Urlauber auf Mallorca: "Wir haben keine Angst"

Mallorquiner und Feriengäste gehen gelassen mit der Terrorgefahr um. Die Urlaubsstimmung ist stärker als alle Vorsicht – daheim trägt man Bedenken, auf der Insel trägt man schulterfrei.
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MALLORCA - Mallorquiner und Feriengäste gehen gelassen mit der Terrorgefahr um. Die Urlaubsstimmung ist stärker als alle Vorsicht – daheim trägt man Bedenken, auf der Insel trägt man schulterfrei.

Staub liegt auf dem Tresen der Bar. „Esta Eta“, hat jemand hineingeschrieben. „Diese Eta“. Nicht aufgeregt oder wütend sieht das aus, eher beiläufig spaßhaft, so wie Kinder „waschen“ auf ein dreckiges Auto malen. Nur ist das hier kein Kinderkram. Der Staub auf der geschlossenen Bar, die zerfetzten Fliesen und Ziegel auf dem Boden sind die Spuren einer Bombe. Sie ist hier im Einkaufszentrum unter der Placa Major von Palma de Mallorca hochgegangen.

Sonntag war das. Und heute? Keine Tatortsperrung. Keine Spurensicherung, keine Polizei, keine Aufregung. Und den Dreck räumt auch keiner weg. „Wir wollten mal schauen“, wie’s aussieht“, sagt Alejandro. „Ich wohne gleich hier, und da wollte ich es doch mal gesehen haben.“ Sehen, wie die Eta, die baskische Terror- Organisation hier ins touristische Superidyll Malle einfällt. Binnen 14 Tagen hat sie schon die vierte Bombe in zehn Tagen auf der Baleareninsel gezündet. Zwei Menschen sind gestorben, Schrecken soll verbreitet werden „Ach, wir sind da ganz gelassen“, sagt Ingma, die mit Alejandro auf Tatortbesichtigung ist.

„Angst? Sie wollen, dass wir Angst haben. Das klappt aber nicht. Wir haben keine Angst.

Gespräch beobachtet. Beschallt von Metal-Musik verkauft der grünäugige Franzose Stachelhalsbänder, Nietengürtel und anderen Punk-Schnickschnack. Sein Shop liegt direkt neben dem Tatort: „In Berlin oder London ist das Risiko doch größer als hier, oder?“ fragt er verschmitzt. Ist er nicht beunruhigt? „Wieso, ich war doch zu Hause am Sonntag. Und jetzt kommen jede Menge Touristen.“ Bolo denkt nach: „Vielleicht sollte ich ein paar von den Trümmern als Souvenirs verkaufen.“ Was ist denn sonst so sein Bestseller? Ohne zu zögern greift er ins Regal. „Freedom for the Basque Country“ steht auf dem T-Shirt.

Die Schockwirkung der letzten Tage scheint nicht besonders tief zu sitzen. „Montag, am Tag nach dem Anschlag hatten wir den besten Tag in der ganzen Saison“, sagt Enrique Capella, der mit seiner Schwester einen Geschenkladen im Einkaufszentrum betreibt: „Das lag aber sicher am Wetter.“ Dunst und Nebel trieben die Touristen vom Strand in die Städte, sagt Capella. Die Bombe? „Es kommt, wie's kommt“, sagt er und: „Das Leben geht weiter.“

Das denken auch die Touristen. Natürlich haben Sandra und Christina von den Bomben gehört. Ja, sie hatten sich schon kurz überlegt, ob sie nach Palma fahren sollten, auf die angebotene Stadtrundfahrt. „Aber dann hat der Reiseleiter gesagt, kein Problem.“ Jetzt sitzen die beiden vor der Kathedrale von Palma, und ihre größte Sorge ist, dass die Fotos nichts geworden sein könnten. Alles easy. „Nicht mal die Desinfektionstücher nehmen wir noch.“ Es sind ja nicht nur die Bomben, die hier Thema sind: „Wegen der Schweinegrippe haben wir die gekauft.“ Das Virus wollen sie nicht mit heimbringen nachWittenberge. Aber die Urlaubsstimmung ist stärker als alle Vorsicht. Bedenken trägt man daheim, hier trägt man schulterfrei bei 31 Grad.

„Ichweiß“, sagt HubertMüller, „man soll Menschenansammlungen meiden“. Gerade kommt er aus der Kathedrale. „Aber die werden ja nicht so verrückt sein, und Gotteshäuser angreifen.“ „Des weiß man nie“, korrigiert seine Frau in Freiburger Dialekt, „in Ägypten greifen sie auch Kirchen an.“ „Ja“ sagt Müller, „Ägypten ist was anderes.“

Matthias Maus

Reiserecht: Das müssen Touristen wissen

Was passiert, wenn ich meine Mallorca-Reise storniere?

der Reise vor Antritt jederzeit möglich. „Auf den Stornokostenwird der Verbraucher dann aber sitzen bleiben“, sagt Reiserechts-Experte Christopher Niemann. Die Höhe der Gebühren richtet sich nach der noch verbleibenden Zeit bis zum Reiseantritt und den vertraglichen Vereinbarungen. Wer sich kurzfristig fürs Stornieren entscheidet, „wird nicht viel von seinem Geld wiedersehen“, so Niemann. Eine Kündigung nach Antritt der Reise wegen der Ereignisse ist nicht ohne Weiteres möglich. Daran wäre nur in einem Fall „höherer Gewalt“ wie Krieg zu denken.

Was ist mit Stornierung aus Angst?

„Verträge müssen eingehalten werden. Persönliche Angst ist eine subjektive Empfindung. In diesem Fall gibt es keinen Grund, den Vertrag zu kündigen“, sagt Niemann.

Gibt es Unterschiede bei der Pauschalreise?

„Ein Rücktritt ist bis zum Reisebeginn ohne Angabe von Gründen möglich“, sagt Niemann. Allerdings muss man den Reiseveranstalter für den Rücktritt entschädigen. Die Entschädigungen sind häufig vertraglich pauschal nach Prozentsätzen vereinbart. „Die Höhe hängt davon ab, wie viel Zeit zwischen Rücktrittserklärung und Reisebeginn liegt. Bei unmittelbar bevorstehenden Reisen dürfte das teuer werden.“

Was muss man sonst noch wissen?

Bei Flug-Annullierungen wegen Terroranschlägen sollteman sich eine Bescheinigung von der Fluggesellschaft geben lassen und diese innerhalb eines Monatswegen einer Entschädigung kontaktieren. Tritt man die Reise nicht an: Rechtzeitig vor Reiseantritt zurücktreten. So vermeidet man hohe Stornokosten. Auf jeden Fall immer eine Reiserücktrittsversicherung abschließen.

sca

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