Schlüsselerlebnisse im Urlaub
Jetzt hat es uns also doch schon erwischt. Dieser Lärm kann nur das Jüngste Gericht bedeuten. Die Hörner von Jericho dürften ein subtiles Guggenmusikkonzert gegen dieses Getöse bedeuten. So ähnlich müssen die Sirenen geklungen haben, bevor sie harmlose Seefahrer abgemurkst haben. Dabei ist es nur die Alarmanlage unseres Feriendomizils in Florida – die sich leider nicht abschalten lässt. Dabei hat die Schlüsselübergabe doch noch so reibungslos funktioniert.
Aber von vorn: Nach ein paar Tagen in New York im Schneetreiben geht es nach Fort Myers, Westflorida, pastellfarbener Albtraum des kulturell interessierten Städteurlaubers. Ziel: Sonne und Ausspannen und mehr nicht. Der Schlüssel zum Häuschen soll im Tresor an der Hauswand stecken, der Zahlencode ist bekannt. „Im Inneren erwarten Sie gedämpftes Licht, eine Flasche Wein und leise, klassische Musik“, hat der Vermieter vollmundig versprochen.
Hat auch fast alles gestimmt, die Musik zumindest, wenn man die schrille Alarmanlage unter Musik abspeichern mag. Der Soundtrack der Hölle lässt sich leider nicht abstellen, also raus aus dem Haus gerannt und die Tür zugemacht, aber nichts passiert. Dann der Geistesblitz: Vielleicht ist der Code für den Schlüssel-Tresor auch der Code für die Alarmanlage?
Also noch mal rein ins Haus, Zahlenkombination eingetippt, die natürlich völlig falsch war. Dieses Mal nehmen wir sofort Reißaus vor dem akustischen Fegefeuer. Nach etlichen vergeblichen Anrufen beim Vermieter endlich eine Rückmeldung: Huch, da müsse wohl etwas schiefgegangen sein. Mit den richtigen Zahlen lässt sich dann auch die Maschine bändigen.
Endlich Urlaub, denken wir, bis es plötzlich an der Tür klingelt. Der Sheriff steht mit verspiegelter Sonnenbrille auf der Matte. Alarm, äh ja, das waren wir, sorry, ein Missverständnis, vielen Dank aber für die Mühe, nein, alles bestens, klar, die Alarmanlage lassen wir ganz bestimmt immer an, man kann ja nie wissen.
Weniger laut, dafür umso hochprozentiger verlief diese Schlüsselübergabe: Ferienwohnung in Berlin, Spitzen-Vermieterin, alles arrangiert, leider ist sie am Anreisetag verhindert, sie schicke aber einen Freund.
Freunden habe ich noch nie getraut, daher schnell eine SMS an den Vermieterkumpel einen Abend vor unserer Ankunft. Klar freut er sich, pünktlich vor dem Haus zu sein, kein Thema, tschüssi. Zum vereinbarten Zeitpunkt einen Tag später dann keine Menschenseele weit und breit, also den Schlüsselboten angeklingelt. „Oh, was, ja, äh, bin auch gleich da ...“ Klappt ja wieder wie am Schnürchen.
15 Minuten später radelt ein Glatzkopf in Schlangenlinien auf uns zu. Seit wann trauen sich Skinheads bis ins Bötzowviertel? Der wird doch nicht ... das kann doch nicht sein, doch, es ist der Schlüsseldienst. Zum Glück weder Skin noch Nazi – dafür sturzbetrunken. „Bitte schön!“ Äh, danke, leider waren wir noch nie hier und haben sowieso keinen Plan, Vorderhaus, Hinterhaus, Affenhaus? „Ach so, ja dann“, sagt unsere Urlaubsbegrüßung und torkelt in den dunklen Flur. Die Wohnung ist bezaubernd, der Schlüssel mitsamt Anhänger auch. Nur Durst haben wir jetzt komischerweise.
Da lobe ich mir doch die persönliche Eskorte auf Ibiza, die der beste Kumpel des FincaVermieters vor Jahren mit uns veranstaltete. Treffpunkt Tankstelle, wo wir mit dem ältesten Mietwagen der Insel die Verfolgung aufnehmen. Gratis zur Schlüsselübergabe gibt es dann auch jede Menge weise Tipps: Welcher Strand ist der beste, auf welchem Markt gibt es das frischeste Gemüse – „und nehmt nicht so viel Pillen, die jungen Menschen, die auf Ibiza Urlaub machen, verblöden total“.
Das haben wir sowieso nicht vor, blöd genug sind wir schon. Zur Erheiterung erzählt uns der Schlüsselverwalter noch von seinem schönsten LSD-Trip am Strand bei Vollmond. Irrer Althippi, denken wir so bei uns, bis wir nach dem Urlaub erfahren, dass er einer der reichsten Ibizenker überhaupt ist, der in Immobilien macht, aber keine Sehnsucht nach Statussymbolen verspürt.
Wir verspüren dagegen nach wie vor eine Sehnsucht nach Schlüsselübergaben, die den emotionalen Check-in in den Urlaub markieren. Vielleicht stehen wir aber auch deshalb so auf Schlüssel mit Zacken, Ecken, Kanten und sonstigen Eigenschaften aus längst vergangenen Tagen, weil wir diese modernen Hotel-Chipkarten hassen. Weil sie uns technisch überfordern und wir damit grundsätzlich unser Hotelzimmer nicht aufbekommen, jedenfalls nicht aufs erste Mal. Das ist aber wieder eine ganz andere Geschichte.
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