Senioren wollen keine sein
München - Die Generation 55 plus ist agil statt senil - und eine Herausforderung für die Reisebranche.
Es ist ein echtes Dilemma. Mit jeder neuen Studie werden der Reisebranche erneut die Auswirkungen des demografischen Wandels vor Augen geführt: Senioren sind die wichtigste Zielgruppe der Zukunft. Doch niemand hat ein Patentrezept dafür, wie mit den "Best Agern", den Menschen in den besten Jahren, am besten umzugehen ist.
Die ältere Generation ist engagiert, aktiv und mobil
Wie verunsichert die Reisebranche im Umgang mit der reisefreudigen und zahlungskräftigen Klientel ist, zeigt sich schon daran, dass der Begriff "Senioren" aus den Katalogen völlig verschwunden ist. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Alte wollen sich nicht in eine Schublade stecken lassen. Schon gar nicht in eine, auf der dick "Senioren" steht. Denn das wollen die heute 60-Jährigen meist nicht sein, und sind es oft auch nicht.
"Die ältere Generation ist engagiert, aktiv und mobil", sagt Elisabeth Stettmeier, und sie muss es wissen. Die 76-jährige ehemalige Rektorin aus Neubiberg bei München ist so etwas wie der Prototyp eines jung gebliebenen "Best Agers", der im Alter seine Reiselust so richtig auslebt. In Europa hat sie fast alles gesehen. Zuletzt war sie in Israel, Jordanien und am Sinai. Ende Mai geht es nach Usbekistan.
An Reiseträumen mangelt es der 76-Jährigen nicht. Und klare Vorstellungen, was sie von einer Reise erwartet, hat sie ebenfalls - auch damit spricht sie wohl für viele Urlauber in ihrem Alter.
Bilden statt Bräunen und altersgemischte Programme
Bildungsreisen statt reiner Strandurlaub, keine ausgewiesenen Seniorenreisen, sondern altersgemischte Programme. Ein erhöhtes Maß an Sicherheit. Kompetente Führungen in deutscher Sprache, ein zentrumsnah gelegenes, komfortables Hotel mit Kofferservice und Sicherheitsgriffen an der Badewanne - und abends ein ansprechendes kulturelles Programm mit Ballet oder Oper statt touristischer Folklore nennt Stettmeier als wesentliche Kriterien bei der Reiseauswahl.
Eine Erfolgsgarantie, für Reiseveranstalter gibt es aber auch nicht, wenn sie das meiste davon befolgen. Das musste der Münchner Veranstalter Studiosus erfahren. Er hatte schon vor Jahren einen Katalog "Reiseträume" aufgelegt. "Urlaub für Aktivgebliebene" beschreibt Frano Ilic von Studiosus das damalige Programm. Nach "zwei starken Jahren" brach die Nachfrage so stark ab, dass die "Reiseträume" wieder in der Schublade verschwanden. Rund 35 Reisen mit speziellen Serviceleistungen für die Generation 65+ finden sich heute in den Studiosuskatalogen unter dem Stichwort "Service Plus".
Apropos Service. Der, so weiß Peter Zimmer aus diversen Studien über die Reisewünsche von Senioren, wird mit zunehmendem Alter immer wichtiger. "Senioren wollen individuell angesprochen werden. Sie möchten am liebsten zu Hause abgeholt und auf Reisen unterwegs im Bus mal erinnert werden, wo man einkehrt. Und im Hotel soll Ihnen der Koffer aufs Zimmer gebracht werden. Also eigentlich alles Dinge, die einem auch mit 44 Jahren das Reisen angenehmer machen."
Rudi Stallein
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