Tunesien: Die große Stille

In Tunesien ist wieder Alltag eingekehrt. AZ-Reporter Matthias Maus hat sich auf der Ferieninsel umgesehen.
Matthias Maus |
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Mehr als 51000 Hotelbetten gibt es auf Djerba, selbst Fünfsternepaläste hat der frühe Besucher beinahe für sich.
wikimedia Mehr als 51000 Hotelbetten gibt es auf Djerba, selbst Fünfsternepaläste hat der frühe Besucher beinahe für sich.

(srt) Abend in Sidi Schmour, die Sonne versinkt im Golf von Gabes, Fouad und Sami schauen aufs Meer. „Es sind wieder viele da“, sagt der eine Fischer zum anderen. Und doch sind die beiden nicht zufrieden.

Die Männer im milden Licht von Djerba reden von Tintenfischen, nicht von Touristen. Denn die sind noch nicht gekommen, und es ist unklar, wie viele in diesem Jahr den Weg nach Tunesien finden. Nach der weitgehend unblutigen Jasmin-Revolution und der Rückholaktion von tausenden Urlaubern im Januar herrscht Unsicherheit. Nicht nur bei Fouad und Sami. Das befreite Tunesien ist stolz, den Diktator Ben Ali verjagt zu haben, aber es braucht dringend das Vertrauen – und das Geld – der Fremden.

„Kommen Sie!“, sagt Mehdi Houas, „Wir können Ihnen so viel zeigen, viel mehr als Strand und Sonne.“ Houas ist der neue Tourismusminister, er ist selbst gerade erst vor ein paar Wochen angekommen in Tunesien, dem Land seiner Eltern. Der 51-Jährige ist in Marseille geboren, erfolgreicher IT-Unternehmer in Paris, und will nach den Wahlen auch wieder zurück: „Das alte Regime hat die Menschen nur an die Strände geschickt“ sagt er, „auf die Kultur, auf Land und Leute haben sie viel zu wenig Wert gelegt.“ Und ja: „Natürlich ist die Sicherheit der Urlauber unser erstes Anliegen.“

In Sidi Schmour herrscht beschauliche Stille.

Die Veranstalter schicken die ersten Maschinen schon wieder ins Land. Doch von einem Ansturm kann nicht die Rede sein. Ein Flugzeug im strahlend blauen Winterhimmel über der südlichsten Insel des Mittelmeers ist die Ausnahme.

In Sidi Schmour, wohin im Sommer Busse die Fremden zum Sonnenuntergang bringen, wo um den weißen Kuppelbau auf dem Kap die Verliebten Schatten unter den Bäumen suchen, herrscht beschauliche Stille. Ein besonderer Reiz geht von der Frische des Vorfrühlings aus, Hitze muss man nicht fürchten, abends ist es kühl. Der Westwind reinigt die Luft, die Sicht ist frei auf die Flamingos in der Lagune von Borj Ghazi Mustafa. In der Marina von Houmt Souk dümpeln die nachgemachten Piratenschiffe, sie warten geduldig auf die Ausflügler für die Flamingo-Insel. Wie lange?

Mehr als 51000 Hotelbetten gibt es auf Djerba, selbst Fünf-Sterne-Paläste wie das Radisson hat der frühe Besucher beinahe für sich. Ein paar Franzosen, ein paar Besucher vom Golf verlieren sich am Pool oder im Hamam, am Strand sind die eigenen Spuren die einzigen, nur ins Wasser braucht man sich jetzt noch nicht trauen. Das Wassertemperatur liegt gefühlt bei 14 Grad.

Wer den Massen entfliehen will, ist jetzt gerade richtig.

Kulturelle Highlights wie der Gold- und Antiquitäten-Markt von Houmt Souk gehören einem fast alleine, im Café von Ben Yedder auf dem Markt gibt es Platz - und die köstliche Citronade für ein paar Cent. Auch die historische Synagoge in La Ghriba entfaltet ihren Reiz am besten ohne Massenandrang. Die Spuren des Anschlags von 2002, als hier 30 Menschen starben, darunter 14 Deutsche, sind verschwunden. Die Erinnerung daran nicht: „Die alte Regierung hat gelogen“, sagt Minister Houas, sie sprach von einem Unfall. „Das hat uns viel Vertrauen gekostet“ - und viele deutsche Gäste. Es waren mal 500 000. Im vorletzten Jahr kamen 156 000 Deutsche, 2010 waren es 163 000.

Das Land atmet durch. Es erholt sich. Das hat es verdient.

 

Rewe hat die ersten Flüge nach Djerba wieder aufgenommen. Thomas Cook startet ab kommenden Montag, FTI nimmt die Flüge ab März wieder auf. Bei Thomas Cook gibt’s eine Woche Urlaub ab 198 Euro. Der Autor flog auf Einladung des tunesischen Fremdenverkehrsamtes.

 

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