Varanasi: Baden mit Ganga
Varanasi - Die Straße ist voll mit Menschen. Einmal nicht aufgepasst und der Reiseführer ist weg - verschwunden zwischen Pilgern und Straßenverkäufern. Dazwischen sind nur vereinzelt Touristen. Sie fallen wie helle Farbtupfer zwischen den unzähligen Indern auf. Es ist kurz vor 19 Uhr. Noch 500 Meter bis zum Ganges. Doch mit dem Auto ist kein Durchkommen mehr. Motorradfahrer sind da dreister. Sie bleiben mit der Hand auf der Hupe und quetschen sich an den Menschen vorbei. Für die kurze Strecke braucht man um diese Uhrzeit mehr als eine halbe Stunde. Jeden Abend um Punkt 19 Uhr wird der Fluss Ganges verabschiedet. Dort wollen alle hin.
Die Stadt im Nordwesten Indiens hat 1,4 Millionen Einwohner
Varanasi ist der heiligste Ort für Hindus, die Stadt Shivas, dem Gott der Ekstase und der Zerstörung, und Pilgerort für viele Inder. Ein Bad im Ganges soll von Sünden reinigen. Wer in Varanasi stirbt, verbrannt wird und wessen Asche in den Ganges gestreut wird, der durchbricht den Kreislauf der Wiedergeburt und gelangt sofort ins Nirvana - er erhält damit die endgültige Erlösung.
Die Stadt im Nordwesten Indiens hat 1,4 Millionen Einwohner. „Ein kleines Dorf“, hatte der Reiseführer auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel erzählt und gegrinst.
Am Ganges, der von den Hindus als Göttin Ganga verehrt wird, angekommen, sitzen knapp 100 Menschen auf einer Terrasse. Viele Touristen haben über ihr Hotel oder ihren Reiseleiter Plätze vorbestellt. Entlang des Flusses gibt es viele solcher Zeremonienplätze. Überall flackern im Dämmerlicht Kerzen und ertönen die Glocken der Priester. Normalerweise sind entlang des Flusses Treppen, die sogenannten Ghats. Die Zeremonien finden dann direkt am Wasser statt. Doch der Fluss führt in diesem Jahr durch die lange Monsunzeit so viel Wasser wie schon lange nicht mehr, die Treppen sind überschwemmt. Also sind die Priester auf die Terrassen etwas oberhalb des Flusses ausgewichen. Sie singen auf Sanskrit heilige, über Jahrhunderte hinweg überlieferte Lieder. Dazu streuen sie Blütenblätter in die Flamme einer Kerze und segnen den Ganges mit Räucherstäbchen. Nach einer halben Stunde ist die Zeremonie vorbei. Jetzt ist der Fluss verabschiedet worden und darf bis zum Morgen nicht mehr betreten werden.
Für ein paar Münzen malt der Priester den Namen der Götter auf die Stirn
Noch wichtiger als die Abendzeremonie ist das morgendliche Baden. Schon vor der Dämmerung machen sich die ersten Pilger auf den Weg. Neben den Gläubigen findet man um diese Uhrzeit vor allem Touristen, die dank Fotokamera auf den ersten Blick zu erkennen sind. Auf der Treppe ans Wasser sind kleine Podeste aufgebaut. Darauf steht eine Art Sonnenschirm. Darunter sitzt jeweils ein Priester. Für ein paar Münzen malt er den Gläubigen mit gelber Sandelholzpaste oder Zinnober den Namen der Götter auf die Stirn. Erst danach ziehen sie weiter zum Visvanatha-Tempel, um den Gott des Universums zu begrüßen.
Im Ganges baden die Menschen - Männer mit nacktem Oberkörper, Frauen in ihren Saris, dem traditionellen indischen Kleidungsstück für Frauen. Manche tauchen im Fluss ganz unter. Andere haben die Hände gefaltet, schöpfen Wasser und lassen es über die Fingerspitzen wieder zurückfließen. Sie singen dazu das Gebet „Ram nam satya hain“ - Gottes Name ist Wahrheit. Auf dem Fluss treiben Blüten, Girlanden und flackernde Öllichter - zu Ehren der Göttin Ganga. Als Europäer empfiehlt es sich nicht, die Hand ins Wasser zu strecken: Im Schnitt befinden sich etwa 1,5 Millionen Bakterien in 100 Milliliter Ganges-Wasser - deutsche Freibäder werden schon ab 500 Bakterien pro 100 Milliliter geschlossen.
Im Gewirr der Gassen und Gässchen hat man sich schnell verlaufen
Eng ist es in den Gassen, von der einen Hauswand zur anderen sind es höchstens anderthalb Meter. Sonnenstrahlen dringen nicht bis zum Boden, es riecht feucht und modrig. Die Häuser stammen wie die meisten Bauten Varanasis aus dem 18. oder späten 19. Jahrhundert. Im Gewirr der Gassen und Gässchen hat man sich schnell verlaufen. Doch der Reiseführer behält den Überblick und kennt den Weg zu den vielen Tempeln, die hinduistischen Göttern geweiht sind.
Der Rauch von Manikanika Ghat, dem heiligen Verbrennungsplatz, ist schon von weitem in der Nase zu spüren. Feuerholz liegt auf einem Vorplatz gestapelt. Ein Laden verkauft Sandelholz in verschiedenen Größen: vom Span bis zu großen Holzstücken. Das rote Holz stammt von einem Baum aus den Gebirgen Ostindiens und Sri Lankas. Für Hindus ist es wichtig, dass wenigstens ein paar Stückchen dieses Holzes mitverbrannt werden. Da es besonders edel und teuer ist, können sich arme Gläubige nur kleine Säckchen mit Spänen kaufen. Drei Inder erklären in gebrochenem Englisch, dass der Platz unter gar keinen Umständen fotografiert werden darf. Unter einem Holzberg ist ein Toter aufgebahrt. Wenn auch seine Asche über dem Ganges verstreut wird, ist für Hindus das Leben eines Gläubigen perfekt vollendet.
Anreise
Von Frankfurt mit Air India über Delhi nach Varanasi ( www.airindia.com). Mit Jet Airways geht es von Brüssel aus. Kosten zwischen 800 und 1200 Euro für den Flug. ( www.jetairways.com).
Unterkunft
Es gibt zahlreiche Hostels für Rucksacktouristen. Sehr teuer ist das Nadesar Palace (300 Euro/Nacht.www.tajhotels.com). Im benachbarten Gateway Hotel kostet die Nacht rund 150 Euro (www.thegatewayhotels.com).
Veranstalter
Enchanting-Travels (www.enchantingtravels.de) eine zehntägige Reise nach Delhi/Agra, Jaipur, Varanasi und Mumbai an (ab 1955 Euro pro Person). Die internationalen Flüge sind in diesem Preis nicht enthalten. Asienreisen bietet eine elftägige Reise durch den mythischen Osten Indiens an (ab 2429 Euro): www.indien-special-tours.de
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