Wien für Insider: Eine Reise abseits der Touri-Hochburgen

Wien ist stolz auf seine schönsten Sehenswürdigkeiten: die Ringstraße, den Stephansdom, Schloss Schönbrunn, die Albertina, Mozart, Klimt, Falco und viele mehr. Wer jedoch die Touristenströme verlässt, entdeckt eine Stadt, die sich in zahllosen kleinen Szenen offenbart: auf Nachbarschaftsmärkten, in jungen Cafés zwischen Margareten und Josefstadt, in Hinterhof-Beisln, in Heurigen und in Museen, die Geschichten abseits der Hochkultur erzählen. Dieses Wien ist weniger Pose als Haltung: alltäglich, neugierig und voller Ecken, die darauf warten, entdeckt zu werden.
Märkte als Alltagsbühnen
Märkte sind in Wien mehr als nur Orte des Einkaufs: Sie sind Treffpunkte und Bühnen des Alltags. Neben den bekannten Namen wie dem Naschmarkt und dem Karmelitermarkt prägen auch kleinere Märkte das Leben in den Bezirken: der Rochusmarkt mit seiner überschaubaren, lokalen Atmosphäre, der Servitenmarkt mit seinen regionalen Produkten und handwerklichen Ständen, der Yppenmarkt als Verlängerung des Brunnenmarkts in Ottakring sowie zahlreiche Wochenmärkte auf Plätzen wie der Freyung. All diese Märkte unterscheiden sich in Stimmung und Angebot. Sie reichen vom kosmopolitischen Treiben bis zur ruhigen, fast dörflichen Gelassenheit mancher Wochenmärkte.
Wien bedeutet Kaffeekultur
Das klassische Wiener Kaffeehaus ist nach wie vor eine Institution. Doch um das moderne Wien kennenzulernen, sollte man auch die jungen Cafés jenseits der inneren Stadt aufsuchen. In den Bezirken Margareten, Mariahilf, Neubau und Josefstadt gibt es unzählige Tagescafés, Röstereien und hybride "Kaffee-und-Bar"-Konzepte, die als Frühstücksort, Arbeitsplatz und Treffpunkt am Abend dienen. Hier sitzt man auf bunten Sesseln, liest, trifft Freunde und Freundinnen, arbeitet am Laptop oder genießt eine präzise zubereitete Spezialitätenröstung.
Das Servitenviertel mit seinen französisch geprägten Bistros bleibt ein charmantes Kapitel dieser Szene, doch es ist nur ein Mosaikstein von vielen: Quer durch die 23 Wiener Gemeindebezirke lassen sich intime Orte finden, die weniger Inszenierung sind als authentisches Stadtleben. Für eine systematische Erkundung empfiehlt es sich, an einem "Kaffeehaus-Spaziergang" teilzunehmen.
Museen jenseits der Klassiker
Kunst- oder Naturhistorisches Museum, die Albertina und das Belvedere sind Adressen, an die es Jahr für Jahr Millionen von Besuchern zieht. Daneben gibt es in Wien jedoch zahllose kleinere Museen, die sich mit Hingabe speziellen Themen widmen und Besucherinnen und Besucher auf überraschende Weise in die Stadtgeschichte ziehen.
Das "Der dritte Mann"-Museum etwa erzählt nicht nur vom Filmklassiker aus dem Jahr 1949, sondern auch vom Wien der Nachkriegszeit. Andere Museen, vom Rauchfangkehrer-Museum bis hin zu Kuriositäten wie dem Schneekugel-, Clown- oder Bestattungsmuseum, geben Einblicke in Epochen und Berufe, die in großen Museen oft zu kurz kommen. Solche Museen sind ideale Pausenstationen für Reisende, die tiefer blicken wollen. Sie sind klein, konkret, oft skurril und gerade deshalb einprägsam.
Spaziergänge durch Kontraste
Wien lässt sich größtenteils hervorragend zu Fuß entdecken. Zwischen monumentalen Friedhofsanlagen, Gründerzeitfassaden und modernen Umnutzungen offenbart sich die ganze Vielschichtigkeit der österreichischen Hauptstadt. Der Zentralfriedhof wirkt wie ein weitläufiger, ruhiger Stadtpark, in dem Geschichte und Stille zusammenfinden. Entlang des Donaukanals prägen hingegen junge Szene, Street-Art und Bars das urbanere, lebendige Wien. Zwischen diesen Polen entfaltet sich von der Mariahilfer Straße bis ins beschauliche Floridsdorf das Bild einer Stadt, die gleichzeitig melancholisch und zukunftsgewandt sein kann.
Kulinarik: Heuriger, Grätzl-Beisl und neue Küche
Die kulinarische Landschaft Wiens reicht vom traditionellen Heurigen in den Weinbergen über die kleinen Beisln der Grätzl bis zu jungen Küchen, die heimische Produkte neu denken. Nach einem Marktspaziergang bietet sich oft ein Abend in einem Nachbarschaftslokal an: bodenständig, saisonal, mit regionalen Weinen. In den Randbezirken, etwa in Döbling oder rund um den Nussberg, öffnet die Heurigenkultur Gärten und Tische unter Kastanien und bietet einen Gegenpol zur urbanen Café-Szene und zugleich ein Stück Wiener Lebensart, das viele Besucher überrascht.
Für das perfekte Schnitzel, das beste Gulasch oder die cremigste Melange müssen Besucher der Stadt nicht in den ersten Bezirk gehen. Zwar gibt es dort tatsächlich viele hervorragende Adressen, doch diese gehen mitunter mit langen Wartezeiten und einer gewissen Hektik einher. Gerade traditionelle Fleischgerichte und Mehlspeisen sind in bester Qualität in der ganzen Stadt zu finden. Aber auch die traditionelle böhmische Küche und Balkangerichte haben in Wien eine jahrhundertealte Tradition.
Abseits von Prater-Riesenrad, Domkuppel und Schlossgärten gibt es also ein anderes Wien zu entdecken als in der Hektik der Touristenmassen im 1. Bezirk: an Marktständen, in den Schaufenstern kleiner Läden, in Cafés, die teils weit außerhalb der Innenstadt liegen, sowie in Museen, die das Unspektakuläre feiern. Wer dieses Wien besucht, nimmt authentische Erinnerungen mit, die mehr sind als nur Postkarten- oder Instagram-Motive.