Saskatchewan: Himmlische Prärie

Die kanadische Provinz Saskatchewan ist verlassen, menschenleer und trotzdem großartig. 
Birgit-Cathrin Duval aus Regina |
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Regina - Es regnet Schmetterlinge. Wie Konfetti schweben sie am blauen, wolkenlosen Himmel in der Prärie Saskatchewans. Ihr Ende ist jäh und unschön: ein fettes Klatschen an der Windschutzscheibe des weißen Mietwagens. Unterwegs in der ewigen Weite. In der Provinz mit dem unaussprechlichen Namen. Von der man sagt, sie sei öde und flach wie ein Pfannkuchen. Die Prärie liegt irgendwo in der Mitte Kanadas. Saskatchewan ist fast doppelt so groß wie Deutschland, kaum eine Million Einwohner leben hier. Es sind nur 250 Kilometer von der Provinzhauptstadt Regina bis zum Grasslands National Park, der an den US-Bundesstaat Montana grenzt. Für kanadische Verhältnisse ein Katzensprung. Gefühlt mögen es 2500 Kilometer sein. Hier draußen in der Prärie verliert sich das Gefühl für Zeit und Raum. Es gibt keine Ortschaften und keine Hinweisschilder. Nur diese Straße. Schnurgerade führt sie durch einen gelben Ozean, Weizenfelder, aus dem Kornspeicher wie stumme Leuchttürme in den taubenblauen Himmel ragen. Autofahren in dieser endlosen Weite ist ein meditatives Erlebnis. Dann endlich, ein Schild: Rockglen, 23 Kilometer. Verschlafen liegt das Städtchen in der Mittagssonne.

Die wenigen Häuser sehen aus wie Relikte aus einem Westernfilm, die Straßen sind menschenleer. Von Rockglen sind es weitere 50 Kilometer zum East Gate des Grasslands National Park, Kanadas jüngster und einziger Prärienationalpark. Es gibt keine Parkwächter, keine Gebühren, keine geteerten Straßen, keine Campinganlagen. Besucher finden ein kleines Informationszentrum am McGowan’s Point, einige markierte Trails und eine Handvoll Dixie-Klos. François Dornez hat es in diese Einsamkeit verschlagen. Er arbeitet als Parkranger und kann sich nicht sattsehen an der Weite. Zum Sonnenuntergang fährt er an den Dawson Point. Bis zum Horizont verlaufen hier fel­sige, treppenförmige Hügel: die Badlands, Überbleibsel der Gletscher, die während der letzten Eiszeit ihre Spuren tief in die Landschaft eingegraben haben. Ein Panorama wie nicht von dieser Welt. Der Grasslands National Park wurde 2009 zum dunkelsten Dark Sky Preserve Kanadas erklärt. Das sind Schutzgebiete, die wegen ihrer einsamen Lage so gut wie keine Lichtverschmutzung aufweisen, die den Blick zu den Sternen trübt. Mit dem Nachtdunkel kommt der Wind und vertreibt die lästigen Moskitos.

In dieser Gegend ist man so allein wie der Mann im Mond

Doch erst nach Mitternacht ist es richtig dunkel. Am Firmament leuchtet die Milchstraße, als hätte jemand eine Lichterkette angeknipst. Die Sterne glitzern wie rohe Diamanten, die Prärie ist gespenstisch still. 200 Kilometer westlich liegt Val Marie. Dort befindet sich der Eingang zum West Gate des Grasslands National Parks. Bären gibt es hier keine, wohl aber Klapperschlangen. Davor warnt ein Schild auf dem 70-Mile-Butte, dem schönsten Wanderweg im west­lichen Sektor. Klapperschlagen sind keine auszumachen, auch keine Büffel. Dafür endlose Weite, Prärie, Einsamkeit, Stille, unterbrochen vom Bellen der kecken Prärie Dogs, lustigen Erdhörnchen, die in ihren Löchern verschwinden, sobald man sich ihnen nähert. Dem Ort Val Marie werden spirituelle Kräfte nachgesagt. Sitting Bull versteckte sich nach dem Kampf am Little Bighorn in den Tälern um Val Marie. „Hier vibriert Energie“, erzählt Robert Ducan, der ein ehemaliges Kloster zum Bed&Breakfast umgebaut hat. „Vergiss nicht, das Auto aufzutanken“, mahnt Robert am nächsten Morgen. Tankstellen sind rar. Und nicht jede hat Benzin. In dieser gottverlassenen Gegend ist man so allein wie der Mann im Mond. Endlich der Highway, die nächste Stadt. Weiter westwärts zum Cypress Hills Provincial Park an der Grenze zu Alberta.

Cypress Hills, das ist ein 130 Kilometer langer und 20 Kilometer breiter Felsklotz. Wie ein Brocken, der aus dem All gefallen ist, liegt er da, mitten in der Prärie. Mit 1275 Metern ist es die höchste Erhebung zwischen den Rocky Mountains und Labrador. Soll da noch jemand behaupten, Saskatchewan sei topfeben. Nach dem menschenleeren Grasslands mutet Cypress Hills wie ein Vergnügungspark an: Hotels und Cottages, Schwimmbad, Restaurants und sehr viele Menschen. Cypress Hills ist das Mekka der Sterngucker. Aus allen Ecken Kanadas sind sie gekommen mit ihren Teleskopen. Die Vorschriften auf dem Gelände nach Einbruch der Dunkelheit sind streng. Nur Rotlicht, das die Sicht nicht beeinträchtigt, darf angeknipst werden. Rick Huziak, Chef der Sterngucker, kann seine Augen kaum offen halten. „Wenn du bis zum Sonnenaufgang wach bleibst, war es eine gute Nacht.“ Rick lacht. Offensichtlich war es eine gute Nacht. Eine dunkle dazu. Zurück nach Regina auf dem Trans-Canada Highway. Die Autobahn führt schnurstracks geradeaus, und jetzt versteht man, weshalb Saskatchewan der Ruf einer öden, langwei­ligen Provinz anhaftet. Doch wer abseits des Highways fährt, begreift, dass das echte Herz Kanadas in der Prärie begraben liegt.


Anreise
Flüge ab Frankfurt mit Air Canada via Toronto nach Regina, ab 861 Euro, www.aircanada.de . Oder mit Air Transat nach Calgary, ab 700 Euro, www.airtransat.de .

Übernachten
Im Grasslands National Park gibt es einfache Einrichtungen für Camper ( www.pc.gc.ca ).

Hübsch ist das Convent, ein ehemaliges Kloster in Val Marie, ab 52 Euro Ü/F, www.convent.ca .

Ghostown Blues ist ein uriges Bed & Breakfast, ab 78 Euro, www.ghostownblues.com .

Pauschalreisen bietet SK Touristik an: eine 22-tägige Mietwagenreise durch die Prärieprovinzen kostet ab 1029 Euro, www.sktouristik.de . Canusa hat „Best of Saskatchewan“ im Programm, ab 429 Euro/Person, www.canusa.de .

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