Ärztefehler? 32-Jähriger sitzt für immer im Rollstuhl

Zu spät reagiert? Der Familienvater verklagt das Klinikum. Doch Gutachter und Gerichte können keine Ärztefehler erkennen. Der Prozess.
München - An einer Stelle scheint alles zu viel zu werden für den 32-Jährigen. Er greift sich mitten in der Verhandlung an die Augen, kämpft mit den Tränen, fasst sich aber wieder. Dass David P. (Name geändert) jetzt im Rollstuhl sitzt, sei auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen, sagt er. Die Ärzte, die ihn einer Blutwäsche unterzogen, hätten zu spät auf seinen Schlaganfall reagiert. Das wird vom LMU-Klinikum bestritten.
Unbestreitbar grausam sind die Folgen für den jungen Mann: Lähmung der linken Körperhälfte, Schmerzen, Schlafstörungen, Spastiken in Hand und Fuß, permanente Kopfschmerzen, Haarausfall, Sprachstörungen, Zukunftsängste und Depressionen. David P. stellt sich ein Schmerzensgeld von 200.000 Euro vor und will auch materielle Schäden ersetzt bekommen. Allein der Verdienstausfallschaden werde sich bei ihm auf über eine Million Euro belaufen.
Das war geschehen: Georg C. litt unter anderem an Adipositas und Diabetes mellitus Typ II. Bereits Anfang Dezember 2007 und Ende Mai 2009 waren deshalb bei zwei Notfällen, Blutwäschen notwendig geworden. Am 28. Mai 2010 verspürte der Security-Mann und Familienvater erneut Schmerzen im Bauch. In der Notaufnahme des LMU-Klinikums die Diagnose: Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Eine erneute Blutwäsche sollte es richten.
Am folgenden Tag wurde ein Katheter gelegt, David P. ins künstliche Koma versetzt. Wiederum einen Tag später die Schock-Diagnose: Der Patient hatte einen Schlaganfall erlitten.
Schon bei der Aufnahme habe er aber über Kopfschmerzen geklagt, seine Sprache sei verwaschen gewesen – Symptome eines Schlaganfalls. Das sei aber nicht beachtet worden, kritisiert der Kläger.
Doch der Gutachter konnte weder Behandlungs-, noch Aufklärungsfehler feststellen. Das Landgericht wies die Klage in erster Instanz ab.
Der OLG-Senat wird sich dieser Ansicht wohl anschließen. Einen „Entlastungseifer“ des Gutachters, wie ihn der Anwalt des Klägers kritisiert, kann Thomas Steiner, Vorsitzender des Senats, jedenfalls nicht erkennen.
Zurück bleibt ein völlig verbitterter Kläger. Sein Leben sei verpfuscht, sagt David P., man hätte ihn damals sterben lassen sollen, er werde immer ein „Krüppel im Rollstuhl“ bleiben. „Ich stehe morgens auf und mache nichts. Das ist mein ganzes Leben.“
Der Senat wird seine Entscheidung am 6. August bekannt geben. Als ihn seine Frau nach der Verhandlung im Flur in Empfang nimmt, sieht sie dem Gesicht von David P. sofort an, wie die Chancen auf einen Erfolg stehen: Sehr, sehr schlecht.