120 Erkrankte gesucht: Neue Studie zu Leben mit Demenz

Mit Hilfe von kleinen Schleichtieren und Spielzeugfrüchten aus Plastik können schwere Symptome gemildert werden – das wollen Alzheimer-Forscher der LMU belegen. Für eine neue Studie sind noch viele Plätze frei. Auch Angehörige profitieren.
von  Nina Job
Prof. Robert Perneczky mit Soziologin Pia Heindl (l.) und Gerontologin Elisabeth Feustel.
Prof. Robert Perneczky mit Soziologin Pia Heindl (l.) und Gerontologin Elisabeth Feustel. © G. Bieber/Johanniter

München - Wenn ein Mensch an Demenz erkrankt, ist das sowohl für die Betroffenen als auch für die nächsten Angehörigen extrem belastend. Mit fortschreitender Erkrankung brauchen die dementen Patienten intensive Betreuung, ihre Persönlichkeit verändert sich stark.

"Medizinisch kann man bislang recht wenig machen"

Symptome wie Depression, Teilnahmslosigkeit, Aggression, Schlafstörungen, Wahnvorstellungen, Ängste und enthemmtes Verhalten sind häufige Symptome. "Medizinisch kann man bislang recht wenig machen", sagt Professor Robert Perneczky, Leiter des Alzheimer Therapie- und Forschungszentrums (ATFZ) der LMU.

Zwar gebe es Neuroleptika, die ursprünglich gegen Schizophrenie entwickelt wurden, die Nebenwirkungen seien aber oft gravierend, teils auch lebensverkürzend. "Der Stand der Wissenschaft ist, dass es eigentlich nichts gibt ", so der Psychiater.

Die Stimulierung der Sinne kann helfen

Doch: Es gibt positive Erfahrungen mit der Stimulierung der Sinne. Mit der nicht-medikamentösen Studie "DemSense" (Dem für Demenz, Sense für Sinne) kann der Umgang mit Gefühlen verbessert werden. Dafür werden die Sinne Hören, Riechen, Schmecken, Sehen und Fühlen und Erinnerungen aktiviert – ein verhaltenstherapeutisches Verfahren, das ursprünglich für Borderline-Patienten entwickelt wurde.

Ziel ist es, starke Emotionen zu reduzieren und Stresstoleranz aufzubauen. Die Wirksamkeit ist wissenschaftlich bestätigt.

Methodik aus Singapur

In Singapur wurde diese Therapie speziell für Demenzkranke angepasst. Zum Einsatz kommt dabei eine Wandtafel mit kleinen Tierfiguren und Miniaturfrüchten aus Plastik. "Allerdings gibt es wenige Studien dazu, die meisten entsprechen nicht den wissenschaftlichen Standards", sagt Robert Perneczky.

Münchner Forschungsteam arbeitet an Studie

Das will das Münchner Forschungsteam um den Uni-Professor nun ändern. Anfang November startet in Zusammenarbeit mit der Johanniter-Unfall-Hilfe in deren Räumen in Giesing eine neue Studie. Statt Mini-Stinkfrüchten wie in Asien kommen hier nun zum Beispiel Spielzeug-Bananen und -äpfel zum Einsatz. Auch Schleichtiere – kleine Bauernhof- oder Zootiere –, wie sie wohl jeder aus seiner Kindheit kennt, werden verwendet.

"Das ist kein akademischer Firlefanz"

Sie sind mit Magneten versehen und können auf der Tafel beliebig versetzt werden. Zusätzlich werden Geräusche wie Kuhglockengeläut oder Tierlaute vorgespielt. "Das ist kein akademischer Firlefanz, sondern ganz nah an den Bedürfnissen der Patienten", sagt der Arzt. Sein Ziel: zufriedenere Demenzerkrankte und weniger belastete Angehörige. Diese haben die Möglichkeit, währenddessen an einer Coaching-Gruppe teilzunehmen, in der es Hilfe gibt bei der Bewältigung schwieriger Situationen im Alltag.

Zweijähriges Projekt

Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt. Die Teilnehmer treffen sich insgesamt zwölf Vormittage (drei Mal pro Woche) für jeweils drei Stunden in kleinen Gruppen von zwei bis fünf Personen bei den Johannitern in der Perlacher Straße. Auch ein kostenloser Fahrdienst wird bei Bedarf angeboten. Finanziert wird das Projekt von der Robert Vogel Stiftung.

120 Teilnehmer gesucht

Für die Studie werden noch 120 Teilnehmer im Alter von 55 bis 90 Jahren gesucht. Sie durchlaufen eine ausführliche Diagnostik durch das Alzheimer Therapie- und Forschungszentrum, so Psychiater Perneczky. Die medizinischen Untersuchungen finden jeweils vier Wochen vor dem Start sowie nach sechs Monaten statt.

Unabhängig von der Studie gibt es bei den Johannitern in der Perlacher Straße auch eine Gruppe für pflegende Angehörige von Erkrankten unter der Leitung der Gerontologin Elisabeth Feustel.


Das Projekt ist kostenfrei. Kontakt für Interessierte: Pia Heindl 089 1247344184, Mail: Pia.Heindl@johanniter.de. Weitere Infos: www.demsense.de

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