150 Bäume sollen für Bau der Tram-Nordtangente in München gefällt werden: Aufstand der Anwohner

Riesen-Ärger in München: Für den Bau der Tram-Nordtangente in Johanneskirchen sollen Bäume gefällt werden. Die Anwohner protestieren dagegen, 150 sind bei einer Info-Veranstaltung dabei. Wie die MVG die Pläne verteidigt.
von  Guido Verstegen, Julia Wohlgeschaffen
So könnte die Kreuzung Cosimastraße Johanneskirchner Straße aussehen.
So könnte die Kreuzung Cosimastraße Johanneskirchner Straße aussehen. © Visualisierung: MVG

Johanneskirchen - Am Ende der Veranstaltung habe es zwar Handschläge und höfliche Verabschiedungen gegeben, aber wirklich zufrieden sei keiner der Anwohner nach Hause gegangen. Das sagt zumindest Andreja Ruppert über die Info-Veranstaltung zur Tram-Nordtangente in Johanneskirchen am Donnerstag.

"Die Bürger waren am Ende sehr ratlos und traurig", so die 61-Jährige. Sie lebt selbst seit 35 Jahren in diesem Stadtteil – und hält von dem Vorhaben der Stadt, für das knapp 150 Bäume gefällt werden müssen, nichts.

Nordtangente: 150 Bäume sollen gefällt werden, den Anwohnern gefällt das nicht

Der konkrete Plan: Die Trasse soll durch die Johanneskirchner Straße zum S-Bahnhof Johanneskirchen führen. Hier soll eine Wendeschleife für die Trambahn samt Bushaltestellen entstehen.

Das Ziel: "Die zirka ein Kilometer lange Strecke sorgt für eine deutliche Verbesserung im ÖPNV: Fahrgäste haben über die S-Bahn-Station Johanneskirchen eine gute Anbindung ans Umland und kommen mit der S8 bequem zum Flughafen. Zudem besteht die Möglichkeit, die Tramlinie später nach Osten zu erweitern – nach einem möglichen viergleisigen Ausbau der Bahnstrecke Daglfing – Johanneskirchen", heißt es seitens der MVG.

Im Juli 2022 hatte der Stadtrat die Stadtwerke und die Stadtverwaltung damit beauftragt, die Planungen für die Tram-Nordtangente im Abschnitt Johanneskirchen abzuschließen und die Baugenehmigung bei der Regierung von Oberbayern einzureichen. Doch endgültig beschlossen ist der Plan noch nicht.

Nordtangente: Bauvorbereitende Maßnahmen starten im September

"Das Planfeststellungsverfahren läuft noch", erklärt Maximilian Kaltner, der Pressereferent der MVG. Dennoch werden die bauvorbereitenden Maßnahmen bereits im September dieses Jahres beginnen. Das bedeutet, dass Versorgungsleitungen im Boden neu verlegt werden und das Baufeld für den Gleisbau vorbereitet wird. Und es bedeutet auch, dass mindestens 145 Bäume entfernt werden müssen.

"Es ist ein übliches Verfahren, dass Vorbereitungsmaßnahmen getroffen werden, auch wenn der Bescheid des Planungsfeststellungsverfahrens noch nicht da ist", erklärt Kaltner. Anwohnerin Andreja Ruppert kann das nicht nachvollziehen.Sie und rund 150 andere Anwohner sind am Donnerstagabend zur Info-Veranstaltung der MVG im Pfarrsaal St. Thomas in der Cosimastraße gekommen. "Niemand hat sich positiv geäußert", sagt die Anwohnerin nach der Veranstaltung. "Es kamen nur kritische Fragen."

Bau der Nordtagente: Für 89 gefällte Bäume müssen Ersatzpflanzungen erfolgen

Auch Maximilian Kaltner war vor Ort und bestätigt, dass es sehr emotional zuging: "Wir haben gemerkt, dass vor allem die Baumfällungen den Anwohnern nahe gehen", so der Pressereferent der MVG. Das erlebe er häufig bei Maßnahmen dieser Art.

Die Fällungen seien vom Referat für Gartenbau und der Unteren Naturschutzbehörde genehmigt worden. 34 Bäume werden demnach im Oktober gefällt, die restlichen Bäume voraussichtlich zum Jahreswechsel 2024/2025. Kaltner betont allerdings: "Insgesamt fallen 89 Bäume unter die Münchner Baumschutzverordnung. Für diese müssen Ersatzpflanzungen erfolgen." Man pflanze aber 50 Bäume mehr, also würden insgesamt 139 Bäume neu gepflanzt. Die bauvorbereitenden Maßnahmen sollen bis Ende 2024 abgeschlossen sein, danach soll mit dem Bau begonnen werden. Die Inbetriebnahme sei für Ende 2025 vorgesehen.

Andreja Ruppert argumentiert: "Abgesehen davon, dass so das Habitat zum Beispiel von Vögeln, Fledermäusen, Eichhörnchen und Insekten zerstört wird, ist uns bislang niemand begegnet, der den Sinn dieses Projekts versteht, zumal es sehr gute Busverbindungen zum S-Bahnhof Johanneskirchen gibt, der von der Deutschen Bahn außerdem nicht vor dem viergleisigen Ausbau der Strecke barrierefrei umgebaut werden wird."

Zudem solle die deshalb notwendige Wendeschleife nur temporär betrieben und nach dem Ausbau der S-Bahn wieder zurück gebaut werden: "Das wird immens teuer!"

SWM und MVG halten das Projekt für notwendig

Mit der Info-Veranstaltung wollten die SWM und die MVG die Notwendigkeit des Projekts verständlich machen und den Bauablauf erklären, so Kaltner. Aber Andreja Ruppert findet, dass die falschen Ansprechpartner vor Ort waren.

Die Stadtwerke seien ja nur die ausführende Partei. "Die Veranstalter konnten vor allem die detaillierten Fragen nicht beantworten, etwa die nach Kosten und Nutzen", findet Ruppert.

Nordtangente sorgt für Unmut: "Das Problem ist das nicht komplett durchdachte Projekt"

Kaltner hält dagegen und sagt, dass man offene Fragen sammeln würde und im Nachgang beantworten würde. Trotz all des Unmuts über die Pläne lobt Andreja Ruppert zumindest eine Tatsache: "Die Vertreter der Stadtwerke und der MVG haben sich viel Zeit für Gespräche genommen", sagt sie. Aber sie bleibt dabei: "Das Problem ist das nicht komplett durchdachte Projekt."

Kaltner sagt: "Die Stadt wächst und man muss das große Ganze sehen: Wir wollen nicht vermehrt Staus und müssen den Öffentlichen Nahverkehr ausbauen." Die Leute seien grundsätzlich oft für das große Ziel dahinter, aber eben nicht, wenn etwas vor der eigenen Haustür passiere. "Die Fällung der Bäume steht aber gar nicht mehr zur Debatte. Die Beschlüsse gibt es schon seit einem Jahr."

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