190000 Münchner krank vom Krach

Der Geräusch-Atlas zeigt: Obwohl die Stadt bereits seit über 30 Jahren mit zahlreichen Lärmschutzmaßnahmen dem Krach zu Leibe rückt, sind rund 15 Prozent der Einwohner einer Lärmbelastung von über 60 Dezibel ausgesetzt..
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An der Donnersberger Brücke werden Spitzenwerte erreicht.
Mike Schmalz An der Donnersberger Brücke werden Spitzenwerte erreicht.

Der Geräusch-Atlas zeigt: Obwohl die Stadt bereits seit über 30 Jahren mit zahlreichen Lärmschutzmaßnahmen dem Krach zu Leibe rückt, sind rund 15 Prozent der Einwohner einer Lärmbelastung von über 60 Dezibel ausgesetzt..

Von Daniel Aschoff

Der Lärm dringt tiefblau in die Stadt hinein. Lässt Freimann beben, verfärbt die Münchner Freiheit rot, erreicht die Donnersberger Brücke und die Prinzregentenstraße. Gelber und grüner wird es nur dort, wo Gebäude den Verkehrs-Krach abschirmen und die weiten Parkanlagen die Schallwellen behutsam auslaufen lassen: So sieht München aus – wenn man es akustisch betrachtet.

Das Münchner Referat für Umwelt und Gesundheit hat rund 630 Kilometer Straßen und 80 Kilometer Schienennetz auf Krach untersucht und daraus die neueste Lärmkarte der Landeshauptstadt erstellt. Insgesamt konnte der Lärmpegel für 131000 Wohnhäuser, Schulen und Krankenhäuser bestimmt werden.

Die Ergebnisse sind erschreckend: Obwohl die Stadt bereits seit über 30 Jahren mit zahlreichen Lärmschutzmaßnahmen dem Krach in München zu Leibe rückt, sind rund 15 Prozent der Einwohner einer Lärmbelastung von über 60 Dezibel ausgesetzt. „Das ist der Wert, ab dem der Blutdruck steigt, die Herzfrequenz zunimmt und damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen drohen“, erklärt Lärm-Experte Peter Hammelbacher vom Präventionsdienst der Berufsgenossenschaft Metall. Im Klartext: Über 190000 Münchner macht Lärm auf Dauer krank.

Noch schlimmer trifft es 101000 Menschen, die einer Lärmbelastung von über 65 Dezibel ausgesetzt sind. Bei drei Prozent der Münchner, rund 41000 Einwohnern, liegt der Straßenverkehrspegel sogar bei über 70 Dezibel – ein Wert, der einem lärmenden Rasenmäher aus nächster Nähe entspricht.

Die höchsten Schallimmissionen wurde für den Mittleren Ring und die Zu- und Auffahrten der Autobahnen ermittelt. Hier sind sogar Werte von über 80 Dezibel möglich. Erstaunlicherweise sind auch Münchens Erholungsgebiete nicht frei vom Krach. Der Englische Garten ist mit rund 50 Dezibel alles andere als ein Ort der Ruhe.

Auch deshalb hat die Landeshauptstadt längst einen Aktionsplan erstellt. „Dabei setzen wir vor allem auf Nachhaltigkeit“, erklärt Karl-Heinz Worthmann vom Gesundheitsreferat. Geplant werden Maßnahmen der Verkehrslenkung, bauliche Lösungen, aber auch weitere Durchgangsverbote. In Riem wurden zudem verkehrsberuhigte Quartiere für Familien geschaffen. Rund 200 Erwachsene und 80 Kinder leben dort mittlerweile in einem gänzlich autofreien Wohngebiet. Doch selbst sie können sich nicht dauerhaft dem Krach der Stadt entziehen: „Vor allem in der Innenstadt werden die Lärm-Zeiten immer länger“, weiß Gunhild Preuß-Bayer, die heute im Gesundheitsladen den „Tag gegen Lärm“ veranstaltet.

Auf bis zu drei Stunden habe sich die Rush Hour morgens und abends mittlerweile ausgeweitet: „Früher lärmte der Berufsverkehr höchstens eine Stunde.“

Die Folgen sind dramatisch: Mit 31 Prozent ist „Lärmschwerhörigkeit“ heute die häufigste Berufserkrankung in Deutschland. Dauerlärm führt zu Stress, psychosomatischen Problemen und kann sogar die Gedächtnisleistung verschlechtern.

Umso erstaunlicher ist es, dass viele Jugendliche sich noch immer absichtlich einer hohen Lautstärke aussetzen. Als Lärm-Experte Hammelbacher vor kurzem den Ipod eines Jugendlichen in München überprüfte, stellte er eine Lautstärke von 117 Dezibel fest – den Wert eines Presslufthammers.

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