Moderne Kunst und Türme zum Träumen

Prächtige Kirchen, lebensfrohe Festivals: Litauens Städte-Kleinod Vilnius ist 2009 Kulturhauptstadt Europas.
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Marktstand in Vilnius' ältester Straße Pilies gative, Foto: Gobaltic
srt 2 Marktstand in Vilnius' ältester Straße Pilies gative, Foto: Gobaltic
Vilnius, Folklore, Foto: PR
srt 2 Vilnius, Folklore, Foto: PR

Vilnius - Prächtige Kirchen, lebensfrohe Festivals: Litauens Städte-Kleinod Vilnius ist 2009 Kulturhauptstadt Europas.

Kaum zimmergroß ist die Kapelle über dem Tor der Morgenröte. Ihre Wände sind über und über bedeckt mit Hunderten silberner Herzen - dankbaren Votivgaben für erfüllte Wünsche. Aus dem Hochaltar blickt gütig die Schwarze Madonna im Strahlenkranz auf die Gläubigen mit ihren Rosenkränzen in der Hand. Einige haben die Kopfhörerstöpsel eines iPod im Ohr. Das ist Vilnius heute: Katholische Frömmigkeit und Technosound haben hier ganz selbstverständlich ihren Platz nebeneinander gefunden, ebenso freche Boutiquen und pfiffige Cafés. Als Kulturhauptstadt Europas soll diese Mischung nun ganz Europa anlocken. 50 katholische Kirchen hat jemand in der Altstadt von Vilnius gezählt, kaum weniger als im Herzen Roms. Die knuddeligste, St. Anna, wollte Napoleon auf seinem Russlandfeldzug 1812 gleich nach Paris mitnehmen.

Der beste Platz der Stadt ist der Burgberg

2009 ist für Litauen ein Jahr von großer Bedeutung: Vor tausend Jahren wurde das kleine Land an der Ostsee das erste Mal erwähnt. Gleichzeitig trägt die Hauptstadt Vilnius dieses Jahr den Titel "Kulturhauptstadt Europas" - gemeinsam mit Linz in Österreich. Die zahlreich erwarteten Gäste sollen eine moderne und lebensfrohe Stadt kennenlernen und sich gleichzeitig begeistern für die tief katholischen Traditionen und die prächtigen Barockkirchen, die Vilnius' Altstadt bereits 1994 zum Unesco-Welterbe machten. Der beste Platz, die Schöne aus dem Norden zu bewundern, ist der Burgberg. Vom begehbaren Dach des achteckigen Gediminas-Turms schweift der Blick über frisch renovierte rosa Fassaden und barock verspielte Gotteshäuser in hellblau und gold bis hin zu den saftig-grünen Hügelketten im Osten.

Seit der Unabhängigkeit ist der Geschäftssinn erwacht

Direkt unterm Burgberg erhebt sich schneeweiß die Kathedrale. Mit ihren dorischen Säulen wirkt sie eher wie ein griechischer Tempel. Auf dem weiten Platz davor tummeln sich Musikanten, Kleinkünstler und Straßenverkäufer. "Wollen Sie Bernstein kaufen? Russische Orden? Handgefertigte Stoffpuppen?", fragt ein kaum 20-Jähriger mit grünen Haaren in perfektem Deutsch. Seit der Unabhängigkeit ist der Geschäftssinn wieder erwacht, die unbändige Lebenslust mit Händen zu greifen. Auf dem Kathedralenplatz werden in der ersten Juliwoche auch die Höhepunkt des Kulturhauptstadtjahrs stattfinden: Rund 30000 Stimmen werden beim großen Sänger- und Tanzfestival vom 1. bis 6. Juli erklingen, als krönender Abschluss soll am Staatsfeiertag, den 6. Juli, der gleich neben der Kathedrale wieder aufgebaute Großfürstenpalast feierlich eröffnet werden.

Eine mondän herausgeputzte Einkaufsstraße

Rund 120 Kulturhauptstadt-Projekte spannen das ganze Jahr lang unter dem gemeinsamen Motto "Culture live" den Bogen zwischen regionalen Festivals und moderner Weltkultur. Dazu gehören ein Kinder-Zirkusfestival im April, das große Straßenmusikfest am 3. Mai und das Rockfestival "B2gether" Mitte August. Bei zwei Dritteln der Veranstaltungen ist der Eintritt frei. Von der Kathedrale hinunter zum Neris-Fluss läuft ein lindengesäumter Boulevard. Er hat schon vieles durchgemacht, trug im vergangenen Jahrhundert die Namen von Hitler, Lenin und Stalin. Heute ist er die mondän herausgeputzte Haupteinkaufsstraße der Stadt und heißt Gedimino-Prospekt - nach einem legendären litauischen Fürsten. In seiner Fluchtlinie sieht man am anderen Flussufer das neue Vilnius in die Höhe wachsen: Einkaufszentren, Banken, glitzernde Glasfassaden.

Das Herz der Altstadt

Was für ein Gegensatz auf der anderen Seite der Kathedrale: Kopfsteingepflastert, autofrei und krumm führt da Vilnius' älteste Straße 'Pilies gatvé' ins Herz der Altstadt. Die ist eine der größten und schönsten Europas und liebevoll restauriert. Es macht richtig Spaß, in ihr zu bummeln. Enge Gassen winden sich um barocke Kirchen, Paläste und Geschäftshäuser. Und immer wieder wird der Blick nach oben gelenkt: zu prächtigen Balkonen und barocken Giebeln. Handwerker in Vilnius müsste man sein. "Hier wurde alles völlig erneuert", erklärt Bürgermeister Juozas Imbrasas. Und das gilt nicht nur äußerlich: Putten schweben, Himmel öffnen sich, 2000 weiße Stuckfiguren blitzen allein in der Kirche St. Peter und Paul um die Wette. Da versteht man, warum Vilnius die schönste Barockstadt der Welt genannt wird - ein Schatzkästchen, das nur auf die Entdeckung wartet.

Südliches Temperament und feiner Sinn für Humor

Akkordeonmusik klingt um die Ecke. Zwei Studenten sitzen da, verdienen sich mit Straßenmusik einige Litas. Die 1579 gegründete Universität nimmt ein ganzes Stadtviertel von Vilnius ein. Ihre zahlreichen Innenhöfe und Gässchen erinnern an Rom oder Florenz. Die Erklärung dafür ist einfach: Die litauischen Großfürsten haben sich gern Italienerinnen zur Frau genommen - und die brachten ihre Architekten mit. Zum südlichen Temperament der Litauer kommt ein feiner Sinn für Humor. Etwa im Stadtteil Užupis, wo Künstler und neue Reiche, schräge Galerien und schicke Bars friedlich nebeneinander existieren: Die Künstlerkolonie hat augenzwinkernd eine "Freie Republik" ausgerufen, und alle, selbst der Bürgermeister, machen den Spaß mit. Baltikum Tourismus Zentrale, Katharinenstr. 19-20, 10711 Berlin, Telefon 030/89009-091, www.baltikuminfo.de, www.culturelive.lt www.vilnius-tourism.lt (engl.)

Hans-Werner Rodrian

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