Allerheiligen: Trauern am Grab und im Web

MÜNCHEN - Bis zum 9. Jahrhundert war Allerheiligen an Ostern – was an dem Feiertag Brauch ist und was Aberglaube
Die Kirche hat seit jeher ein Gespür für Inszenierung. Wie bei Allerheiligen, das ursprünglich um Ostern gefeiert – und erst im 9. Jahrhundert in den November verlegt wurde. Nebel, Krähen, kahle Bäume – das Toten-Gedenken passt ganz gut hierher. Zwei Tage gilt es auseinanderzuhalten: Allerheiligen als gesetzlicher Feiertag, an dem die Katholiken alle Heiligen feiern und die Gräber gesegnet werden. Und der Gedenktag Allerseelen einen Tag später am 2. November. „Hier gedenkt man Verstorbenen und betet dafür, dass ihre Seelen das Fegefeuer verlassen dürfen und in den Himmel kommen“, erklärt Manfred Becker-Huberti, Professor für Theologie
Die Bräuche Grüne Pflanzen am Grab stehen für die Farbe des Lebens.
Licht auf den Gräbern ist ein Symbol für das ewige Leben. Außerdem soll das Licht die Seelen anlocken und zum Ruheplatz des Körpers weisen. Dort sollen die Seelen Wärme finden und böse Geister werden vertrieben.
Allerseelen-Zopf: Ein Gebildebrot aus süßem Hefeteig. Die ineinander verflochtenen Stränge stehen für die Verbindung von Leben und Tod.
Ein Gedeck extra bietet Platz für die Verstorbenen, die symbolisch am Abendessen ihrer Familie teilneh- men. Dem Brauch liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Toten einen Tag frei haben vomFegefeuer und auf die Erde zurückkehren können.
Feier auf dem Grab: Im Mittelalter feierte man Allerseelen teilweise auf den Gräbern. Noch heute besuchen die Roma die Gräber der verstorbenen Verwandten und die Königsgräber. Dort wird gegessen, getrunken und getanzt – und Essen und Trinken aufs Grab geschüttet.
Abergläubisches Vom Grab nimmt man nichts mit nach Hause: Nicht einmal Grünpflanzen, die im Winter ins Haus gebracht werden müssten – sonst brächte man den Todmit.
Man geht nachts nicht auf den Friedhof, weil er das Reich der Toten ist und diese nur tagsüber die Lebenden dulden. Nachts vertreiben die Toten mit ihrem Spuk die Lebenden.J. Jauernig
Trauern im Netz
Totengedenken digital: Das Portal emorial.de verzeichnet online 230 000 Einträge
Albrecht Dürer ist dabei, der Sonnenkönig Ludwig XIV., William Shakespeare, Michelangelo, oder Nikolaus Kopernikus. Aber auch Annelene Meier, Ottilie Fischer oder Alois Müller. Bei Emorial, dem größten Online- Friedhof Deutschlands, sind sie alle gleich. Hier können Hinterbliebene für ihre Verstorbenen „Memorials“ einstellen, virtuelle Traueranzeigen. Und Trauernde können Kerzen entzünden – natürlich ebenfalls nur virtuell. Die Idee zu dieser Gedenkstätte im Netz hatten die Münchner Martin Kunz und Anton Stuckenberger.
Rund um Allerheiligen und Allerseelen wird die Seite emorial. de besonders häufig angeklickt. Die Menschen denken an die Verstorbenen, holen sich ihre Einträge und Kondolenz- Botschaften von Verwandten und Freunden auf den Bildschirm. Neben Gratis- „Memorials“ mit den Basis-Informationen wie Name, Geburts- und Todesdatum gibt es auch den kostenpflichtigen „Premium-Eintrag“: Für 19 Euro können Trauernde Bilder, Videos oder sogar Musik hochladen, Texte eingeben, sogar eine eigene Internetadresse gehört zum Leistungspaket.
„Wir wollten im Internet an einen verstorbenen Klassenkameraden erinnern“, so Martin Kunz. Das war vor gut zwei Jahren. Und der Journalisten und sein Geschäftspartner und Software-Experte Stuckenberger stellten fest: Dafür gibt es noch keine vernünftige Plattform.
Also taten sie sich zusammen, starteten emorial.de. Ein echtes Erfolgs-Start up: Bisher sind etwa 230 000 „Memorials“ auf ihren Seiten zu finden, Tendenz weiter steigend. Die schwarze Null peilen Kunz und Stuckenberger noch an – gerade verhandeln sie mit Verlagen über Kooperationsmodelle.
Anfangs waren fast nur jüngere, internetaffine Menschen auf den Seiten zugange, doch das ändert sich. „Jetzt kommt immer mehr die typische Klientel für Traueranzeigen zu uns“, so Kunz. Die „Silver-Surfer“ haben das Internet auch als Ort der Trauer und des Gedenkens entdeckt.
„Die Seiten werden auch tatsächlich für die Trauerarbeit genutzt“, weiß Martin Kunz. Das erkennen die Betreiber an den Zugriffszahlen. Rund um die Uhr werden die Seiten geklickt, werden Erinnerungskerzen angezündet und Botschaften an die Verstorbenen geschrieben
Auch die Seiten einiger Prominenter wie Barbara Rudnik werden häufig besucht. Kunz: „Unser Angebot befriedigt offenbar ein Bedürfnis.“ Rudolf Huber