Als der Hamburger München eroberte: Vor 50 Jahren öffnete die erste deutsche McDonald's-Filiale

4. Dezember 1971: In München eröffnete McDonald's vor 50 Jahren seine erste deutsche Filiale. Die Expansion des Unternehmens ist auch Spiegel des gesellschaftlichen Wandels.
von  Carsten Höfer/dpa
Das erste McDonald's Restaurant in Deutschland eröffnete am 4. Dezember 1971 in der Martin-Luther-Straße in München.
Das erste McDonald's Restaurant in Deutschland eröffnete am 4. Dezember 1971 in der Martin-Luther-Straße in München. © obs/McDonald's Deutschland

München - 95 Pfennig. So viel kostet ein Hamburger, als die US-Burgerkette McDonald's am 4. Dezember 1971 in der Martin-Luther-Straße in Obergiesing ihren ersten (west-)deutschen Standort eröffnet. Sie ist heute noch in Betrieb.

Neben dem Hamburger stehen auf der Speisekarte damals lediglich Cheeseburger, Pommes, Coca-Cola, Limo und Kaffee. Heute ist McDonald's Weltmarktführer der Burgerketten, mit über 38.000 Standorten rund um den Globus und 1.448 in Deutschland. Und es sollen noch mehr werden: "Wir haben für die nächsten Jahre ein erklärtes Wachstumsziel und suchen aktiv nach neuen Standorten", sagt ein Sprecher.

"Seit der Nachkriegszeit sehen wir eine starke Zunahme des Zuckerkonsums"

Die Expansion des Unternehmens spiegelt auch den gesellschaftlichen Wandel der vergangenen Jahrzehnte wider. "In den Siebziger Jahren ist das Interesse an Essen und Esskultur und auch an internationaler Küche erwacht", sagt Margareta Büning-Fesel, die Leiterin des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE). "Deswegen gab es auch eine große Offenheit für Fast Food und Fertiggerichte."

Begonnen hatte die Veränderung der Essgewohnheiten jedoch schon vorher. "Seit der Nachkriegszeit sehen wir eine starke Zunahme des Zuckerkonsums, das kam mit den zuckerhaltigen Getränken aus den USA", meint Hans Hauner, Leiter des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin an der TU München. "Was ebenfalls in die falsche Richtung geht, ist die Zunahme des Konsums von Fleisch und Fleischprodukten."

Beides stagniere aber seit einigen Jahren, beziehungsweise sei leicht rückläufig. "Der Anteil des Fast Food hat in den vergangenen fünf Jahrzehnten dramatisch zugenommen", sagt der Wissenschaftler. "Bratwurst, Döner, Hamburger, Pizzen, oder in Bayern auch die Leberkassemmel. Nur in vierzig Prozent der Haushalte wird noch einigermaßen regelmäßig gekocht."

Fast-Food-Trend: Single-Haushalte und Mikrowelle

Das liege unter anderem an dem hohen Anteil von Single-Haushalten. Begünstigt wurde der Trend zum schnellen Essen durch eine weitere US-Erfindung, die in den Achtziger Jahren weite Verbreitung fand: "Es kam die Mikrowelle in die deutschen Küchen", sagt Büning-Fesel.

McDonald's Deutschland: Das Produktangebot von 1971 und eine Auswahl von 2016.
McDonald's Deutschland: Das Produktangebot von 1971 und eine Auswahl von 2016. © obs/McDonald's Deutschland

"In die Siebziger Jahren kann man aber auch die Anfänge einer deutlichen Aufmerksamkeit für das Thema Übergewicht datieren", meint die Chefin des Bundeszentrums für Ernährung. "Die Ernährungskommunikation und -information wurde stärker. Was in den Achtziger Jahren dazukam, das war das Thema Vollwerternährung und Umwelt, die Müsliwelle."

Schlechte Datenlage zu den Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung 

Doch dass sich gesunde Ernährung und gesunder Lebensstil deswegen durchgesetzt hätten, würde wohl niemand behaupten. "Ein Teil der Bevölkerung ist heute schlechter ernährt als vor 50 Jahren", sagt Ernährungsmediziner Hauner. "Viele besser Gebildete achten auf ihre Gesundheit und legen Wert auf gesunde Ernährung. Auf der anderen Seite haben wir wirtschaftlich schwächere Bevölkerungsgruppen und sozial Benachteiligte, die sich häufig ungesund ernähren."

Die Datenlage zu den Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung sei indes schlecht, meint Büning-Fesel. "Klar ist, es gibt auf jeden Fall ein Gefälle, und auch Ernährungsarmut in Deutschland. Es gibt wirklich Bevölkerungsschichten, die vom Einkommen her Schwierigkeiten haben, sich genug zu essen zu kaufen."

Geschäftsmodell der Systemgastronomie auf dem Vormarsch

Denn Ernährung ist auch eine Geldfrage. Ein Restaurant verlangt höhere Preise als eine Imbissbude, hochwertige und frische Lebensmittel sind teurer als billige Tiefkühlware und Fertiggerichte. Doch auch in gut situierten Familien bleibt heute weniger Zeit zum Kochen als zu Beginn der Siebziger Jahre, da in der Regel beide Elternteile arbeiten.

Das aus den USA importierte Geschäftsmodell der Systemgastronomie hat sich flächendeckend verbreitet: "Der Außer-Haus-Markt boomte und mit ihm die Systemgastronomie", sagt eine Sprecherin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga zur Lage vor Beginn der Corona-Pandemie. "Fast jeder dritte Euro wurde in einem Betrieb der Markengastronomie umgesetzt."

Ende der Sechziger weniger übergewichtige Menschen in Deutschland als heute

In absoluten Zahlen noch viel stärker expandiert als die Selbstbedienungsketten haben Imbisse jeder Art. Das Statistische Bundesamt zählte 2005 insgesamt 1.544 "Restaurants mit Selbstbedienung", 2019 waren es dann schon 3.790. Doch "Imbissstuben und Ähnliches" vermehrten sich von 14.648 auf 35.656.

"Auf jeden Fall gab es Ende der Sechziger Jahre weniger übergewichtige Menschen in Deutschland als heute", sagt Büning-Fesel. "Von 1999 bis 2013 ist die Zahl der adipösen - also der wirklich schwer übergewichtigen - Männer um 40 Prozent gestiegen, bei den Frauen waren es 24 Prozent."

Der Trend zum Übergewicht hat seither nicht nachgelassen, nachzulesen in den Berichten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Auch im ganz langfristigen Vergleich sind die heutigen Deutschen mutmaßlich nicht besser ernährt als ihre Ur- und Ururgroßeltern: "Vor dem Ersten Weltkrieg wurden deutlich mehr Brot und Kartoffeln gegessen", sagt Ernährungsmediziner Hauner. "Das Brot war sehr viel gröber und ballaststoffreicher. Ich denke nicht, dass die Bevölkerung damals grundsätzlich viel schlechter ernährt war als heute, auch wenn es heute ein breiteres Angebot an Lebensmitteln gibt."

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