Einzelhandel.

Viel Raum für Nachtleben bleibt da nicht mehr. „Die Clubs kommen weg“, sagt Rainer Emenlauer. „Die Richtung wird sich sehr ändern“, sagt Werner Eckart. Der letzte Rest des KPO, der so viele Jahre die Münchner Nächte prägte (siehe Interview unten), ist weg.

Janine Bogosyan, Kultfabrik-Sprecherin, sagt, dass mit den vier geschützten Gebäuden immerhin noch einiges von der Kultfabrik überlebe – deshalb soll auch der Name bleiben. „Die Kultfabrik als Marke bleibt bestehen“, sagt Bogosyan. „Nur mit weniger Nachtleben.“

 



AZ: Herr Süß, Sie waren lange auf dem Optimolgelände, jetzt sind Sie in der Sonnenstraße im Zentrum. Kommt da ein anderes Publikum?
DAVID SÜSS: Wir haben mehr Schwule, weil wir näher am Glockenbachviertel sind. Aber sonst sind in der Stadt keine anderen Leute unterwegs als auf dem Pfanni-Gelände. München ist Umland. Eine so starke Stadt zieht Menschen von außerhalb an.

Wie schlimm ist es, dass das Optimolgelände wegfällt?
Vor zehn Jahren wäre es ein harter Schlag gewesen. Aber jetzt sind viele Clubs und Bars in der Stadt angesiedelt. Die Stadt und ihre Partygänger können das verschmerzen, für den einzelnen Betreiber ist es aber sicher schwierig. Der Kunstpark Ost (KPO) war aber damals unheimlich wichtig für München.

Warum?
Er hat gezeigt, dass Nachtleben in München möglich ist und dass es gewollt ist. Clubbetreiber wie wir konnten zeigen, dass sie etwas können. Für uns wäre es ohne den Status aus dem KPO und den Optimolwerken unmöglich gewesen, Räume in der Stadt zu finden. Dann ist die Stimmung gekippt – und die Trendsetter sind in der Stadt weggegangen.

Wird es jemals wieder ein festes Partyareal in München geben?
So etwas ist schwer rückgängig zu machen. Da müsste schon viel passieren. Es macht einfach keinen Sinn mehr, auf einem eingegrenzten Areal zu feiern. München hat sich da weiterentwickelt und die Szene in der Stadt ist stark.

Ist München eine Partystadt?
Verglichen mit Berlin auf gar keinen Fall, verglichen mit Passau auf jeden Fall.

Interview: A. K. Koophamel

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