2 Tage, 7 mal umsteigen

Am Hauptbahnhof und am Flughafen kommt der Verkehr nur ganz langsam wiederin die Gänge
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Alex Fall (29) und Neel Pinto (30) warten seit fünf Tagen auf ihren Flieger
Daniel von Loeper Alex Fall (29) und Neel Pinto (30) warten seit fünf Tagen auf ihren Flieger

Am Hauptbahnhof und am Flughafen kommt der Verkehr nur ganz langsam wiederin die Gänge

Amiri Nader ist das Geschäft seines Lebens durch die Lappen gegangen. Es war am Wochenende, als zwei Norddeutsche ihn fragten, ob er sie nach Hause fahren könnte. Doch das Geschäft scheiterte: „1200 Euro zu zweit, das war den beiden zu teuer“, sagt Nader. Also ist der 39-Jährige heute nicht in Hamburg, sondern wartet mit dutzenden anderen Fahrern in der Arnulfstraße auf Kunden.

Die Stimmung unter den Taxlern vor dem Hauptbahnhof ist gedrückt. „Wir haben wegen der Bauma mit vielen Kunden gerechnet“, erklärt Nader. Stattdessen kommen viele Messebesucher wegen der Aschewolke am Himmel überhaupt nicht nach München. „Hoffentlich ist das Flugverbot bald vorbei“, sagt Amiri Nader, die umstehenden Taxler nicken zustimmend. Ein anderer wird deutlicher: „Das Geschäft ist uns versaut. Warum verschiebt die Stadt die Bauma nicht um eine Woche?“

Eine Taxifahrt kommt für Uliana Bogomolova nicht in Frage. Sie steht am Ticketschalter der Bahn im Hauptbahnhof an. „Ich muss mit meinem Mann nach Moskau“, erzählt die Russin. „Mein Mann hat am Donnerstag ein Meeting, dass er nicht verpassen darf.“ Im Internet hat Bogomolova eine Zugverbindung gefunden: Ab München in 48 Stunden nach Moskau, mit sieben Mal umsteigen. „Hoffentlich bekommen wir einen Platz!“ Viele Zugverbindungen sind seit Tagen ausgebucht.

Ein paar Meter weiter sind drei Angestellte der Deutschen Bahn sichtlich bemüht, Ordnung in die Situation zu bringen. Sie passen auf, dass Ins Reisezentrum der Deutschen Bahn nur Kunden kommen , die ins Ausland wollen. „Ticktes für alle innerdeutschen Verbindungen können Kunden an den Automaten kaufen“, erfahren die Reisenden. Die Stimmung ist hektisch, es bewegt sich etwas.

Ganz anders das Bild am Flughafen: Im sonst so hektischen Flughafengebäude herrscht Stillstand. Am Abend wird seit 96 Stunden kein Flugzeug mehr gestartet sein.

Alex Fall aus Wien wälzt sich auf seinem Feldbett von einer Seite auf die andere. Fünf Tage hat der Senegalese den Münchner Flughafen nicht verlassen. Die meiste Zeit schlafe ich“, sagt der 30-Jährige und man versteht ihn nur schwer, weil er seinen Kopf in seinen Ellbogen kuschelt. „Ich bin die ganze Zeit müde.“ Am Donnerstag wollte er nach Brüssel fliegen, Urlaub in Belgien machen. Jetzt verstreichen nach und nach seine Urlaubstage. Einen Zug nach Wien hat er nicht bekommen und einen Mietwagen kann er sich nicht leisten. Ganz ähnlich geht es seinem Bettnachbarn und Leidensgenossen Noel Pinto aus Lissabon. Die beiden neuen Freunde erklären: „Am Anfang haben wir uns noch einen Kaffee geleistet, aber das geht ja nur ins Geld.“ Also bleiben die beiden liegen, bis sie vom Flughafenpersonal neue Informationen bekommen.

Hektik dagegen bei Familie Somchay aus Thailand, die zurück nach Bangkok will. Elf Männer und Frauen stehen im Kreis, diskutieren lautstark. „Wir haben gerade erfahren, dass sechs von uns Dienstagabend von Rom aus fliegen können“, erklärt Phlaphongphphnit Somchay. „Jetzt ist die Frage: Wie kommen Sie dorthin?“ Sein Flug war für den Vortag gebucht, die letzte Nacht verbrachte er im Hotel. Der Preis: 275 Euro. „Da werden wir ja arm“, ärgert sich der Thailänder.

Wer übrigens glaubt, dass die Nachricht von der Aschewolke mittlerweile jede winzige Ecke des Kontinents erreicht haben müsste, irrt. Familie Wood aus Australien fuhr am Montag im festen Glauben zum Flughafen, dass sie heute in den Flieger nach Dubai steigen könnten. „Wir waren 18 Tage im Wohnmobil quer durch Europa unterwegs. Ohne Internet und Fernseher“, erzählt Emma Wood und streichelt ihrer müden Tochter Adelaide die Stirn. Die Suche nach einem Hotel war bislang erfolglos. Ein Zimmer mit Doppelbett wurde ihnen an der Information im Flughafen angeboten. Zu klein für sechs Leute. „Jetzt müssen wir sehen, wo wir übernachten können“, sagt Wood. Ihr Ehemann und ihr Schwiegervater sind vor kurzem mit der S-Bahn in die Innenstadt gefahren und auf der Suche nach einem Hotel.

Ob und wie lange Familie Wood und die anderen gestrandeten Flugpassagiere noch auf die Abreise warten müssen, war am Montagnachmittag schwer vorherzusehen. Ab der Mittagszeit machte ein Gerücht die Runde: In den nächsten Stunden sollen erste Flieger in München starten und landen. Als erstes startete ein Air-Berlin-Jet aus Mallorca nach München. Im Laufe des Abend sollen erste Interkontinentalmaschinen der Lufthansa mit Passagieren abheben.

Gute Nachrichten also für die gestressten Gestrandeten am Airport. Auch wenn nicht der Erste sein kann, der den Flughafen auf dem Luftweg verlässt.

Vanessa Assmann

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