Pfunds: Einfach zum Schießen
Pfunds - Wie ein Indianer durchs Gelände streifen und Gummibären erlegen: Bogenschützen machen um das Tiroler Oberland keinen Bogen mehr, seit es in Pfunds einen Bogenparcours in zünftiger Alpenkulisse gibt. Der Ausgleichssport findet immer mehr Anhänger. Auch Anfänger können nach ein paar Dehnübungen loslegen. Die Wiese ist taunass, graue Felsen werfen ihre Schatten in der Morgensonne. Eine Gruppe von Urlaubsgästen aus Karlsruhe übt das Bogenschießen am Ortsrand von Pfunds. Aufstellung in einer Reihe. Einatmen. Ausatmen. Wildes Wasserrauschen aus dem nahen Flussbett dringt herüber. Doch der Inn ist im Moment weit weg. Der Puls pocht vor Aufregung, fast ist der Herzschlag zu hören. Nicht nur die Nerven sind angespannt, auch die Sehnen der Bögen. Sie beschreiben üppige Kurven und dehnen sich stramm, vergleichbar mit den Hosenträgern von „Dschungelcamp“-Moderator Dirk Bach. Die eine Hand umklammert den Griff des Bogens.
Doch man muss auch mal loslassen können - nämlich mit der anderen. Noch ein Wimpernschlag, dann schnellt die Sehne nach vorn, der Pfeil saust in Richtung Ziel. „Passt!“, ruft Johannes Sarsteiner, um im selben Moment weitere Tipps zur Optimierung der Treffsicherheit zu verklickern: „Aber lass dir ruhig noch eine Sekunde länger Zeit mit dem Zielen“, empfiehlt er. Sarsteiner ist Initiator des Bogenparcours und gleichzeitig Geschäftsführer des Tourismusverbands Tiroler Oberland. Er zielt quasi auf eine neue Klientel.
Es braucht vor allem Intuition beim Zielen
„Das Bogenschießen boomt“, ist er überzeugt. Er selbst hat sich nicht viel Zeit gelassen: Die Anlage entstand vor drei Jahren. Von der Idee bis zur Umsetzung dauerte es nur wenige Monate. Bogenschützen sollten in jeder Hinsicht nicht allzu lange zögern und zaudern. Schließlich lastet beim Spannen eine gewaltige Kraft auf der Sehne, die die Muskeln spürbar beansprucht. Die Pfeile werden pfeilschnell, je nach Material zwischen 200 und 300 Kilometer je Stunde. Auf die goldene Mitte kommt es da an, wie auch sonst im Leben. Wer Bogenschießen betreibt, kommt um diese und andere Lebensweisheiten nicht herum. Vor allem beim traditionellen Bogenschießen. Denn im Gegensatz zum technischen Schießen werden keine technischen Hilfsmittel angewendet, etwa Zielvorrichtungen. Erlaubt sind lediglich Bogen und Pfeile - und Intuition beim Zielen.
Die Intuition ist der Schlüssel zum Erfolg, und die funktioniert am besten, wenn der Verstand ruht. Die Natur hilft abzuschalten. Auf dem Bogenparcours in Pfunds funktioniert das so: beruhigendes Wasser- und Wälderrauschen für die Ohren, anregender Duft von Kräutern und Harzen für die Nase, sanfte Farben auf sonnenüberfluteten Berghängen für die Augen. Und es hilft die „Wochenendhaltung“. So nennt Sarsteiner den lässigen Stand, bei dem die Knie etwas einknicken sollen und der Po leicht durchhängen darf. Wenn Körper, Seele und Geist aus der Balance sind, kommt es höchstens zu Zufallstreffern. Wahrscheinlicher ist es, dass der Schütze ins Kraut schießt. Oder gegen einen Felsen.
Die großen Tiere gehen häufiger durch die Lappen
Was ins Geld geht, denn Begegnungen mit harten Zielen quittieren die Pfeile mitunter mit einem Totalschaden. Die Schießstrecke in Pfunds ist ein sogenannter 3-D-Parcours. Nach den Übungseinheiten gegen die Zielscheiben geht es nämlich raus ins Gelände und gegen Attrappen aus Kunststoff. Der Weg ist markiert, an 28 Stationen wird auf Tierfiguren angelegt. Von A wie Auerhahn bis W wie Waschbär. Um Neulinge nicht zu desillusionieren, dürfen sie gleich einen Bock schießen. Seine Größe und der relativ kurze Abstand ermöglichen Erfolgserlebnisse. Danach wird ein Bison anvisiert. Doch wegen der relativ weiten Entfernung gehen einige Pfeile am Ziel vorbei. Auch hier schlägt das traditionelle Bogenschießen wieder eine Brücke ins wirkliche Leben: Die großen Tiere wahren Distanz, haben ein dickes Fell und gehen häufiger durch die Lappen. Oder sind erst nach Dauerfeuer erledigt. Auch Johannes Sarsteiner braucht an diesem Morgen einige Anläufe, um seine innere Ruhe finden. Bei einigen Stationen trifft er erst mit dem dritten Pfeil. „Drüber, drunter, drauf“, tröstet er sich und liefert damit eine freie Interpretation des Begriffs 3-D. Inneres Gleichgewicht ist entscheidend, vor allem, wenn es gegen weit entfernte Ziele geht, so dass die Pfeile kaum noch erkennbar sind. Erst ein „Tock“-Geräusch sagt dem Schützen, ob er getroffen hat. Ruhe und Intuition helfen auch, wenn es gegen mickrige Ziele geht, etwa Uhu oder Krähe.
Oder wenn aus der Schräglage geschossen wird. Etwa bergauf oder bergab. Der Kurs in Pfunds bietet einige hübsche Abschussplätze. Etwa von einem Felsvorsprung oder direkt am Ufer des Inns. Die Natur war Hilfsbaumeister. Um im unebenen Gelände Treffer zu setzen, bedarf es etwas Übung. Und dafür wurden Bogenparcours erfunden. Das Dreiländereck Österreich-Schweiz-Italien hat sich durch den Rundkurs in Pfunds zu einem regelrechten Bogensport-Viertel entwickelt. Drei weitere 3-D-Bogenparcours sind vom Tiroler Oberland leicht per Auto zu erreichen: In Tartsch und am Watles, jeweils in Südtirol, sowie in Sur En im Schweizer Engadin kann man ebenfalls im Grünen ins Schwarze treffen. Die Anlagen kooperieren, tragen sogar gemeinsam internationale Turniere aus. Besonders Aktive steuern die Ziele übrigens mit dem Rad an.
Das Tiroler Oberland positioniert sich mit gut ausgebauten Radwegen als Anziehungspunkt für Mountain- und E-Biker. Und für schussfreudige Schwaben: Den Parcours in Pfunds hat die Menschheit gewissermaßen elf Schwaben aus Plüderhausen zu verdanken. Eine Gruppe aus dem Ort bei Stuttgart brachte Sarsteiner auf die Idee mit dem Bogenschießen. Die Urlauber, allesamt passionierte Schützen, weilten in Pfunds - als idealem Ausgangspunkt für Touren zu den Anlagen in Südtirol und im Engadin. Sarsteiner, der das letzte Mal als Kind mit einem Bogen in Berührung kam, wurde hellhörig und zauberte mit dem Pfundser Parcours einen Pfeil aus dem Köcher. Die Gruppe aus Plüderhausen hielt Wort und rückte mit elf Mann zum Bau an - zum Dank gab’s freien Eintritt auf Lebenszeit.
Anreise
Von Stuttgart über die A 8 Richtung München bis Kreuz Ulm/Elchingen, dort auf die A 7 Richtung Kempten bis Füssen, in Österreich auf der Bundesstraße 179 über Reutte/Fernpass bis Imst, über Landeck nach Pfunds auf der Bundesstraße 180. Bogenparcours Pfunds Tageskarte 10 Euro, 7 Euro für Jugendliche, geöffnet ganzjährig täglich bis zur Dämmerung, Ausrüstungsverleih bei der Fischeralm am Eingang zum Parcours, www.bogensport-pfunds.at
Allgemeine Information
Offizielle Seite des Tourismusverbands Tiroler Oberland: www.tiroleroberland.com
Unterkunft
Das Hotel Traube in Pfunds ist Dorftreffpunkt und schicke Herberge zugleich. Manche Mauer hat eine jahrhundertealte Klostervergangenheit. In den hervorragenden Spa-Bereich wurde eine original Tiroler Bauernstube integriert, ab 31 Euro pro Person im DZ inkl. Frühstück, www.traube-pfunds.at.
Der Sagenschneider-Hof in Ried ist bei Familien mit Kindern sowie Kräuterliebhabern beliebt. Die Hausherrin Lissi Maass ist eine exzellente Kennerin von Wildkräutern. Urlaubsgäste können von ihr uralte Hausrezepte zum Beispiel gegen den Hunger oder gegen Wehwehchen lernen. (ab 20 Euro). www.urlaubambauernhof.at
Was man tun und lassen sollte
Machen Sie beim Bogenschießen auf keinen Fall eine „dumme Meldung“, wie die Österreicher das Lästern nennen, etwa bei Fehlschüssen. Bogenschützen sind friedliebende Menschen, die für gewöhnlich weder echte Tiere noch empfindliche Seelen aufs Korn nehmen.
Bogenschützen oder andere Erholungsuchende sollten auf jeden Fall dem Zirbenwald im Radurschltal oberhalb von Pfunds, einem der größten Zirbenwälder Europas, einen Besuch abstatten. Der Geruch des Zirbenholzes wirkt, das ist wissenschaftlich erwiesen, enorm beruhigend. Eine Nacht in einem Zirbenholzzimmer und das Herz schlägt rund 3500-mal weniger pro Schlaf.
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