Schwimmende Ferienhotels liegen im Trend
München - Von Krise keine Spur: Während andere Reiseformen schwächeln sind Kreuzfahrten beliebt wie nie und dabei überraschend günstig.
"Wir knacken die Million", verspricht Michael Thamm. Der Kreuzfahrt-Manager und Vorsitzende des Schifffahrtsausschusses beim Deutschen Reise Verband ist überzeugt, dass die magische Passagierzahl bei Hochseekreuzfahrten noch dieses Jahr erreicht wird. Und fürs Jahr 2010 geht es so weiter, erwartet der Boss des deutschen Marktführers Aida Cruises. Von Krise keine Spur. Während andere Reiseformen schwächeln, ist die Kreuzfahrt weiter auf Wachstumskurs.
Der rege Zuspruch liegt auch daran, dass die Preise aktuell so günstig sind wie lange nicht. Der Grund dafür ist einfach: Die größten Reedereien der Welt sind in den USA daheim, und dort ist die Nachfrage nach Seereisen seit der Finanzkrise abgestürzt. Den Amerikanern fehlt das Geld für einen Urlaub auf See. Und so bemühen sich die Reedereien, die unverkauften Kabinen inm vergleichsweise stabilen Deutschland loszuwerden.
Landauf landab tobt ein erbitterter Preiskampf
Vor allem für weniger gefragte Nebensaisonzeiten wird die Nachfrage mit Preisaktionen angekurbelt: Eine Woche Karibik (ohne Flug) im Viersterneschiff gibt es bereits unter 400 Euro. "Das sind keine angemessenen Preise für die angebotene Qualität", schimpft Vertriebschef Fred Stoffel vom Bremer Anbieter Plantours. Der Verbraucher kann sich die Hände reiben und aus den günstigsten Schnäppchen auswählen.
Doch wo? Das Internet ist voller Günstigangebote. Auch die Prospekte von Direktvermarktern wie Lidl und Aldi sind voller Discount-Kreuzfahrten. Auch Kurzfristspezialisten wie Bucher und L'Tur sind längst dick ins Kreuzfahrtgeschäft eingestiegen. Experten raten allerdings allen, die sich nicht selbst perfekt im Markt auskennen, zur Buchung im spezialisierten Reisebüro. Denn Kreuzfahrten sind ein kompliziertes Produkt, und schnell hat der Einsteiger etwas Wichtiges übersehen.
Voll im Trend ist Wellness auf dem Wasser
Wohin geht die Reise? Der wichtigste Trend heißt: Die Schiffe werden immer größer. Die Gäste lieben die schwimmenden Kleinstädte auf hoher See mit ihren Kinosälen, Theatern, Wellnessanlagen und Shoppingarkaden. Und für die Reeder heißt Größe stets auch Preisvorteil. Denn ein Schiff mit 400 Gästen braucht ebenso einen Kapitän wie eins mit 300 Passagieren.
Voll im Trend ist Wellness auf dem Wasser. Kaum einer der Schiffs-Neubauten macht es unter 2000 Quadratmetern Spa-Bereich. Wer davon nicht genug bekommen kann, bucht am besten gleich eine Spa-Kabine mit direktem Zugang zu den Wohlfühl-Wonnen. Auf der neuen Aidablu gibt es sogar Spa-Deluxe-Suiten mit eigenem Whirlpool.
"Schiffe sind schwimmende Ferienhotels", weiß Reisebürofrau Gabriele Spies vom Spezialbüro Atlantik Seereisen München. Und sein Zimmer im Urlaub liebt der Deutsche mit Balkon und Meerblick. Kein Wunder, dass mehr und mehr der weißen Traumschiffe großzügig mit Balkonen ausgestattet werden. Das macht die Silhouette zwar nicht schnittiger, hilft dem Absatz aber ungemein. Die Neubauten von MSC und Costa haben beispielsweise mehr als zwei Drittel Außenkabinen mit Balkon.
Ohne Unterhaltung geht nichts
Auch in den Unterhaltungsbereich wird aufgerüstet: 4-D-Kinos gehören fast schon zum Standard, Golf- und Volleyballpätze finden am Außendeck der modernen Schiffsgiganten Platz. Rollschuhbahn, Riesenkinoleinwand, Grand-Prix-Simulator: Alles schon dagewesen. Die neuen Riesenschiffe Oasis und Allure gondeln ihre Gäste gar mit Seilbahnen vom ersten hoch aufs neunte Deck.
Wie lang hält der Boom noch an? Fachleute sehen noch lang kein Ende. Schließlich entfallen in Deutschland bisher kaum drei Prozent des pauschal gebuchten Urlaubs auf Seereisen. Nicht nur Michael Thamm ist sich sicher: "Da besteht noch viel Nachholbedarf."
Hans-Werner Rodrian
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