28 Jahre "David gegen Goliath" - eine Dokumentation
Ein spezielles Stück Münchner Zeitgeschichte ist jetzt in einem Buch festgehalten worden. Der Titel: "Anleitung zum Einmischen".
München - Der Umschlag ist grellgelb, die Botschaften im Inneren wechseln von schrill bis nachdenklich. „Anleitung zum Einmischen“, heißt ein lesens- und nachblätterwertes Buch, das die Geschichte der Bürgerbewegung „David gegen Goliath“ dokumentiert – und damit ein Stück Münchner Zeitgeschichte illustriert.
David gegen Goliath? Nicht alle haben diese Organisation noch im Blick. Dabei zählt sie zu den interessantesten und, ja, auch skurrilsten Erscheinungen der vergangenen Jahrzehnte in dieser Stadt. Gegründet nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl, beseelt von der Idee, das damals vorherrschende Gefühl der Ohnmacht in aktives Handeln zu verwandeln.Sich zu engagieren, sich einzumischen, sich nicht alles gefallen zu lassen.
Schnell entwickelte sich DaGG vom Protestbündnis in eine Bewegung, die konstruktiv, höchst phantasievoll und zuweilen auch völlig abgefahren ihre Vorstellungen präsentierte: Vom „Solartag“, bei dem tausende Münchner die merkwürdigsten Solarmobile bestaunen konnten, über Aktionen gegen bösen Genmais bis hin zum „aktiven Pflanzenschutz“, der sich unter anderem darin manifestierte, dass DaGG-Gründer Bernhard Fricke tagelang einen zur Fällung vorgesehenen Baum besetzte.
All diese Aktivitäten sind in dem gelben Bändchen nachzulesen, alle Presseerklärungen, alle Zeitungsartikel sind dokumentiert. Für Münchner, die die Stadtpolitik in den vergangenen Jahren ein wenig mitverfolgt haben, ist manches sympathische Deja-vu dabei. Und manche DaGG-Aktion – wie der Stadtrats-Antrag auf „gemeinsames Lachen“ vor den Sitzungen – lässt den Leser mit einem Lächeln an vergangene Münchner Jahre zurückdenken. In der Rückschau wirkt vieles plötzlich weniger verbiestert und missionarisch, als man das damals empfunden hat.
Kein Zweifel: „David gegen Goliath“ ist auch ein Beispiel dafür, wie man mit Humor und Leichtigkeit an große, existenzielle Fragen herangehen kann. Das liegt natürlich in erster Linie an Bernhard Fricke, einem gelernten Rechtsanwalt, der in München seit Ewigkeiten wahlweise den Ruf eines genialen politischen Aktivisten oder eines Spinners auf dem Egotrip genießt. Fricke wäre nicht Fricke, wenn nicht auch in der DaGG-Dokumentation vor allem einer vorkäme: er selbst. Reflektionen, Interviews, Visionen...
Man kann sich darüber leicht lustig machen, weil Fricke seine Gedanken stets im Vokabular des Visionären, beinahe Transzendenten formuliert. Weil viele seiner Reflektionen und Erfahrungen naiv und realitätsfern klingen. Man würde dabei aber zwei Dinge übersehen: Erstens sind viele seiner Ideen und Gedanken äußerst klug. Und zweitens – und das ist das sympathische und auch ein bisschen bewundernswerte an diesem Mann – weigert sich Fricke einfach, den gängigen politischen Mechanismen zu folgen. Mit allen Risiken.
Es ist ihm egal, wenn sich die Menschen über sein berühmtes Schaf Seraphina amüsieren oder darüber spotten, wie er die letzten Momente im Leben seines Huhns „Liberty“ beschreibt: „Kurz vor ihrem Ende öffnete sie noch einmal ganz weit die Augen, schaute sich erstaunt um und trat dann die Reise über den Regenbogen an.“ Ob Mensch oder Huhn, ob Sonnenstrahlen oder „unsere Pflanzenmitgeschöpfe“: Für Fricke und seine Mitstreiter ist alles eins, ist alles gut und schützenswert.
Es ist deshalb schlüssig, wenn sie ihrer Dokumentation ein Zitat des russischen Anarchisten Michail Bakunin voranstellen: „Diejenigen, die immer nur das Mögliche fordern, erreichen gar nichts. Diejenigen, die aber das Unmögliche fordern, erreichen wenigstens das Mögliche.“
„Anleitung zum Einmischen“ kann über den Verlag „Seitenweise“ oder direkt über die DaGG bestellt werden und kostet 18 Euro.
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