Was für ein Air-lebnis!

Flugsimulator war gestern. Einen Hubschrauber selbst zu steuern ist viel spannender und inzwischen überall in Deutschland möglich.
von  Stephan Brünjes aus Hamburg

Hamburg - Flap-flap-flap-flap - das Geräusch wird zügig schneller und verschwimmt bald zu einem gleichmäßigen Brummen. Die beiden fünf Meter langen Rotorblätter des Hubschraubers kreisen mit 500 Umdrehungen pro Minute und lassen die auf dem Rollfeld stehende Robinson R44 vibrieren. Gerade mal neun Meter lang, gleicht der schmale Heli einer schwarzen XXL-Libelle. „So, jetzt unbedingt die Füße auf den Pedalen lassen“, sagt Martina Schenkluhn. Die Profi-Pilotin sitzt neben der heutigen Premieren-Pilotin Margareta Meier und erklärt warum: „Die Pedale stabilisieren den Hubschrauber - ohne sie dreht er sich unterm Rotor um seine eigene Achse.“

Jedenfalls, sobald er abhebt. Gleich ist es so weit! Der Helikopter steht fernab der großen Maschinen auf dem Hamburger Flughafen, neben dem Hangar für Geschäftsflieger. Während die viersitzige Robinson R44 auf Touren kommt, checkt Martina Schenkluhn Anzeigen am Armaturenbrett und fragt bei Margareta Meier noch mal ab, ob sie die während der halbstündigen Einweisung erklärten Funktionen von „Pitch“ und „Stick“ noch parat hat. Der „Pitch“, ein Hebel neben dem Sitz, der wie eine Handbremse aussieht, ist sozusagen das Gaspedal des Hubschraubers.

„Roger, over, Delta, Charlie"

Gesteuert wird das Fluggerät mit dem Stick, einer T-förmigen Stange zwischen Pilot und Co-Pilot. „Ja, Sie lenken den Heli gleich ganz allein“, versichert die 35-jährige Pilotin der Schnupper-Fliegerin. Kopfhörer auf die Ohren für den Funkverkehr mit dem Tower. „Roger, over, Delta, Charlie“ - in den Ohrmuscheln läuft der Soundtrack der großen, weiten Flughafenwelt. Auch wenn es mit dem Hubschrauber nicht nach London geht, sondern nur in die Lüneburger Heide. Nach der Freigabe vom Hamburger Tower zieht Martina Schenkluhn den Hubschrauber hoch und überlässt Margareta Meier dann das Steuer - unter einer Bedingung: „Stellen Sie sich vor, Sie haben jetzt Pattex an den Händen, die kleben am Stick, den dürfen Sie niemals loslassen!“ Erstes Ziel: Hamburgs Fernsehturm.

Am blauen Himmel ragt er aus der City auf wie eine riesige Nadel. Margareta Meier soll draufzuhalten und ihn dann links liegen lassen. Sie merkt sofort: Die Robinson R44 reagiert auf kleinste Bewegungen an Stick und Pitch. „Darum sind alle im Vorteil, die im Beruf feingetunte Bewegungen ausführen“, sagt Martina Schenkluhn, „Grafiker oder Zahnärzte und Sie natürlich“, lobt sie die Premieren-Pilotin. In 2000 Fuß, also etwa 600 Meter Höhe, brummt der Heli über Hamburgs binnensee-artige Alster hinweg, dreht eine Kurve über dem Hafen und der Elbphilharmonie-Baustelle und fliegt dann weiter zur geschwungenen Köhlbrandbrücke inmitten von bunten Riesen-Öltanks und einem Container-Lager.

Die Ausblicke sind, dank großzügig verglastem Panorama-Cockpit, einzigartig. „Nicht zu hoch steigen“, sagt Martina Schenkluhn und korrigiert die Höhe etwas mit sanftem Griff am Pitch: „Ab 2500 Fuß beginnt die Flugzone Charlie. Die ist großen Maschinen vorbehalten - wenn wir reinfliegen, kostet das 6000 Euro Strafe!“ Nächste Orientierungsmarke für Margareta Meier ist nun die Autobahn A 7. Sie schlängelt sich südwärts durch eine Landschaft, die aussieht, als habe hier ein Riese beim Durchwandern seine Patchwork-Decke verloren: dunkelgrüne Waldflecken, beige Getreidefelder, braune Äcker und hellgrüne Wiesen.

Papiertüten gibt’s hier auch!

Von dort fällt der Blick kurz in die Sitztasche des Hubschraubers: Aha, Papiertüten gibt’s hier auch! „Ja“, sagt Martina Schenkluhn, „die gibt es, seit einem Hobbyflieger mal schlecht wurde. Er konnte gerade noch rechtzeitig meine Landkarte falten und das Malheur darin auffangen.“ Schenkluhn hat inzwischen natürlich längst eine neue Karte. Und die braucht sie auch, um den Landeplatz zu finden - eine Pferdekoppel am Hof Sudermühlen. In dem Hotel-Restaurant ist ein Mittagstisch für sie, Margareta Meier und für die beiden Passagiere reserviert. Mehrfach lässt Schenkluhn ihre Co-Pilotin Kreise fliegen über den Dächern der umliegenden Bauernhöfe.

„Da, die Wiese ist es“, sagt die Pilotin und übernimmt nun Pedale, Pitch und Stick selbst - starten und landen dürfen nur ausgebildete Flieger. Nach dem Aussteigen wird aber dennoch nicht Martina Schenkluhn, sondern Margareta Meier angesprochen - von einem kleinen Jungen: „Warum bist du geflogen?“, will er wissen. Die Schnupper-Pilotin lächelt: „Hab ich geschenkt bekommen.“ Ungläubig reißt der Junge die Augen auf: „Boah - der tolle Hubschrauber gehört dir?“

So wird das Reisewetter in Deutschland

 


Hubschrauber zum Selberfliegen
Hubschrauberflüge zum Selberfliegen gibt’s bei insgesamt 84 Flugplätzen in Deutschland sowie bei jeweils 11 Flugplätzen in Österreich und der Schweiz. Je nach Umfang und Dauer kosten die Schnupperflüge zwischen 139 und 890 Euro, www.helikopterselberfliegen.net.

 

Stuttgart aus der Vogelperspektive
Auch im Raum Stuttgart gibt es Unternehmen, die Gäste an den Steuerknüppel ihre Helis lassen, z. B. HeliSeven, Schnupperflüge ab 349 Euro, Tel. 07 11 / 79 44 777, www.heliseven.deoder die Firma Helievent aus Reutlingen, Tel. 0 71 21 / 36 85 72, www.stuttgart-hubschrauber.de.

Flug über Hamburg
Der beschriebene Flug von und nach Hamburg wird angeboten von HeliTrans und kostet 890 Euro zuzüglich Mittagessen, sofern gewünscht. Enthalten sind Spritkosten, Start- und Landegebühren, Platz für zwei Mitflieger, etwa 60 Minuten „Selbstflugzeit“ sowie eine 30-minütige Einweisung in den Hubschrauber und seine Instrumente, Tel. 040 / 67 95 82 70, www.helitranshamburg.com.

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