Romantik für Überlebenskünstler

Selbstversuch eines Stadtmenschen: Sieben Tage Winterurlaub auf einer einsamen Berghütte.
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Berghütte im Schnee, Foto: Ralf Gerard
srt Berghütte im Schnee, Foto: Ralf Gerard

München - Selbstversuch eines Stadtmenschen: Sieben Tage Winterurlaub auf einer einsamen Berghütte.

Nein, ich brauche kein Luxus-Hotel, um mich erholen zu können. Im Gegenteil. Ich liebe die Ursprünglichkeit der Natur. Ich liebe Berghütten ohne Strom und fließendes Wasser, ich liebe die endlos tiefen Schneefelder, die vorbeihuschenden Gämsen, die neugierig spitzenden Murmeltiere, den täglichen Überlebenskampf, aus Schnee Teewasser zu machen, Holz zu schlagen und den unendlichen Duft der Freiheit einzuatmen. Denn ich bin kein Weich-Ei. Ich bin ein Mann. Ein Winter-Urlaub auf einer Berghütte ist also genau das Richtige für mich.

Bergschuhe, Nähzeug, warme Wäsche, meine 40 Lieblingsbücher, Medikamente für den Notfall - ich bin vorbereitet. Denn sieben Tage können verdammt lang werden. Außerdem habe ich meiner Frau, meiner Ex-Frau, meiner Fast-Frau und meinen diversen Schwiegermüttern die genauen Koordinaten gegeben, wo ich im Zweifelsfall per Hubschrauber zu retten bin. Auch für den Fall der Fälle ist gesorgt. Meine Plattensammlung bekommt dann mein Kumpel Herbi, meine Bücher mein Wurschtel, und meine Fotoalben mein Bäckchen. Also alles klar. Winter-Wildnis - ich komme!

In mir kriecht die nackte Angst hoch

Nur Streichhölzer brauche ich keine mitzunehmen. "Weil", so erklärt es mir eine befreundete Berg-Fee, "weil auf jeder Hütte nämlich quasi automatisch jede Menge Streichhölzer sind. Jeder Hütten-Vermieter und auch Besucher weiß ganz genau, wie wichtig diese Dinger fürs Überleben sind. Ehrenkodex, dass man welche da lässt." Also mach ich mir in dieser Hinsicht keine Sorgen. Ich hätte es besser wissen müssen. Trau niemandem. Denn kaum auf der Hütte angekommen, sprang mich die Realität an: Nicht ein einziges Stückchen Streichholz da! Und draußen wurde es schon dunkel. Der Rückweg war also abgeschnitten. Zwei Holzstäbchen aneinander reiben wie damals bei den Pfadfindern? Quatsch, schließlich ist Februar. Viel zu nass, das Holz.

Also was tun? Erst mal Energie sparen, sich langsam bewegen, keine Wärme abgeben. Trotzdem kriecht die Angst in mir hoch, die nackte Angst. Warum sollte ich das leugnen? Es gibt im Leben eines Mannes Momente, in denen er Angst hat. Kein Grund, sich zu schämen. Leise brummt der Kühlschrank. So, als wolle er mir sagen: Immer schön cool bleiben, mein Freund, du schaffst das schon. Such erst mal die ganze Hütte systematisch ab, bevor du in Panik ausbrichst. Also gehe ich logisch vor. Wo könnten diese Streichhölzer wohl versteckt sein? Im Elektroherd, hinter der Kaffeemaschine, neben dem Videorecorder oder im Schaltkasten für die Klimaanlage? Fehlanzeige, immer wieder. Ah, ich hab's! Hinter dem offenen Kamin nachschauen, in dem das künstliche Feuer knackt und prasselt! Bestimmt ein Wink mit dem Zaunpfahl. Aber auch hier: Nichts! Absolut nichts!

Dann, Stunden später, Stunden zwischen Verzweiflung und dem festen Willen zu überleben, endlich der langersehnte Erfolg! Im Bad sind sie, die Streichhölzer, neben dem vorgeheizten Whirlpool. So ein Glück aber auch! Bei Gott, das hätte ins Auge gehen können. Aber dieser Berg-Hexe, dieser sogenannten Freundin, der werde ich was flüstern nach meiner Rückkehr!

Hütten in den Bergen, sowohl einfach-urige als auch mondäne, gibt's unter www.huetten.com. Man sollte sich bloß nicht in der Kategorie verklicken

Arno Frank Eser

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