155.000 Menschen feiern den CSD: So schrill und bunt war der Christopher Street Day in München - München - Abendzeitung München
Rund 155.000 Menschen haben in München den Christopher Street Day (CSD) gefeiert - trotz Regen. OB Dieter Reiter (SPD) machte eine Ansage.
München - CSD an diesem Samstag in München. 155.000 Menschen waren da - trotz Regen! Allein an der Politparade des Christopher Street Days in der Münchner Innenstadt nahmen rund 15.000 Menschen teil. Und rund 140.000 Menschen sahen zu. Die Parade bildet - zusammen mit dem CSD-Straßenfest am Samstag und Sonntag - den Abschluss der Münchner "PrideWeek".
OB Dieter Reiter: Schwule und lesbische Ampelmännchen bleiben
OB Dieter Reiter (SPD) sagte beim CSD am Samstag: "Wir haben viel erreicht, aber wir sind noch lang nicht am Ende unseres Weges." Er betonte: "Wir haben heuer zum ersten Mal Regenbohnenflaggen am Rathaus, weil auch im Rathaus noch viel passieren muss."
Der OB kündigte an: "Die schwulen und lesbischen Ampelmännchen werde ich dieses Jahr einfach dranlassen. Mal schauen, ob mich die bayerische Staatsregierung zwingen wird, sie wieder abzuhängen. Da bin ich wirklich gespannt."

Reiter machte beim CSD auch darauf aufmerksam, dass es erstmals einen Stand der Bundespolizei beim CSD gibt. "Da frage ich mich aber schon, weshalb die Münchner Polizei hier nicht dabei ist."

Der CSD am Samstag war nach den Angaben der Veranstalter ein "Riesenerfolg" - auch wenn es wetterbedingt weniger Besucher waren als im Vorjahr. "Wir haben nichts geschenkt bekommen, wir haben als Community alles erkämpft", sagte der politischer Sprecher des CSD, Thomas Niederbühl am Samstag in München. "Wir wollen ein neues Transsexuellengesetz ohne Bevormundung. Und wir wollen für lesbische Paare, dass wenn eine Mutter wird, die andere automatische die Mutter ist. Aufhören muss auch die Konversionstherapie. Homosexualität ist keine Krankheit, da muss man nichts heilen." Und er fordert geschützte Unterkünfte für LGBTI*-Geflüchtet. "Und zwar jetzt!"
CSU-Wagen wurde blockiert - Polizei kontrolliert Teilnehmer
Die Parade verlief insgesamt bunt und friedlich. Doch am Nachmittag kam es nach Angaben von OB-Kandidat Thomas Lechner (Die Linke) zu einem Zwischenfall, wo etwa zehn Polizisten etwa acht bis zehn junge Teilnehmer der Parade an die Wand gestellt, abgetastet und ihre Personalien aufgenommen hätten. Thomas Lechner wollte als Zeuge dabei bleiben, habe aber einen Platzverweis bekommen. Thomas Lechner sagt, die Polizei habe ihm erklärt, die jungen Leute hätten den CSU-CSD-Wagen blockiert. "Ich finde es in Anbetracht von 50 Jahre Stonewall Wahnsinn, was die Polizei da macht. Die Sitzblockade war ein demokratisches Mittel", sagt Lechner.
Das Motto "50 Jahre Stonewall - Celebrate diversity! Fight for equality!" erinnert an die sogenannten "Stonewall Riots". Beim Stonewall-Aufstand von 1969 setzten sich in der New Yorker Christopher Street LGBTI* in der Bar Stonewall Inn offensiv gegen polizeiliche Willkür und Diskriminierung zur Wehr.
Auf Nachfrage der AZ hat ein Sprecher der Polizei eine Kontrolle im Tal von mehreren Personen bestätigt. Hintergrund sei ein Wagen der CSU gewesen, konkret von der Gruppierung "Lesben und Schwule in der Union" (LSU), der zuvor - einmal im Bereich der Theatinerstraße und einmal im Bereich des Lenbachplatzes - blockiert worden sei. Die Personen, die diesen Wagen blockiert hätten, habe man später im Tal entdeckt und ihre Personalien festgestellt, sie nach der Kontrolle aber wieder entlassen. Einen Platzverweis konnte die Polizei in dem Zusammenhang zunächst nicht bestätigen.
CSD-Parade in München mit rund 140 Fußgruppen und Fahrzeugen
Die bunte Parade ging vom Marienplatz zum Stachus, Sendlinger Tor, Gärtnerplatz und Isartor und wieder zurück zum Marienplatz - es ist die größte Demonstration von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*- und inter*geschlechtlichen Menschen (LGBTI*) im süddeutschen Raum.
Die Motorradlesben von Dykes on Bikes führten die CSD-Parade an. In diesem Jahr waren insgesamt rund 140 Fußgruppen und Fahrzeuge angemeldet. Knapp 60 Wagen von Firmen, Parteien und Vereinen nahmen teil.

CSD München als Politparade
Auch die "Deutsche Eiche" war beim CSD mit einem politischen Wagen vertreten, der Diskussionsstoff bot. Die kritische Botschaft: Mit einem Galgen, an dem ein Bild aufgehängt ist, das die Hinrichtung zweier siebzehnjähriger homosexueller Iraner zeigt, werde gegen die Todesstrafe in immer noch 13 Ländern demonstriert. Mit Brunei sei sogar noch ein weiterer Staat hinzugekommen. "Solche Länder sollte man boykottieren", so der Aufruf des Szenehauses "Deutsche Eiche". Die Veranstalter des CSD hatten mit dem Bild kein Problem, sondern erklärten den Wagen zum "wichtigen Zeichen auf einer politischen Veranstaltung".

Der CSD steht weltweit für das Selbstbewusstsein Homosexueller und ihren Widerstand gegen Diskriminierung.


Heuer wurde der CSU-Wagen vorübergehend wieder von Aktivisten blockiert. Auch 2018 gab es bei der CSD-Parade eine Blockade eines CSU-Wagens.
Die Forderungen der "Rainbow Refugees" wurde von allen Rednern auf der Bühne am Marienplatz besonders hervorgehoben. Die Initiative fordert mehr Unterstützung auch für homosexuelle Flüchtlinge.

Auch viele Firmen wollten anlässlich des CSD ein Zeichen setzen.

Die bunte CSD-Parade in München. OB Dieter Reiter (SPD) war beim Start mit dabei.

Und auch der FC Bayern bekennt Farbe: Beim Christopher Street Day in München unterstütze der Deutsche Meister den Fanclub "Queerpass Bayern". Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hatte laut Mitteilung betont: "Wir wollen mit unserem Fanclub 'Queerpass' immer wieder Zeichen für Toleranz und Vielfalt, gegen Rassismus und Homophobie setzen. Fußball sei "ein verbindendes Element, und wir als weltoffener Klub wollen unseren Beitrag leisten."
Am letzten Spieltag der vergangenen Saison hatte der Rekordmeister bereits alle Eckfahnen der Allianz Arena in Regenbogen-Farben aufstellen lassen.

Am Vormittag gab es viele politische Botschaften auf der CSD-Bühne am Marienplatz.

"Black, female, trans and Sexworkers waren die ersten, die in New York bei Stonewall gegen Unterdrückung protestiert haben" sagte Ex-CSD-Sprecherin Rita Braaz, die bei der Gay Pride in New York war. "Während wir in New York vor 4 Millionen Menschen marschiert sind, wurden Menschen bei Gay Pride in Istanbul niedergeknüppelt und angegriffen. Ich stehe hier nicht nur als weiße Lesbe, ich stehe für alle Minderheiten ein." Tosender Applaus für die emotionale Rede, die sie mit erhobener Faust gehalten hat.

Politischer Auftakt am Marienplatz
Den politischen Auftakt auf der Bühne vor dem Rathaus wollten viele Münchner nicht verpassen.
Den Auftakt machte Michael Mattar (FDP): "Wir haben viel erreicht, aber nicht alles, zum Beispiel für Transmenschen. Und wir müssen das, was wir erreicht haben, auch erhalten. Die Freiheit wird von Rechten bedroht." Mattar weist wie Rita Braaz auf eine Petition des Sub hin für den besseren Schutz von geflüchteten LGBTI*.
"Wir stehen an der Seite von LGBTI*-Geflüchteten" sagte Christian Vorländer (SPD). Und kündigt an, dass die SPD die Aufklärungsarbeit an Schulen voranbringen will, da sich gezeigt hat, dass die Diskriminierung dort immer noch enorm ist.
Dominik Krause (Grüne): "Jeder von uns hat seine Geschichte, jeder von uns hat sein Coming-Out. Darauf können wir stolz sein und wir können stolz darauf sein, was wir als Gemeinschaft erreicht haben."
Kritik gab es in Richtung CSU: "Es ist unerträglich für mich, dass die CSU am CSD teilnimmt. Die CSU schiebt gerade unsere Freundinnen und Freunde ab", sagte Stefen Jagel (die Linke).
OB-Kandidatin Kristina Frank (CSU) betonte unterdessen - auch mit Verweis auf die erneute Kritik an der CSU-Teilnahme beim CSD: "Toleranz und Weltoffenheit kennen keine Hautfarbe und auch kein Geschlecht. Toleranz ist aber auch keine Einbahnstraße. Und deswegen appelliere ich an alle, das Gemeinsame im Auge zu behalten - gerade an einem Tag wie heute."


So führte die Parade durch die Münchner Innenstadt.

"Wir wünschen allen Teilnehmern einen bunten #CSD und hoffen dass das Wetter mitspielt", twitterte die Polizei vorab. Leider begann es später zu regnen.
Teilnehmerin Nina verteilte am Marienplatz "Free Mom Hugs" an LGBTI*, die von ihren Eltern verstoßen wurden und alle anderen, die eine Umarmung brauchen. "Viele erzählen mir dann ihre Geschichte, wie ihre Eltern mit ihnen gebrochen haben", sagt Nina. Die Bewegung kommt aus den USA, wo Eltern bei der Pride mit eben solchen Schildern mitlaufen.

Das ist beim CSD in München noch geboten - die Highlights:
Partyarea beim CSD in München
Obacht, die CSD-Partys finden heuer am Unteren Anger Ecke Klosterhofstraße statt. Hier legen am Samstag von 12 bis 24 Uhr und am Sonntag von 11 bis 22 Uhr zum Beispiel DJ Cambis und Toni Barrientos oder DJ noé auf.
CSD-Showbühne
Die Mischung auf der Bühne am Marienplatz ist wild wie der CSD: Musik, Shows und Politik. Den Auftakt machen Stadträte am Samstag um 11 Uhr, um 19.35 Uhr sprechen Gäste aus Kiew, die von Unterdrückung in der Ukraine berichten. Und um 21.30 Uhr tritt Netta auf, die Eurovision-Song- Contest-Siegerin von 2018 aus Israel.
Am Sonntag wird ab 11 Uhr aufgelegt. Um 17.15 Uhr beginnt der legendäre Pumps Race, bei dem Grazien in mindestens sechs Zentimeter hohen Schuhen und aufregenden Outfits ihre Treffsicherheit beim Handtaschenwerfen und ihren Mut beim Karaoke-Singen beweisen – unter den strengen Augen von AZ-Redakteurin Jasmin Menrad, die in der Jury sitzt.
Münchner Rathaus Clubbing
Die Karten sind begehrt und längst verkauft – bis auf ein Restkontingent, das zurückgehalten wurde. Diese Tickets werden zu 28 Euro am Samstag ab 11 Uhr am CSD-Infopoint beim Fischbrunnen auf dem Marienplatz verkauft. Vom klassischen Paartanz über Technoparty bis Schlager dürfte für jeden Feiernden die passende Party dabei sein.
Kulturbühne
Die Kulturbühne auf der Kaufingerstraße auf Höhe Augustinerstraße legt den Fokus auf queere Kultur und Politik: Am Samstag um 16 Uhr zum Beispiel "Fetisch – zwischen Liebe, Lust und Politik" mit dem Talk mit Bavarian Mr. Leather 2019. Oder am Sonntag um 17 Uhr der Liedermacher, Kabarettist und schwule Vater Thomas Mack.
Familien beim CSD
Familie ist da, wo Kinder sind – egal, ob die Eltern schwul, lesbisch oder hetero sind. Ab 12 Uhr informieren auf dem St.-Jakobs-Platz Stände über Familienmodelle, die von der vermeintlichen Norm abweichen. Ab 14.30 Uhr können Kinder sich auf der Hüpfburg oder beim Spielangebote von Mobilspiel e.V. austoben.
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