Ärger wegen Cannabis-Gesetz: Justiz in München beklagt sich über zusätzliche Arbeit

Wegen der Cannabis-Legalisierung werden zahlreiche ehemalige Straftaten amnestiert. Die Staatsanwaltschaft in München muss nun tausende Akten durchforsten und der Polizei fehle die Ausstattung. Die Bundesregierung sieht die Lage anders.
John Schneider
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Polizisten untersuchen eine Hanfplantage: Die Legalisierung von Cannabis stellt die Justiz vor gewisse Herausforderungen.
Polizisten untersuchen eine Hanfplantage: Die Legalisierung von Cannabis stellt die Justiz vor gewisse Herausforderungen. © Polizeidirektion Dresden/dpa/dpa

München – Dass der Konsum von Cannabis legalisiert wird, stößt Bayerns Jutizminister Georg Eisenreich (CSU) gleich aus mehreren Gründen sauer auf. Die Forderung nach Legalisierung geht seiner Meinung nach "grundsätzlich in die falsche Richtung". Aber es gibt noch einen zweiten, eher pragmatischen Grund für Eisenreichs Ärger: "Das Gesetz bedeutet konkret: Gefangene, die unter die neuen zulässigen Höchstmengen für Cannabis fallen, müssen umgehend entlassen werden. Die Vollstreckung nicht bezahlter Geldstrafen ist umgehend einzustellen. Dazu müssen unsere Staatsanwaltschaften Akte für Akte per Hand überprüfen."

Vorsorglich hatten Bayerns Staatsanwaltschaften, die für die Strafvollstreckung zuständig sind, noch vor dem 1. April 29.000 Akten überprüft und tatsächlich 24 Entlassungen angeordnet. Auch in München seien tausende Akten überprüft worden, so ein Sprecher des Justizministeriums am Montag. Dabei hatte der Bund argumentiert, dass mit der Legalisierung des Konsums Polizei und Gerichte entlastet werden. Das scheint zumindest für den Anfang nicht gelungen zu sein. Eisenreich: "Der Zusatzaufwand durch das Cannabis-Gesetz ist für die Justiz bereits jetzt enorm. Die Bundesregierung belastet die Justiz unnötig, statt sie zu entlasten."

Keine Feinwaagen für Funkstreifenwagen

Aber nicht nur die Staatsanwaltschaften, auch die Jugendrichter sind gefragt. Da sie, anders als bei Erwachsenen-Verfahren, auch für die Strafvollstreckung ihrer Verfahren zuständig sind, wartet viel zusätzliche Arbeit auf sie. Kritik kommt auch von der Polizeigewerkschaft (DPolG). "Die Polizei verfügt aktuell weder über genug Personal zur Kontrolle der erlaubten Mengen, noch über die notwendige technische Ausstattung, etwa Feinwaagen in Funkstreifenwagen", erklärte der DPolG-Bundesvorsitzende Rainer Wendt. Das Bundesgesundheitsministerium verteidigt das neue Gesetz: "Das Gesetz zielt darauf ab, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention zu stärken, die organisierte Drogenkriminalität einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken. Zum Schutz von Konsumentinnen und Konsumenten soll die Qualität von Konsumcannabis kontrolliert und die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert werden."

Wie geht man jetzt mit Mischfällen um?

Lohnenswerte Ziele, aber einiges scheint nicht bis zu Ende gedacht, heißt es in Münchner Justizkreisen. So habe sich der Gesetzgeber unter anderem davor gedrückt, die Grenze zwischen einer geringen Menge Cannabis und einer strafverschärfenden nicht geringen Menge zu ziehen. Diese Grenzziehung müssen nun offenbar die Gerichte leisten. Ein weiterer Kritikpunkt: Nicht nur die reinen Drogenprozesse sind von der Überprüfung der Urteile betroffen, sondern auch Mischfälle in denen der Konsum von Cannabis eine eher untergeordnete Rolle spielt. Ob das Gesetz irgendwann doch entlastend wirkt? Im Strafjustizzentrum überwiegt (noch?) der Zweifel.

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Konsumcannabisgesetz: Ein Drogenprozess nach neuem Recht wirft Fragen auf

Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. In den Terminlisten des Amtsgerichts taucht seit Kurzem das Kürzel KCanG auf. Es steht für Konsumcannabisgesetz. Eines der ersten Verfahren, die auf Grundlage des neuen Gesetzes zur Teillegalisierung von Cannabis am Münchner Amtsgericht verhandelt werden, ist der Fall eines 19-Jährigen aus Niedersachsen, der am 7. März im Alten Botanischen Garten beim Dealen erwischt wurde. Seitdem sitzt der junge Mann in Untersuchungshaft. Die Polizisten, die ihn seinerzeit festnahmen, berichten vor dem Jugendgericht, wie sie die Übergabe-Vorgänge beobachteten.

Als klar war, was da vor sich ging, schritten die Beamten ein. Der Angeklagte soll noch versucht haben, Haschisch und Joint wegzuwerfen. Doch beides wurde schnell gefunden. Laut Anklage hatte der 19-Jährige 16,22 Gramm Haschisch sowie einen Joint bei sich. Außerdem soll er laut Anklage weiteres Haschisch und Marihuana in einem Gebüsch deponiert haben. Erschwerend komme hinzu, dass eine Käuferin erst 15 Jahre alt ist. Dass das Mädchen sehr jung sei, habe man in der Verhandlung sehen können, sagt die Jugendrichterin. Der 19-Jährige sagt, dass er ihr Alter auf 17 geschätzt habe. Er bereue seine Tat. "Ich habe einen Fehler gemacht und entschuldige mich", erklärt er vor Gericht. Die Staatsanwältin fordert vier Wochen Dauerarrest, Verteidigerin Ruth Beer hält drei Wochen Arrest für ausreichend. Die Richterin verurteilt ihn schließlich wegen "Handeltreibens mit Cannabis nach dem KCanG" zu einem vierwöchigen Dauerarrest. Der muss aber nicht mehr verbüßt werden, da der Mann bereits sechs Wochen in U-Haft gesessen hat.

Fazit: Sehr viel anders als beim alten Recht läuft es am Montag mit dem KCanG nicht. Die spannende Frage für die nächste Zeit ist eine andere: Wo werden die Gerichte die Grenze zwischen geringer und strafverschärfender nicht geringer Menge ziehen?

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  • Andy1983 am 27.04.2024 07:22 Uhr / Bewertung:

    Also als aller erstes finde ich ja fast lustig das gerade Bayern jetzt am meisten rumheult das es zu viel Arbeit macht.....kein wunder, hatte und hat bayern ja schon immer die strengsten Gesetze und setzen mit ihrem bußgeldern und verbotszonen ja jetzt noch einen drauf... ja das Gesetz ist unzureichend ausgearbeitet, was uns aber bei dem Gegenwind vorallem aus CDU csu nicht wundern braucht...Wir sollten jetzt halt eben erstmal froh sein das es überhaupt erstmal legal ist,das ist schonmal der richtige Weg...Es muss halt noch nachgebessert werden...das wird aber dank cdu csu immer schön kompliziert gehalten...aber hört auf immer gleich rum zu heulen sondern seid froh das wir was das betrifft auf dem richtigen Weg sind!!! Ich Bau mir jetzt erstmal einen....mfg

  • Perlacher am 26.04.2024 02:41 Uhr / Bewertung:

    Die Ampel-Regierung fordert es geradezu selbst heraus, bei der Bundestagswahl 2025 krachend abgewählt zu werden! Die Bevölkerung Deutschlands ist nicht ganz so dämlich, wie sie von ihrer derzeitigen Regierung eingeschätzt wird!

  • Bluto am 25.04.2024 15:03 Uhr / Bewertung:

    Man darf bei all dem nicht vergessen: Viele Gesetze sind schwammig und unklar und es geht trotzdem.
    Mein liebstes Beispiel: Im eingeschränkten Halteverbot darf man laut Gesetz sein Fahrzeug nur zum direkten be-und entladen abstellen. Abschließen und im Geschäft 5 Min. etwas besorgen wäre schon eine Ordnungswidrigkeit. Trotzdem wird i.d.R. ein 10-Min. Abstellen toleriert.
    Es hat auch nicht jedes Polizeifahrzeug standardmäßig eine Fahrzeugwaage dabei um festzustellen, ob ein LKW überladen ist.
    Es wird so getan, als ob alle Gesetze ständig von der Polizei lückenlos überwacht würden - ich persönlich bin in jetzt fast 50 Jahren Autofahren in genau 4 Alkoholkontrollen gekommen.
    Es sollten sich alle mal ein bisschen locker machen, muss ja nicht mit einem Joint sein!

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