Tirol: Arbeitsurlaub im Wald und auf der Alm

Innsbruck - Gegen Mittag werden die Arme langsam schwer. Die Sonne brennt vom Himmel, die Luft ist feucht und schwül - vor allem an den Forstwegen, an denen sich das Indische Springkraut, die Goldrute und der Sommerflieder wie eine Plage ausbreiten. "Diese Pflanzen sind eingeschleppt, sie sind nicht in unseren Wäldern heimisch", sagt Lukas Rinnhofer, der als Ranger im Alpenpark Karwendel arbeitet. Und damit diese Pflanzen sich nicht weiter in Kranebitten westlich von Innsbruck ausbreiten, ist er mit einer Gruppe von Freiwilligen im Wald unterwegs, um sie zu entfernen. "
Das ist oft das einzige Mittel gegen invasive Arten, die den heimischen Pflanzen den Lebensraum nehmen", sagt er. Auch wenn der violette Sommerflieder gut riecht und den Bienen und Schmetterlingen einen Anlaufpunkt bietet - er ist keine Nahrungspflanze für die Insekten. "Der Sommerflieder überwuchert artenreiche Waldlichtungen innerhalb kurzer Zeit", weiß Christina Thurner, die in Kranebitten lebt. Sie engagiert sich für den Erhalt der heimischen Arten und rupft in ihrer Freizeit immer wieder Neophyten aus, so der Fachbegriff für eingeschleppte Arten.
Und sie weiß, wo sie stehen. Um das Springkraut mit seinen kugeligen Wurzeln aus der Erde zu ziehen, muss man sich zunächst durch Brombeerbüsche schlagen. "Es blüht schon, das ist gefährlich - dann sät es sich aus", sagt Ranger Rinnhofer. Der Stiel der Pflanze sieht aus wie eine schmale Rhabarberstange, er lässt sich leicht aus der Erde rupfen. Große Haufen des Unkrauts werden am Wegesrand aufgeschichtet und später abgeholt. Tiefer im Wald, an einer Felswand und in einer Klamm: der Sommerflieder. Büscheweise.
Die Freiwilligen schneiden und sammeln. Der Ranger klettert auf die Felsen, um dort die nachwachsenden Zweige auszureißen. Dabei entdeckt er immer wieder Wespennester, Käfer, sogar einen Tausendfüßler. "Daran sieht man, dass die Natur weitgehend intakt ist", sagt er.
Der Alpenpark Karwendel schreibt, ebenso wie die anderen Tiroler Naturparks, seine Aktionen für freiwillige Helfer auf seiner Webseite aus - Touristen sind dabei ebenso willkommen wie Einheimische. Da geht es um Neophyten ebenso wie um die Pflege von Biotopen, die Erneuerung von Wegen oder darum, den Flussuferläufer zu beobachten.
Auch die Almpflege steht immer wieder auf dem Programm. Das heißt: Weidezäune herrichten, eine Viehtränke bauen, Lawinen aufräumen. Almhelfer allerdings kann man nicht nur für einen Tag sein - und nicht nur in Tirol. Auf der Amoseralm hoch über Dorfgastein im Salzburger Land etwa arbeitet Jessica Raisch. Die 25-Jährige ist eigentlich in einer Arztpraxis in München angestellt. Doch von ihrem Job hat sie sich über den Sommer eine Auszeit genommen. "Ich wollte auf eine Alm und dort die Arbeit der Sennerin machen", sagt sie. Auf der Amoseralm heißt das: Kühe melken, jeden zweiten Tag Käse machen, den Streichelzoo pflegen, Wanderer und Radfahrer verköstigen.
Der Donnerstag ist ein besonderer Tag auf der Alm: Dann heizt Margarethe Röck, die Oma Greti, den alten Holzbackofen an und richtet schon früh am Morgen den Brotteig in einer großen Wanne her. Sauerteig, ein bisschen Hefe, Roggenmehl, Gewürze - und ordentlich Kraft in den Armen. Das ist das Rezept für ihr Brot. Die Helfer kneten und kneten, dann geht der Teig in aller Ruhe. Denn um 12.00 Uhr übernehmen die Kinder das Regiment. Sie dürfen aus dem hergerichteten Brotteig Schnecken, Mäuse oder Brezeln formen - oder was ihnen eben so einfällt.
Oma Greti verfrachtet die Mini-Brote dann in den Ofen, und nach ein paar Minuten sitzen die Kinder glücklich mampfend an den Holzbänken. Derweil hat sie gut 40 Laibe Brot zu je einem Kilo geformt, die sie für etwa eine Stunde in den glühenden Ofen gibt. Am Nachmittag kommen nur noch vereinzelte Wanderer und Mountainbiker auf die Alm - und dann ist wieder Zeit für die alltägliche Arbeit auf dem Berg. Jessica schläft in einem einfachen Zimmer auf 1075 Metern Höhe und geht nur zu besonderen Gelegenheiten ins Tal. "Genauso wollte ich es", sagt sie.
Wer sich nicht für einen ganzen Sommer verpflichten will oder nur einen Geschmack davon bekommen möchte, wie es sich fernab von WLAN und Fernseher lebt, kann auch in Osttirol auf einem Bergbauernhof anpacken. Auch hier geht es darum, bei der Feld- und Stallarbeit zu helfen und Butter, Joghurt und Brot herzustellen. In der Wachau in Niederösterreich helfen die Volunteers bei der Erhaltung des Naturparks Jauerling im Unesco-Welterbe Wachau. Hier lernen sie, wie die Bergwälder, Donau-Auen, Steinterrassen, Orchideenwiesen und Viehweiden gepflegt werden. Das Besondere beim Projekt Wachau Volunteer: Die jungen Leute, die aus verschiedenen Ländern nach Österreich kommen, werden in einer Schule untergebracht. Campsprache ist Englisch. Zusammen mit einheimischen Teams gehen sie ihre Projekte an.
In ganz Österreich gibt es Höfe, die zur Organisation "Wwoof - World wide opportunities on organic farms" gehören. Das ist eine weltweite Bewegung von Freiwilligen, die auf biologischen Höfen für freie Kost und Logis mithelfen, um Erfahrungen im biologischen Land- und Gartenbau zu lernen.
Die Arbeit der Freiwilligen wird sehr geschätzt, sagt Hermann Sonntag. Er ist Geschäftsführer des Alpenparks Karwendel, der verschiedene Freiwilligen-Aktionen organisiert und begleitet hat. Touristen und Einheimischen mache es Spaß, sich zu engagieren und etwas Sinnvolles für die Umwelt zu machen, sagt Sonntag. "Und nebenbei lernen sie noch etwas über die einzigartige Natur."
Informationen: Freiwilligen-Aktionen in Tirol (www.tirol.at/volunteering), World wide Oppurtunities on Organic Farms (www.wwoof.at), Freiwilligen-Projekte in der Wachau (www.naturpark-jauerling.at/?page_id=1915), Freiwilligen-Projekte für Jugendliche (www.alpenverein.com).