Ärger wegen Cannabis-Gesetz: Justiz in München beklagt sich über zusätzliche Arbeit

München – Dass der Konsum von Cannabis legalisiert wird, stößt Bayerns Jutizminister Georg Eisenreich (CSU) gleich aus mehreren Gründen sauer auf. Die Forderung nach Legalisierung geht seiner Meinung nach "grundsätzlich in die falsche Richtung". Aber es gibt noch einen zweiten, eher pragmatischen Grund für Eisenreichs Ärger: "Das Gesetz bedeutet konkret: Gefangene, die unter die neuen zulässigen Höchstmengen für Cannabis fallen, müssen umgehend entlassen werden. Die Vollstreckung nicht bezahlter Geldstrafen ist umgehend einzustellen. Dazu müssen unsere Staatsanwaltschaften Akte für Akte per Hand überprüfen."
Vorsorglich hatten Bayerns Staatsanwaltschaften, die für die Strafvollstreckung zuständig sind, noch vor dem 1. April 29.000 Akten überprüft und tatsächlich 24 Entlassungen angeordnet. Auch in München seien tausende Akten überprüft worden, so ein Sprecher des Justizministeriums am Montag. Dabei hatte der Bund argumentiert, dass mit der Legalisierung des Konsums Polizei und Gerichte entlastet werden. Das scheint zumindest für den Anfang nicht gelungen zu sein. Eisenreich: "Der Zusatzaufwand durch das Cannabis-Gesetz ist für die Justiz bereits jetzt enorm. Die Bundesregierung belastet die Justiz unnötig, statt sie zu entlasten."
Keine Feinwaagen für Funkstreifenwagen
Aber nicht nur die Staatsanwaltschaften, auch die Jugendrichter sind gefragt. Da sie, anders als bei Erwachsenen-Verfahren, auch für die Strafvollstreckung ihrer Verfahren zuständig sind, wartet viel zusätzliche Arbeit auf sie. Kritik kommt auch von der Polizeigewerkschaft (DPolG). "Die Polizei verfügt aktuell weder über genug Personal zur Kontrolle der erlaubten Mengen, noch über die notwendige technische Ausstattung, etwa Feinwaagen in Funkstreifenwagen", erklärte der DPolG-Bundesvorsitzende Rainer Wendt. Das Bundesgesundheitsministerium verteidigt das neue Gesetz: "Das Gesetz zielt darauf ab, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention zu stärken, die organisierte Drogenkriminalität einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken. Zum Schutz von Konsumentinnen und Konsumenten soll die Qualität von Konsumcannabis kontrolliert und die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert werden."
Wie geht man jetzt mit Mischfällen um?
Lohnenswerte Ziele, aber einiges scheint nicht bis zu Ende gedacht, heißt es in Münchner Justizkreisen. So habe sich der Gesetzgeber unter anderem davor gedrückt, die Grenze zwischen einer geringen Menge Cannabis und einer strafverschärfenden nicht geringen Menge zu ziehen. Diese Grenzziehung müssen nun offenbar die Gerichte leisten. Ein weiterer Kritikpunkt: Nicht nur die reinen Drogenprozesse sind von der Überprüfung der Urteile betroffen, sondern auch Mischfälle in denen der Konsum von Cannabis eine eher untergeordnete Rolle spielt. Ob das Gesetz irgendwann doch entlastend wirkt? Im Strafjustizzentrum überwiegt (noch?) der Zweifel.
Konsumcannabisgesetz: Ein Drogenprozess nach neuem Recht wirft Fragen auf
Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. In den Terminlisten des Amtsgerichts taucht seit Kurzem das Kürzel KCanG auf. Es steht für Konsumcannabisgesetz. Eines der ersten Verfahren, die auf Grundlage des neuen Gesetzes zur Teillegalisierung von Cannabis am Münchner Amtsgericht verhandelt werden, ist der Fall eines 19-Jährigen aus Niedersachsen, der am 7. März im Alten Botanischen Garten beim Dealen erwischt wurde. Seitdem sitzt der junge Mann in Untersuchungshaft. Die Polizisten, die ihn seinerzeit festnahmen, berichten vor dem Jugendgericht, wie sie die Übergabe-Vorgänge beobachteten.
Als klar war, was da vor sich ging, schritten die Beamten ein. Der Angeklagte soll noch versucht haben, Haschisch und Joint wegzuwerfen. Doch beides wurde schnell gefunden. Laut Anklage hatte der 19-Jährige 16,22 Gramm Haschisch sowie einen Joint bei sich. Außerdem soll er laut Anklage weiteres Haschisch und Marihuana in einem Gebüsch deponiert haben. Erschwerend komme hinzu, dass eine Käuferin erst 15 Jahre alt ist. Dass das Mädchen sehr jung sei, habe man in der Verhandlung sehen können, sagt die Jugendrichterin. Der 19-Jährige sagt, dass er ihr Alter auf 17 geschätzt habe. Er bereue seine Tat. "Ich habe einen Fehler gemacht und entschuldige mich", erklärt er vor Gericht. Die Staatsanwältin fordert vier Wochen Dauerarrest, Verteidigerin Ruth Beer hält drei Wochen Arrest für ausreichend. Die Richterin verurteilt ihn schließlich wegen "Handeltreibens mit Cannabis nach dem KCanG" zu einem vierwöchigen Dauerarrest. Der muss aber nicht mehr verbüßt werden, da der Mann bereits sechs Wochen in U-Haft gesessen hat.
Fazit: Sehr viel anders als beim alten Recht läuft es am Montag mit dem KCanG nicht. Die spannende Frage für die nächste Zeit ist eine andere: Wo werden die Gerichte die Grenze zwischen geringer und strafverschärfender nicht geringer Menge ziehen?