Abkürzung zum Glück
Warum Millionen-Räuber wie Sven Kittelmann oder Ronnie Biggs vielen Menschen sympathisch sind – und es meist doch kein Happy End gibt.
MÜNCHEN Klar darf man nicht stehlen. Das behauptet auch niemand. Und trotzdem: Eine gewisse Faszination üben Bankräuber oder Millionendiebe schon immer auf uns aus. Bonny und Clyde zum Beispiel. Oder Ronnie Biggs. Jetzt stand in München ein Millionendieb vor Gericht: Sven Kittelmann, der gewaltlos 4,1 Millionen Euro an sich brachte – und mit seiner spektakulären Flucht quer durch die Welt die Polizei narrte (AZ berichtete).
Warum erreichen manche Straftäter ein gewisses Maß an Ruhm? Und warum erscheinen sie manchmal gar nicht so unsympathisch? „Ich denke, es liegt daran, dass wir immer wieder von unglaublichen Summen hören, die von einem Depot zum anderen gebracht werden. Und dann schaut man auf den eigenen Lohnzettel und ärgert sich“, erklärt der Sozialpsychologe Heiner Keupp anhand des Falls Kittelmann. „Dann hat einer den Mut – und nimmt sich einfach ein Stück des Kuchens." Es gäbe eine klammheimliche Sympathie für solche Täter. „Weil viele Leute auch schon überlegt haben, wie sie sich einen kürzeren Weg zum Glück suchen könnten.“
Liebling der High Society
Doch von Dauer ist das vermeintliche Glück solcher Straftäter noch nie gewesen: Der Engländer Ronnie Biggs stahl 1963 2,6 Millionen Pfund (heute: 3,2 Millionen Euro) ohne Waffen aus einem Postzug. 1965 wurde er zu 30 Jahren verurteilt, floh nach 15 Monaten, ließ sein Gesicht operieren und setzte sich nach Brasilien ab. In England wurde er zur Legende und in Brasilien zum Liebling der High Society. 2001 stellte sich der kranke Biggs dann doch und sitzt jetzt in einem britischen Gefängnis.
Das Gangster-Pärchen Bonnie Parker und Clyde Barrow mordete und raubte sich durch die USA. 1934 starben sie im Kugelhagel. 1967 erschien der Film „Bonnie and Clyde“ mit Warren Beatty und Faye Dunaway, Serge Gainsbourg sang mit Brigitte Bardot über sie.
„Banklady-Story“
Die deutschen Bankräuber-Brüder Franz und Erich Sass endeten im KZ Sachsenhausen. Jan Zocha, der „König der Bankräuber“, überfiel in 18 Monaten 15 Banken, kam 1989 ins Gefängnis, brach immer wieder aus. Heute sitzt er in Isolationshaft. Die erste deutsche Bankräuberin, Gisela Werner, verübte in den 60er Jahren 19 Überfälle. Ihre Geschichte wurde als „Banklady-Story“ 1999 verfilmt. Sie starb 2003 in Hamburg – arm.
Sven Kittelmann ist am Montag in München zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Rund 3,5 Millonen Euro der Beute hat er noch irgendwo versteckt. Die Geschichte des Millionendiebs ist noch nicht vorbei.
J. Lenders/T. Gautier