„Man muss nicht überall hin“

Herr Lenz, seit wann produzieren Sie Reisefilme für Touristen?
Ich bin seit rund 26 Jahren mit meiner Filmkamera unterwegs und habe rund 60 Filmreisen hinter mir. Mittlerweile arbeiten wir mit mehreren Filmteams. Aber wir machen keine Reisefilme für Touristen, sondern Reisefilme für Reisende.
Was ist der Unterschied?
Der Tourist ist jemand, der Erholung und Urlaub sucht. Aber das kann er auch im Stadtpark haben oder am Strand. Der Reisende jedoch möchte etwas Neues kennenlernen, ist neugierig. Diese Neugierigen sind es, für die wir unsere DVDs produzieren.
Warum produzieren Sie eigentlich Filme?
Wir machen die Ergänzung zum Reiseführer in Form des bewegten Bildes. Natürlich kann jedes Medium etwas anderes leisten. Wir möchten eine Einstimmung geben auf ein Land, eine Stadt oder eine Insel. Eigentlich ist ein Reisefilm wie ein Bildband im Screenformat. Hat aber einen höheren emotionalen Anteil, etwa durch die Geräusche und die Musik.
Gibt es Länder, in denen Sie noch nicht gedreht haben?
Aus völkerrechtlicher Sicht gibt es 193 Staaten auf der Erde. Bisher habe ich 68 davon bereist. In Burkina Faso war ich zum Beispiel noch nicht, nicht in Russland, auch nicht in Argentinien. Es sind also noch viele mir unbekannte Flecken auf meiner filmerischen Landkarte. Aber da habe ich in meinem hohen Alter von 64 Jahren auch die Möglichkeit, ein bisschen zu selektieren. Man muss nicht überall hin . . . (lacht).
Nach welchen Kriterien suchen Sie Ihre Filmziele aus?
Wir drehen dort, wo die deutschen Reisenden gerne unterwegs sind. Da gibt es Statistiken. Aber man bekommt auch ein Gespür dafür. Wobei man aber ganz schön danebenliegen kann, was die Verkaufszahlen angeht. Meine Idee mit Filmen über Mallorca und Ibiza, eigentlich sehr naheliegend, hat nicht gut funktioniert. Immer wieder verblüffend hoch, und das seit vielen Jahren, ist die Nachfrage nach Beiträgen über Norwegen. Und unter den Norwegen- Themen wiederum sind Filme über Hurtigruten, diese Postschiff- Route, der absolute Hit.
Gibt es auch Länder, in die Sie auf keinen Fall mehr reisen würden, weil sie sich zu ihrem Nachteil verändert haben?
Ja, tatsächlich gibt es die. Das gilt vor allem für die Karibik, da muss ich nicht mehr hin. Das ist inzwischen wie in Disneyland, sehr amerikanisiert, das muss man mögen. Aus demselben Grund ist auch Florida für mich kein Traumziel. Im April war ich im Süden Italiens, am Golf von Neapel, da liegen diese Klischee-Inseln wie Ischia und Capri. Traumhaft schöne Inseln — aber es sind zu viele Menschen drauf. Wenn jeden Tag Tausende angelandet werden, die sich heuschreckenartig ausbreiten, dann tut das den Inseln nicht gut. So erlebt das aber leider der Tourist mittlerweile — in diesem Fall stimmt der Begriff, denn der Reisende geht dort sowieso nicht mehr hin. Wenn man das auch noch vergleichen kann, wie es vor 25 Jahren dort aussah und wie die Situation heute ist, dann wird’s noch gruseliger, denn dann hat man das früher ja mal als wunderschön erlebt. Das gilt auch für den Gardasee. Trotzdem bin ich gerne unterwegs.
Hatten Sie bei Ihrer Arbeit auch schon mit Schwierigkeiten zu kämpfen?
Man bewegt sich immer im Fokus von irgendwelchen Offiziellen wie der Polizei, und man muss sich häufig gegenüber Ordnungskräften durchsetzen. Es ist schon ab und an vorgekommen, dass die Kamera vorübergehend konfisziert wurde. Profis haben ja immer ein Stativ dabei. Damit fällt man sofort auf. Das Stativ unterscheidet uns von den meisten Amateurfilmern.
Gab es auch positive Überraschungen?
Eine amüsante Begegnung gab es einmal im Dschungel von Peru. Auf dem Dorfplatz eines Indianerstamms lag ein ausgelutschter Fußball — die Indios haben uns gefragt, ob wir gegen sie spielen möchten. Die Jungs, alle im Baströckchen, waren schwer zu umspielen, zwischen den Beinen durch ging gar nichts. Ein Schweizer Banker, der bei uns mit dabei war, meinte nach dem Abpfiff in breitem Schweizerdeutsch, wir hätten Glück gehabt, dass wir null zu fünf verloren hätten, sonst hätten wir jetzt Giftpfeile im Rücken.