Abschied vom Wiesn-Henker Ringo Praetorius: Warum bei der Beerdigung kein Pfarrer war

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Da sitzt er mit seinen wilden dunklen Locken, dem imposanten Schnauzer, seinem durchdringend-gewitzten Ringo-Gschau, eine Zigarette in der Hand. "Prost sag i", steht auf dem Schwarz-Weiß-Foto.
Seine Liebsten haben es draußen vor dem Friedhofsgebäude am Perlacher Friedhof auf ein Podest gestellt, neben seine Urne. Zu Füßen liegt ein Herz aus Blumen. Keine weißen Rosen und Lilien, wie so oft auf Trauerfeiern. Feurig gelb-orange leuchtet das Herz, gebunden aus Sonnenblumen und Dahlien.

Das hätte ihm wohl gefallen: Hjalmar-Maximilian Praetorius, dem Lebenskünstler, Rebell, Charmeur, Bildhauer, Schankkellner und Christbaumverkäufer – vor allem aber: dem Henker vom Schichtl auf der Wiesn, den die meisten Menschen nur "Ringo" nannten. 40 Jahre hat er beim Schichtl-Schauspiel Menschen geköpft. 15.000 Vorstellungen, was für eine Zahl.

Ringos Wunsch: "Bloß koan Pfarrer!"
Für "heute Vormittag" habe der Ringo sich gewünscht, "dass wir nicht trauern", sagt sein Neffe Michael Praetorius in seiner Rede, "und er hat gesagt: Bloß koan Pfarrer!" Deshalb stehe im Sterbebild auch dieser schöne Ringo-Satz: "Mein Leben, so wie ich es lebe und gelebt habe, das reicht mir. Ich brauche keine Auferstehung. Ein Leben ist genug." Und deshalb sei nun auch keine Orgel zu hören, sondern Blues von der Blueslegende John Lee Hooker.

Dass Ringo Praetorius Stimme Anfang Juli für immer verstummt ist, nimmt die Trauergäste sichtlich mit: seine Witwe Alexandra, die 13 Jahre an Ringos Seite war, seine 92-jährige Stiefmutter Sigrun, Florian Myrus, den Kult-Kassier von der Wiesn-Krinoline. Auch Manfred Schauer ist da, der Wiesn-"Schichtl", zwölf Mitarbeiter seines "Kabinetts" sind mitgekommen. Wie Ringos Freund, der Henkersknecht Andreas Bussmann, der mit Ringo 7000 Hinrichtungen erledigt hat. Von ihm hatte der Verstorbene sich eine Trauerrede gewünscht.

"Ringo war mein Fels in der Brandung."
Und so erzählt Bussmann von Ringos Worterfindungen, vom "Pumakäfig", wie er den engen Raum hinter der Schichtl-Bühne gern genannt hat. Von Ringos Witz und Grant. Und seinem Ansinnen, irgendwann einmal zum Wiener Zentralfriedhof zu fahren, um den Komponisten Franz Lehar selig auszugraben und zu erwürgen. Weil er dessen Dauer-Walzerbeschallung beim Schichtl einfach nicht mehr hören könne. "Ringo", sagt Bussmann, "war mein Fels in der Brandung."

Als Neffe Michael davon spricht, dass Ringo für ihn "der beste Beweis" dafür sei, "dass eine gute Geschichte nicht aus einem Anfang und einem Ende besteht. Sondern aus allem dazwischen, was nicht vorhergesehen war", versagt ihm die Stimme.

Wenig später geben rund 200 Trauergäste Ringos Urne das letzte Geleit zum Familiengrab, wo letzten Sommer auch seine Schwester Evi begraben wurde. Nun öffnet auch der Himmel seine Schleusen.
"Danke für wunderbare 13 Jahre", sagt seine Frau Alexandra. Man kann sich vorstellen, dass Ringo Praetorius da oben auf einer Wolke sitzt, raucht, frech schaut und knurrt: "Prost, sag i."
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