Alles andere als leicht: So lebt ein Ex-Surf-Profi aus München seit zehn Jahren in Portugal

Der Profi-Surfer Yoyo Terhorst und seine Partnerin Julia Schucht sind vor zehn Jahren nach Südeuropa ausgewandert. Das Leben am Meer - fühlt es sich wie dauerhafter Urlaub an? Von wegen! Welche Katastrophen sie schon durchgestanden haben und was sie an ihrer zweiten Heimat lieben.
von  Rosemarie Vielreicher
Yoyo Terhorst und Julia Schucht. Das Paar aus München ist vor zehn Jahren nach Portugal ausgewandert und betreibt ein Surfcamp.
Yoyo Terhorst und Julia Schucht. Das Paar aus München ist vor zehn Jahren nach Portugal ausgewandert und betreibt ein Surfcamp. © privat

Aufs Meer schauen, die Wellen rauschen hören. Jeden Tag. Yoyo Terhorst (42) und Julia Schucht (33) aus München sind sicherlich nicht die Einzigen mit diesem Traum. Aber bei ihnen ist er Realität geworden: Die beiden sind vor nun zehn Jahren nach Portugal ausgewandert. In Figueira da Foz, mittig zwischen Lissabon und Porto gelegen, haben sie ihr Janga-Wonderland-Surfcamp eröffnet.

Was sie besonders an ihrer neuen Heimat lieben: "Ich mag das Wetter!", sagt Terhorst. Gerade der Winter bleibe relativ mild. Schucht schätzt die Landschaft um sich herum. "Ich genieße die Nähe zur wilden Natur sehr." Und: "Wenn ich auf meinen Balkon gehe, sehe ich das Meer. Darüber freue ich mich jeden Tag."

Wie kam es zur Auswanderung? Der frühere Surf-Profi sagt im Gespräch mit der AZ: "Mir war schon immer relativ klar, dass ich gerne am Meer leben würde." 2015 wagt er den Schritt von München nach Portugal, ein Jahr später kommt seine Partnerin nach. Entgegen so mancher Auswanderer-Geschichten mit schlechtem Ausgang sagt Schucht: "Zehn Jahre später sind wir immer noch da."

Warum sie sich für Portugal am Atlantik entschieden haben, hat gute Gründe: "Portugal ist nicht zu weit von zu Hause weg, die Kultur ist nicht zu anders", sagt der heute 42-Jährige. Trotzdem ein Abenteuer: Von der portugiesischen Sprache hatte er damals nämlich "keine Ahnung".

Statistik: So viele Deutschen leben in Portugal

Dem Statistischen Bundesamt zufolge lebten 2024 rund 22.600 deutsche Staatsbürger in Portugal. Zum Vergleich: In Spanien waren es 128.049 Deutsche, in Italien 35.104.

Auswandern ist eine Sehnsucht von vielen: Im Mai ergab eine Yougov-Umfrage, dass sich das mehr als die Hälfte der Deutschen vorstellen kann. Der Frage "Einmal angenommen, Sie wären beruflich, privat und finanziell völlig unabhängig: Könnten Sie sich grundsätzlich vorstellen, Deutschland zu verlassen und ins Ausland auszuwandern?" stimmten 31 Prozent mit "auf jeden Fall" zu, 27 Prozent gaben "wahrscheinlich" an.

Keine Auswanderer-Romantik: So ist es wirklich

Yoyo Terhorst bekam von Anfang an - als die Auswanderung eher noch eine Fantasie war - Rückendeckung von seiner Partnerin. Aber sie räumen auch klar mit Auswanderer-Romantik auf: Sie sitzen nicht den ganzen Tag am Strand. Als Selbstständige ist ihr Tag auch im Urlaubsparadies von Arbeit geprägt.

Yoyo Terhorst und Julia Schucht sind nach Portugal ausgewandert. Beide haben München fest im Herzen - und vermissen ihre Heimatstadt auch.
Yoyo Terhorst und Julia Schucht sind nach Portugal ausgewandert. Beide haben München fest im Herzen - und vermissen ihre Heimatstadt auch. © privat

Buchungen, Organisation, Mails. Damit beschäftigt sich Terhorst morgens als Erstes. Ansonsten ist er dafür verantwortlich, dass das Areal des Janga-Surfcamps in Schuss bleibt: "Ich kümmere mich um die Anlage." Eine Herzensangelegenheit, denn sie haben alles selbst gebaut.

"Die Leute denken, es sei wie Urlaub"

Schucht kümmert sich um alle denkbaren Fragen ihrer Gäste. Vom Wetter bis zu den Wellen. Oder aber, wenn jemand mit dem Auto stecken geblieben ist, weil sich die portugiesischen Straßen auch mal als kleine Feldwege entpuppen.

Das Janga-Surfcamp liegt rund 200 Kilometer von Lissabon entfernt.
Das Janga-Surfcamp liegt rund 200 Kilometer von Lissabon entfernt. © Rosemarie Vielreicher

Die 33-Jährige sagt über das Leben im Ausland: "Die Leute denken, es sei wie Urlaub. Aber wir müssen ganz normal arbeiten. Das mag unromantisch klingen und gar nicht nach dem Auswanderer-Traum." Ihr Partner sagt: "Auswandern heißt, den Alltag von zu Hause in ein anderes Land mitzunehmen."

Neben viel Arbeit muss das Paar im Laufe der Jahre auch mit anderen Problemen zurechtkommen. Etwa einem Feuer im Haus, den Auswirkungen der Waldbrände in Portugal oder auch Wirbelsturm "Leslie" 2018. Sie erinnert sich: "Der hat uns eigentlich alles zerstört." Damals hatten sie das Areal nur gemietet und entsprechend keine Versicherung. Auch der Vermieter nicht.

Die Corona-Pandemie: "Das war ein richtiger Dämpfer"

Ein weiterer Tiefpunkt: die Corona-Pandemie. Stillstand. Als hätte jemand auf Pause gedrückt. Die 33-Jährige erzählt: "Das war ein richtiger Dämpfer. Wir haben uns in dieser Zeit auch wirklich überlegt: Was wäre, wenn wir hier schließen müssten? Wie viele Umzugscontainer bräuchten wir?"

"Surfen ist definitiv kein einfacher Sport", sagt Yoyo Terhorst. Der Münchner war früher Profi.
"Surfen ist definitiv kein einfacher Sport", sagt Yoyo Terhorst. Der Münchner war früher Profi. © privat

Der 42-Jährige macht den Ernst der Lage deutlich: "Wir waren restlos pleite." Freunde starten damals für sie eine Crowdfunding-Aktion. "Das hat uns im letzten Moment gerettet." Im zweiten Corona-Jahr, "als wir wieder pleite waren", habe es eine Unterstützung vom Staat gegeben. Wenn auch viel zu gering. Wie haben sie all das überstanden? "Mit Zeit und Zuversicht."

Was sie für sich gelernt haben

Der Neustart in einem fremden Land hat sie gelehrt, immer weiterzumachen, und dass man Krisen durchstehen kann. Was sie gern vorher gewusst hätten und nun anderen mitgeben würden: "Es wird einem nichts geschenkt", sagt Schucht. Als Ausländer hätte man es schwerer, etwa in Ämtern oder auch hinsichtlich der Sprachbarriere. Und auch in Portugal gebe es einen Rechtsruck.

"Surfen ist definitiv kein einfacher Sport"

Aber zurück zum Surfsport: Auch hier braucht man Durchhaltevermögen. "Surfen ist definitiv kein einfacher Sport", sagt Terhorst. Man sollte sich mindestens ein bis zwei Wochen Zeit nehmen, wenn man die Grundlagen lernen möchte. Aber er macht Mut: "Wir bieten Surfkurse für jede Stufe an. Von Anfänger über Fortgeschrittene bis hin zu Leuten mit sehr guten Kenntnissen. Man kann unter allen Umständen und in jedem Alter zu uns kommen und Surfen lernen oder es verbessern."

Julia Schucht beim Wellenreiten.
Julia Schucht beim Wellenreiten. © privat

Kein starrer Stundenplan wie in anderen Camps

Dabei setzen sie auf ein freieres Konzept ohne fest getaktete "Stundenpläne", wie es in anderen Camps oft üblich ist. Sie möchten den Gästen ermöglichen, ihre Reise frei zu gestalten. Dazu haben sie sich ein Repertoire abseits des Wellenreitens erarbeitet: ein Gym, Saunen, Wellness-Behandlungen, Yoga, Golf. Ihre Aufzählung scheint gar nicht zu enden. "Was uns sehr auszeichnet, ist, dass wir wesentlich kreativer und facettenreicher sind."

Die alte Heimat: "Mir fehlt München schon sehr"

München bleibt trotz zehn Jahren im Ausland in ihren Herzen. "Zu Hause ist in Portugal, daheim ist München", sagt sie. Der frühere Profi-Surfer sagt auf Bairisch: "Dahoam is dahoam." Und: "Mir fehlt München schon sehr."

Ablenkung vom Heimweh haben sie aber genügend. Sie haben sich erst vor Kurzem einen Teil des Grundstücks gekauft und wollen sich "aus wirtschaftlichen Gründen" auf acht Zimmer für 18 Gäste verkleinern (vorher zwölf Zimmer für 25 Personen). Die Liste ihrer Vorhaben ist lang: zum Beispiel ein Salzwasser-Pool, ein neuer Frühstücksraum, ein Outdoor-Gym und eine professionelle Golf-Area. Terhorst sagt über die Pläne: "Das ist mindestens so aufregend wie Auswandern."

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